„Liest Du ein Tourismuskonzept dann kennst Du alle“ – das ist ein geflügeltes Wort unter Reisejournalisten. Ganz so hart muss man das seit einiger Zeit im Rathaus liegende und jetzt auch im Gemeinderat verabschiedete Tourismuskonzept für die Stadt Schwetzingen nicht beurteilen, dass aber neue Erkenntnisse daraus zu gewinnen sind, auf die man nicht auch ohne den viel zitierten „Blick von außen“ gekommen wäre, kann auch der geneigte Leser nicht erkennen.
Die wichtigsten Punkte lauten: Das ganze Interesse der Touristen konzentriert sich auf den Schlossgarten und das Schloss. In der Musik – vor allem in der klassischen – liegt mehr Potenzial für die ganze Stadt, als sie bisher genutzt wird. Mit Wanderungen und Radtouren könnten die Besucher länger als bisher nur diesen einen oder höchstens zwei Tage in Schwetzingen gebunden werden. Anlocken sollte man die Besucher durch gemeinsame Anstrengungen mit den Hotspots Heidelberg, Mannheim und Speyer. Gastronomie und Einzelhandel sind zu wenig auf Touristen ausgerichtet. Und es gibt leider keine gemeinsam von Schlossverwaltung und Stadt betriebene Tourist-Info.
Eine Flut von Arbeitsgruppen
Interessanter Teil ist sicherlich das Handlungskonzept, das der Geschäftsführer der Berliner Agentur Tourismus Plan B, Andreas Lorenz, aufstellt. Gegliedert in acht Handlungsfelder rät er zur Gründung von insgesamt 54 Arbeitsgruppen, die sich einzelnen Bereichen widmen und in die neben den städtischen Stellen und der Landesverwaltung auch alle möglichen Vereine und Verbände eingebunden werden sollen, die allerdings bei der Erstellung des Konzeptes selten bis gar nicht befragt worden waren. Allein im ersten Bereich, den drei Erlebniswelten „Schloss, Kultur, Stadt“, „Schwetzingen Live“ und „Stadt, Land, Fluss“ sind dazu 29 Arbeitsgruppen geplant. Das bräuchte natürlich Koordinierung und ist sicher mit einem Folgeauftrag für den Ersteller des Konzeptes, das bisher 24 000 Euro gekostet hat, verbunden.
Um es nochmals deutlich zu sagen: Wenn es das Ziel der Stadtverwaltung war, eine Art Handlungsanleitung für strukturiertere Tourismusaktivitäten zu bekommen, dann kann der Auftrag als erfüllt beurteilt werden. Denn die Feststellungen sind meist nicht falsch. So krankte – und die Betrachtung ist ja eigentlich eine Vor-Corona-Bestandsaufnahme – die Hotellerie daran, dass sie unter der Woche stark von Geschäftsreisenden gebucht ist und viele Touristen nur den Tag hier verbringen und gar nicht oder höchstens eine Nacht hier schlafen. Und sehr richtig festgestellt wurde auch, dass der einzige Wohnmobil-Stellplatz in diesem boomenden Segment zu weit draußen liegt und kaum Service bietet.
Beim touristischen Höhepunkt, dem Schlossgarten, werden die Vorteile gut herausgearbeitet. Nachteil sei aber, dass das gesamte Marketing dafür beim Land liege und dieses auf der Homepage dann lieber andere Schlösser im Land bewerbe als die Vorzüge der Stadt Schwetzingen zu preisen. Zudem heißt es, dass die beiden gastronomischen Betriebe (Kurfürstenstube und Schlossrestaurant) den Ansprüchen hinterherhinkten. Ein Urteil, das zumindest für das Schlossrestaurant überhaupt nicht nachzuvollziehen ist.
Ähnliches gilt für die Beurteilung der Gastronomie in der Stadt und auf dem Schlossplatz. Kommen erstgenannte quasi im Konzept gar nicht vor, so wird am Schlossplatz kritisiert, dass ein „roter Faden“ fehle. Dabei setzen andere Städte gerade in der diverser werdenden Welt auf die Vielfalt zwischen ausländischer und inländischer Küche, zwischen Bistro- und Cocktail-Angeboten bis hin zur deftigen Brauhausküche. Und bei letzterem gibt es dann von Konzeptmacher Andreas Lorenz sogar noch übertriebenes Lob. Denn er nimmt die Brauereigaststätten ausdrücklich aus der Kritik des „austauschbaren Angebots“ aus und zählt vier Brauereigaststätten. Wir kommen eigentlich nur auf das „Brauhaus zum Ritter“, das vor Ort Bier braut, und auf zwei weitere – „Welde-Brauhaus“ und „Grüner Baum“ –, die sich jeweils als Brauereiausschank betiteln. Nach dem vierten Brauhaus suchten wir in der Redaktionsrunde jedenfalls vergeblich. Bedauert wird von Lorenz, dass es keine Sternegastronomie gebe. Es heißt auch, dass kulinarische Trendangebote wie vegane Küche bisher nicht aufgenommen worden seien.
Ähnlich dünn fällt die Bestandsaufnahme in Sachen Einzelhandel aus. Da empfiehlt die Studie, dass man stärker die inhabergeführten Geschäfte in den Vordergrund stellen soll, ein Konzept, das bereits vor acht Jahren die damalige SMS-Geschäftsführerin Anne-Marie Ludwig auf den Tisch gelegt hatte. Und dass die Festivals in Sachen Musik stärker Einlass in die Schaufenstergestaltung und Angebotsstruktur finden müsste – auch das ist ja eine ewig aufgemachte Forderung, die einen echten Kümmerer bräuchte. An denen fehlt es aber im eher knapp besetzten Ressort – auch den Kritikpunkt benennt das Konzept ja deutlich und richtig.
Apropos: Gut aufbereitet scheint das Thema Musikstadt Schwetzingen im Tourismuskonzept. Da erkennt man auch die Handschrift der am Konzept in den Workshops vor Ort handelnden Personen. Kritik gibt es hier eigentlich nur an der Vernetzung in die Region und an der Stärkung eines gemeinsamen Auftretens als Event- und Festivalstadt. Das da dem Theater am Puls und der Wollfabrik so gar nichts an Zugkraft zugetraut wird, könnte sicherlich diskutiert werden.
In einer Pressekonferenz am 29. September will Agentur-Geschäftsführer Lorenz das Konzept in einem Pressegespräch erläutern und eine Art Handlungsanleitung geben.
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