Schwetzingen. Am Anfang stand der Baum vor dem Balkon. Aus dem Haus in der Stamitzstraße sind mehrere großgewachsene Bäume zu sehen, die einen Sichtschutz zum angrenzenden Spielplatz bilden - oder bilden sollten.
Denn einer habe 2018 schon im Juni seine ersten Blätter verloren, über eine echte Krone verfüge er auch nicht mehr. „Dadurch fiel mir stark auf, wie sehr sich das Klima verändert“, sagt Anton Blattner. Für den Studenten war dieses einprägsame Erlebnis vor fünf Jahren der Stein des Anstoßes: Es ist an der Zeit, das Haus in der Schwetzinger Stamitzstraße fit für die Herausforderungen des Klimawandels zu machen.
Mehrgenerationenhaus in Schwetzingen nachhaltig saniert
Anfang des Jahres fiel der Startschuss mit dem Einbau neuer Fenster. Dreifach verglast sollen sie nun weniger Wärme aus den eigenen vier Wänden entweichen lassen und so die Isolierung möglichst optimieren.
Auch im Treppenhaus des Mehrgenerationenhauses - neben Blattner wohnen Eltern und Oma in dem Gebäude - wurden die alten Glasbausteine gegen moderne Fenster ausgetauscht. „Den Effekt hat man schon diesen Sommer gespürt. Früher wurde es immer heißer, je weiter man aufgestiegen ist“, erzählt der 24-Jährige im Gespräch mit dieser Zeitung. Das blieb auch den Nachbarn nicht verborgen. „Es haben sich schon Leute danach erkundigt“, schiebt er beim Gang durch das Treppenhaus nach.
Die Wärme im Haus gehalten, wurde anschließend deren Erzeugung in Angriff genommen und die 50 Jahre alte Gasheizung gegen eine Wärmepumpe ausgetauscht. Der Austausch sei ohnehin geplant gewesen, der Krieg in der Ukraine und die zeitweise unsicher erscheinende Gasversorgung hatten die Entscheidung befeuert.
Während unseres Gesprächs wird an der Fassade des 1972 errichteten Hauses am dritten und vorerst letzten Baustein der energetischen Sanierung gewerkelt: Das Gerüst zur Installation der Photovoltaikanlage auf dem Dach wird aufgebaut. „In Verbindung mit der Wärmepumpe und den höheren Strompreisen ist sie die logische Konsequenz“, erklärt Blattner, der an der Hochschule Mannheim Kommunikationsdesign studiert.
Durch die beinahe zehn Kilowatt-Peak - damit wird die maximale Leistung von Solarzellen bezeichnet - sei der Strombedarf des Hauses im Sommer nahezu komplett gedeckt, so zumindest die vorläufige Hochrechnung, der Blattner sich optimistisch anschließt: „Schwetzingen hat ja genug Sonne.“ Im Winter würde die Anlage dann einen Teil des Stroms für die Wärmepumpe erzeugen.
„Guter Wille“ bei Förderungen für energetische Sanierung in Schwetzingen
Fenster, Wärmepumpe und Photovoltaikanlage: Alle drei Vorhaben hat die Familie im Verbund und mit Hilfe von Förderungen finanziert. Von rund zehn Prozent bei den Fenstern bis hin zu fast der Hälfte im Fall der Wärmepumpe fiel die Höhe dabei sehr unterschiedlich aus. „Natürlich ist das teilweise nur ein Bruchteil, aber es trägt etwas zum großen Ganzen bei“, meint der Student. „Der gute Wille ist zu erkennen.“
Das gilt auch für die Stadt Schwetzingen, deren Förderung bei der Sonnenenergie in Anspruch genommen wurde und für die Blattner viel Lob übrig hat. „Es ist gut, dass die Stadt über staatliche Förderungen hinaus Anreize schafft, um selbst aktiv werden zu können.“ Auch die konstruktive Zusammenarbeit mit der Verwaltung hebt er hervor. Zwar gebe es für die Förderanträge „viel auszufüllen, aber daran scheitert es nicht“ auf dem Weg zu einem Eigenheim, das sich im Idealfall zukünftig gänzlich selbst versorgen kann.
Faible für Landwirtschaft bei Anton Blattner aus Schwetzingen
Anton Blattner lebt von Geburt an in Schwetzingen und ist am Feldrand im kleinen Feld aufgewachsen. Als Kind stand er stets staunend am Acker, wenn die Mähdrescher ihre Arbeit verrichteten. Heute fährt er die großen Maschinen gelegentlich selbst, kennt die Mitarbeiter der Betriebe. Das lässt ihn anders auf die Natur blicken. „Wenn man regelmäßig mit Landwirten in Kontakt ist, lernt man deren Welt kennen“ - und wendet ihre Kniffe an, wie im Garten hinter dem Haus, wo der Bachelorstudent viel Zeit verbringt.
Unter anderem wird dort reichlich Gemüse angebaut - allerlei von Karotten und Lauch über Zwiebeln und Mais bis hin zu Kartoffeln - und dabei ein Trick der regenerativen Landwirtschaft verwendet. Die Idee hinter dem Konzept lautet vereinfacht, dass der Boden nicht mehr bewegt werden soll. Lockern, mischen und wenden sollen dadurch entfallen.
„Das ist kein Unkraut“, sagt er und zeigt auf die sogenannten Zwischenfrüchte, die jetzt im Herbst, wo der Gemüsegarten nicht mehr allzu üppig bestückt ist, Blütezeit haben und Insekten Nahrung und Lebensraum bieten. Blattner erklärt den Gedanken hinter den Feldfrüchten: „Während sie blühen, ziehen sie Nährstoffe aus dem Boden. Wenn sie absterben, bedecken sie den Boden und schützen ihn vor Trockenheit durch die direkte Sonneneinstrahlung genaus wie vor Erosion und Starkregen.“ Der nebenbei selbstständig im Bereich Film und Fotografie tätige 24-Jährige sei damit in seinem Garten „am herumexperimentieren“.
Leben mit der Natur: Potenzial für die Stadt Schwetzingen
Blattner sieht in dieser Hinsicht auch Potenzial für die Stadt Schwetzingen, die ihre Bürger mit den Förderungen zwar finanziell unterstütze, selbst aber an mehreren Stellen Nachholbedarf habe. „Die Bereiche unter den Stadtbäumen könnten bepflanzt werden mit etwas, das ganzjährig blüht. Das hält das Wasser besser im Boden und bietet etwas fürs Auge anstatt dem häufigen grauen Beton oder Kies. Vielleicht könnten auch Bürger miteinbezogen werden“, präzisiert er seine Vorstellungen.
Lebensraum für Insekten bieten und die natürlichen Ressourcen der Natur nutzen - das geschieht auch an weiteren Stellen im vielfach naturbelassenen Garten. Denn „es wird nicht funktionieren, wenn man gegen die Natur arbeitet“, meint Blattner.
Wenn die Natur einem Wasser gibt, kann man das doch speichern. Das ist auch ein Aspekt des Lebens mit der Natur
So blühen neben dem Gemüsebeet bis in den Winter hinein Herbstastern. Darin: zahllose Bienen, die sich an den Blüten erfreuen. Zwei Regentonnen sammeln das kostenlos herabfallende Wasser, das zum Gießen genutzt wird. „Wenn die Natur einem Wasser gibt, kann man das doch speichern. Das ist auch ein Aspekt des Lebens mit der Natur“, so die Philosophie des jungen Mannes mit dem grünen Daumen.
Abschließend fällt der Blick nochmal auf das im Aufbau befindliche Gerüst an der Hausfassade. Diese strahlt in sattem Grün. Wilder Wein bahnt sich vom Boden bis unter das Dach seinen Weg. „Der ist im Sommer nicht nur voller Insekten, er kühlt auch das Haus, weil die Sonne so nicht direkt auf die Wand strahlt.“ Auf diese Weise wird in der Stamitzstraße die Brücke geschlagen zwischen der energetischen Sanierung des Hauses auf der einen und der Klimaanpassung des Gartens auf der anderen Seite - und so die Energiewende persönlich vorangetrieben, von einem 24-jährigen Studenten aus Schwetzingen.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/schwetzingen_artikel,-schwetzingen-nachhaltiges-wohnen-ein-junger-schwetzinger-macht-sein-haus-klimafit-_arid,2137797.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/schwetzingen.html