Den obligatorischen Kanon der Mozart-Opern von der „Entführung aus dem Serail“ und „Così fan tutte“ über „Don Giovanni“ und „Die Hochzeit des Figaro“ bis zu „Titus“ und „Zauberflöte“ kennen die Musikfreunde wohl allesamt gründlich bis zum inneren Mitsingen. Aber „Bastien und Bastienne“?
Dieses knapp einstündige Frühwerk des zwölfjährigen (!) Wolferl Amadé blieb selbst dem erfahrenen Berichterstatter dieser Zeilen in den vielen Jahren seiner Kritikerzeit bislang verborgen. Vielleicht war es die intelligente Neugier der Besucher auf das Gesellenstück eines Jungkomponisten, die am Sonntagabend im Schlosstheater keinen Platz leer ließ. Allein die mutige Entscheidung von Nikolaus Friedrich, dem künstlerischen Leiter des Schwetzinger Mozartfests, diese noch taufrische Produktion des Nationaltheaters Mannheim „einzukaufen“, erwies sich als klug und lobenswert.
Allerdings war es nicht das naive und in seiner dramaturgischen Substanz eher dünne Singspiel von 1768, mit dem die Nachwuchskünstler des Mannheimer Opernstudios das Werkchen bei diesem Abstecher in die kurfürstliche Sommerresidenz präsentierten, sondern eine sensible, fast noch schüchtern zurückhaltende Auffrischung der ursprünglich wohl idyllischen Geschichte, die zudem beim Publikum offenbar gut ankam. Denn die Regisseurin Claudia Plaßwich versetzte das Geschehen zielgenau mitten in die Realität heutiger junger Menschen samt pfiffiger Kritik am Konsumverhalten der Gesellschaft unserer Tage samt Verweis auf einen verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt mit einer Minidemonstration im Stile von „Fridays for Future“. Mit einer solchen Aktualisierung wird aus dem harmlosen Singspiel um das Liebesleben junger Menschen von damals zwar kein großer Wurf, sie rechtfertigt aber durchaus den Griff zu diesem sonst so benachteiligten Stück.
Auch musikalisch kam die Besucherschar auf ihre Kosten, denn die vier Protagonisten – Haesu Kim (Tenor) als Bastien, Serhii Moskalchuk (Bariton) als Colas, Maria Polanska (Sopran) als Marie und die erst zwei Tage vorher eingesprungene, aus Berlin angereiste Elena Bechter als Bastienne – profilierten sich unter dem Dirigat von Naomi Schmidt von Liedchen zu Liedchen (von Arien kann man hier noch nicht sprechen…).
Fast logisch fügten sich ein paar integrierte Takte von Carl Millöcker aus dessen Operette „Der Bettelstudent“ und Jacques Offenbach (Opéra comique „La Péricole“) ins szenische Geschehen ein, sodass schließlich doch ein „abendfüllendes“ Pasticcio den Besuchern erkenntnisreiches Schmunzeln und herzlichen Beifall entlockte.
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