Schwetzingen. Theaterfreunde der Region wissen es: Die Aufführungen im Theater am Puls in Schwetzingen sind ein Garant für hochkarätige Schauspielkunst am Puls der Zeit, die stets für anspruchsvolle Unterhaltung sorgen. So auch die jüngste Premiere von „Extrawurst“, einer Komödie des Autorenduos Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob, vom Intendanten Joerg Steve Mohr glänzend inszeniert. Für zwei Stunden brachte sie das Publikum immer wieder zum Lachen.
Die Handlung der Vorlage hat Mohr in den Zuschauerraum verlegt, den der „Tennisclub Teutonia 1933 Schwetzingen“ für seine Mitgliederversammlung gemietet hat, da das Dach des alten Vereinsheims beschädigt ist. Die Zuschauer waren als Vereinsmitglieder direkt am Geschehen beteiligt. Wie bei jeder Mitgliederversammlung eines Vereins sitzen vorne der Vorsitzende und sein Stellvertreter, das waren hier Dr. Heribert Bräsemann (Michael Hecht) beziehungsweise Matthias Scholz (Christoph Kaiser). Letzterer saß im Rollstuhl (ein aussagekräftiger Regieeinfall), vor ihm ein Laptop, der mit einem Beamer verbunden war. Auf der großen Leinwand im Hintergrund war die Tagesordnung eingeblendet. Neben dem Tisch befand sich ein Buffet mit Häppchen und Getränken (Bühne: Joerg Steve Mohr, Teresa Ungan; Technische Leitung: Tobias Disch).
"Extrawurst" im Theater am Puls: Und dann kommt noch ein Antrag
Während die Theaterbesucher in den Saal strömten, saß Matthias Scholz schon da und ordnete seine Unterlagen. Der Vorsitzende Heribert Bräsemann dankte zunächst dem Intendanten für sein Entgegenkommen und verkündete stolz, jedoch mit schmerzverzerrter Miene wegen seines Ischias-Leidens, dass er nun als Vorsitzender des „Tennisclubs Teutonia 1933 Schwetzingen“ einstimmig wiedergewählt wurde. Die anderen Punkte der Tagesordnung wurden zügig abgehakt: die offizielle Spielkleidung, das neue Vereinsheim, für dessen Bau der Verein 50 000 Euro an Zuschüssen aus dem Kulturetat bekommt sowie Sonstiges. Als nun alles besprochen war, erklärte Heribert Bräsemann das Buffet für eröffnet.
Termine und Tickets
Nächste Vorstellungen von „Extrawurst“:
- Freitag, 21. April, 20 Uhr (ausverkauft),
- Freitag, 12. Mai, 20 Uhr
- Freitag, 27. Mai, 20 Uhr
Karten (24 Euro, ermäßigt 18 Euro, Schüler 12 Euro) gibt es im SZ-Kundenforum, Carl-Theodor-Straße 2 in Schwetzingen und online unter www.theater-am-puls.de. her
Doch Matthias Scholz fiel ein, dass ein neuer Grill für die Vereinsfeier gekauft werden muss, denn dar alte ist nämlich Schrott. Und in der Powerpoint-Präsentation zeigte er Bilder vom neuen Grill und Diagramme vom Wurstverbrauch. „Das Ding sieht super aus, wir kaufen es. Jemand dagegen? - Perfekt, das Buffet ist dann eröffnet“, freute sich der Vorsitzende.
Da meldete sich Melanie (Nora Kühnlein), die mit Erol (Hauke Weber-Liel) und Torsten (Denis Bode) bei den Zuschauern saß, zu Wort: „Wär’s nicht eine nette Geste für unsere türkischen Mitglieder, wenn wir für die noch einen zweiten Grill dazu holen?“ Denn Muslime dürfen ihre Grillwürste nicht auf einen Rost legen, auch dem Schweinefleisch zubereitet wird. Diese Bemerkung genügte, um bei der sonst so friedlichen Stimmung der Tennisfreunde eine hitzige Debatte auszulösen. Denn man sah nicht ein, für das einzige türkische Mitglied einen zweiten Grill anzuschaffen. Melanie jedoch argumentierte so: Erol soll wie alle anderen am Vereinsleben teilnehmen können. „Er bezahlt ja auch wie alle anderen den ordentlichen Vereinsbeitrag.“
Theater am Puls in Schwetzingen: "Türkenwurst" neben "Mehrheitsbratwurst"
Die Forderung nach der sprichwörtlichen „Extrawurst“ für den Türken reißt bei toleranten Gutmenschen eine unterschwellige Debatte auf. Komischerweise hat ausgerechnet Erol, der Türke, die wenigsten Probleme mit dem geplanten Grill und der strittigen Frage, ob dort neben der deutschen „Mehrheitsbratwurst“ aus Schweinefleisch auch eine „Türkenwurst“ („Sucuk nennt man diese übrigens“, wie Torsten süffisant bemerkte) platziert werden darf. „Nee, Leute, meinetwegen müsst ihr keinen Extragrill anschaffen“, versicherte er bescheiden.
Doch fand er damit, vor allem bei Melanie, kein Gehör. Am Ende hat der türkische Mitbürger die Nase voll und drückt den braven Deutschen aufs Auge, woran es wirklich hapert in diesem Land: An gleichen Chancen für seine Landsleute, insbesondere auf dem Stellen- und Wohnungsmarkt werden sie benachteiligt. Zum Finale hin wird das Stück zusehends politischer und eskaliert. Es hagelte nur so von Vereinsaustritten, übrigblieb auf der Bühne nur noch Heribert Bräsemann, der das Publikum aufforderte: „Macht ihr nun was draus!“
Die Schauspieler Nora Kühnlein, Christoph Kaiser, Michael Hecht, Hauke Weber-Liel und Denis Bode begeisterten restlos das Premierenpublikum. Neben den beiden großartigen Charakterdarstellern Michael Hecht und Christoph Kaiser gaben Nora Kühnlein und Hauke Weber-Liel sehr überzeugend als Tennisdoppel das erfolgreiche preisgekrönte Aushängeschild des Vereins. Denis Bode spielte authentisch den eifersüchtigen Ehemann Torsten, dessen Toleranz alsbald Risse bekam, als er in Erol einen Konkurrenten in Sachen Liebe witterte.
Satirische Züge bei "Extrawurst" im Theater am Puls in Schwetzingen
„Extrawurst“ gehört zu einer der besten Komödien überhaupt, die bislang auf der Bühne des Theaters am Puls zu erleben waren. Erfrischend, leichtfüßig, manchmal auch bitterböse hielt das Stück allen einen Spiegel vor und zeigte auf, wie tief der Rassismus in jeden von uns steckt. Insbesondere bei denen, die sich als tolerant bezeichneten, schwangen Nazi-Parolen mit, worauf schon der Name des Tennisclubs hinweisen soll. Vorurteile und Klischees, tiefschürfende Fragen nach Religion, Glauben und Demokratie („Fair Play, das bedeutet bei dir: Du entscheidest und wir halten die Klappe“, so Melanie zum Vorsitzenden Heribert) sowie Vielfalt, wurden von den Schauspielern so witzig und frech aufs Korn genommen, dass die Zuschauer immer wieder laut auflachten.
Der Premierenapplaus war schier endlos, der Jubel laut, sodass die Darsteller viele Male vors Publikum traten und sich dankend verbeugten.
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