Mit einer launigen Moderation von Markus Bürger begann das Forum zur Oberbürgermeister-Wahl am Montagabend im Lutherhaus in Schwetzingen. Bürger vertrat in seiner Funktion als stellvertretender Vorsitzender des Gemeindewahlausschusses den an Corona erkrankten Vorsitzenden des Gremiums, Dr. René Pöltl – und das souverän. Die Stadt als Ausrichterin des Wahlforums war neben Bürger mit Matthias Jäkel, Schriftführer des Wahlausschusses und Wahlleiter, dessen Stellvertreterin Yvonn Rogowski sowie Pressesprecherin Andrea Baisch auf dem Podium vertreten. Etwas mehr als 400 Gäste waren vor Ort, den Livestream auf dem Youtube-Kanal der Stadt Schwetzingen verfolgten in der Spitze 180 Menschen.
Bürger schilderte eingangs die Modalitäten: Jeder Bewerbende bekommt 15 Minuten Vorstellungszeit, die via Bildschirmstoppuhr gemessen wird. Bei 16 Minuten kommt ein Hinweis, bei 17 Minuten wird das Mikrofon abgestellt. Im Anschluss stehen die Bewerber an den jeweiligen Infotischen, an denen auch das Wahlprogramm in Form von Flyern ausgelegt ist, für individuelle Fragen zur Verfügung.
Matthias Steffan hatte Mitbewerberin Dr. Rebecca Ziegler den Vortritt gelassen, sodass zuerst auch Äußerungen von Ziegler in diesem Artikel erwähnt werden.
Rebecca Ziegler stellt sich vor
Ziegler teilte zuerst gegen Mitbewerber Steffan aus: „Er hat sich in das bestehende System eingefügt, weshalb er an den Erwartungen seiner vielen Steigbügelhalter zu ersticken droht“, richtet sie in Richtung des amtierenden Bürgermeisters. Lautstarker Protest geht durch die Reihen. Ziegler setzt souverän fort: Die Körpersprache ist gezielt, dezent, gesteuert, der Blick fokussiert in die Weite, die Hände arbeiten, die Tonalität wird dem Thema angepasst. Geübte Rhetorik. Sie schwenkt in ihre Kindheit, zu Ausflügen in den Schlossgarten Schwetzingen („Ich habe die Stadt damals in mein Herz geschlossen“), in ihren 20ern wäre sie mehrmals wöchentlich in Schwetzingen gewesen, seit Anfang/Mitte Juni sei sie täglich hier. Sie schildert ihren Werdegang. Im Laufe ihrer Anwaltstätigkeit habe sie erkannt, dass im Laufe ihres Lebens für sie jedoch entscheidend sein wird, was sie für andere Menschen getan habe. Allein aus diesem Grund habe sie sich entschlossen, „meine erfolgreiche Kanzlei aufzugeben und diese abzuwickeln. Meine geballte Kompetenz und Erfahrung möchte ich für das Gemeinwohl einsetzen. Dieses Angebot mache ich Schwetzingen.“ Dann erklärt Ziegler, was sie die „nächsten acht bis 16 Jahre" vorhat. Raunen geht durch den Saal.
Bürgernähe und Bürgerbeteiligung seien ihr wichtig. „Ich würde mit Ihnen so gerne über das neue Jugendhaus, alternative Wohnformen für Senioren, den Bürgerrufbus, den Besuchsdienst oder der Verbesserung der Verkehrssituation für alle Verkehrsteilnehmer einschließlich der erneuten Prüfung einer Straßenbahnlinie zwischen Schwetzingen und Heidelberg sprechen. Die Zeit ist leider zu knapp.“ Sie nennt die gesetzten Schwerpunkte des Abends, darunter „die Beschaffung von bezahlbarem Wohnraum, dem Erhalt unserer Lebensart und unseres Wohlstandes sowie der Erhöhung der Attraktivität der Innenstadt“. Sie möchte bezahlbaren Wohnraum für alle Schwetzinger schaffen und kritisiert die Schwetzinger Höfe als zu teuer (14 Euro pro Quadratmeter, obwohl gefördert).
Ihr ist Sicherheit wichtig – für jeden Menschen in jeder Aufmachung zu jeder Tages- und Nachtzeit. Gerade am Bahnhof, wo sie selbst schon „Opfer verbaler sexualisierter Belästigung“ geworden sei. Sie geht auf die klimatischen Bedingungen ein, stellt Ideen vor, den Charakter des französischen Schlossgartens aufzugreifen und die Geschäftsstraßen mit Blumen, Büschen und Sträuchern in Verlängerung des Schlossgartens zu gestalten. Sie geht auf das „trostloser werdende Bild des Einzelhandels in der Innenstadt“ ein.
Hier schwingt Kritik an dem „von der Stadt beauftragten Innenstadtbeauftragten“ mit, der einen „Maßnahmenkatalog erstellte, von dem bislang nur ein kleiner Teil umgesetzt wurde. Das wird es mit mir nicht geben“, liefert sie als Vorschläge: „mehr Sauberkeit und mehr Mülleimer“, „Behebung des Leerstandes durch aktive Bewerbung durch Geschäfte mit ergänzendem Sortiments“ und „digitale Infotafeln mit eigenen Veranstaltungen“. Und: „Noch mehr Kulturveranstaltungen in der gesamten Innenstadt, etwa Straßenkunst".
In Sachen Gewerbeansiedlung teilt sie gleichermaßen aus. Bei den Tompkins sei man über die Konzeptphase nicht hinausgekommen, „obwohl wir dringend finanzstarke mittelständische Familienunternehmen mit attraktiven Arbeitsplätzen brauchen“. Viele Unternehmen hätten Schwetzingen verlassen, weitere planten den Absprung, weiß Ziegler. „Die Gewerbesteuer könnte im Vergleich zu umliegenden Gemeinden das Doppelte betragen: nicht 11,5 Millionen Euro, sondern 17 bis 20 Millionen Euro“. Ansiedlung neuer Unternehmen verspricht sie als OB persönlich in die Hand zu nehmen. Und sie stellt fest: „Schwetzingen lebt aktuell über seinen Verhältnissen.“
Kurz bevor Rebecca Zieglers Redezeit vorüberstreicht, sieht sie sich genötigt, die Schwetzinger Zeitung als nicht neutrales Medium (wir berichteten) hinzustellen. Sie nutzt die Zeit, Lügen statt Lösungen zu verbreiten – auch eine Methode.
Nicht nur das scheint einigen Gästen zu missfallen: „Warum nutzen Sie Ihre Vorstellungszeit, um den Gegenkandidaten anzugreifen?“, fragt eine Erstwählerin die Kandidatin, die im Nachgang auch mit dieser Redaktion spricht. Ziegler verneint direkt, dies getan zu haben. Glücklicherweise ist die Vorstellungsrunde der OB-Kandidaten ungeschnitten auf dem Youtube-Kanal der Stadt Schwetzingen zu sehen.
Matthias Steffan stellt sich vor
Matthias Steffans Redebeitrag basiert auf den fünf bekannten Themenblöcken aus seinem Wahlprogramm, die er insgesamt routiniert vorstellt. Eine gewisse Nervosität begleitet ihn beim Vortrag jedoch genauso wie die Vorrednerin. Allerdings wirkt er insgesamt offener und lockerer, sucht immer wieder verschiedenen Blickkontakt mit dem Publikum. Auf die geäußerten Spitzen seiner Kontrahentin geht er dabei fast gar nicht ein, sondern argumentiert mit Fakten. Zu Beginn betont er nur: „Unser Schwetzingen ist eben kein Mittelmaß, unsere Stadt ist etwas Besonderes.“
Es sei ein starkes Mittelzentrum in der Metropolregion Rhein-Neckar, „in dem wir alle gerne leben, wohnen und arbeiten“. Steffan bringe nach eigener Aussage 25 Jahre Erfahrung in verschiedenen Positionen der Kommunalverwaltung mit, darunter acht Jahre als Erster Bürgermeister in Schwetzingen – zudem verfüge er über Engagement, Fachwissen, Leidenschaft und Herzblut. „Und ich orientiere mich bei meinen Themen am Machbaren.“
Unter dem Block „Tradition und Lebensqualität“ weist er darauf hin, dass die Stadt aktuell einen Höchststand an Rücklagen und einen sehr niedrigen Schuldenstand aufweisen kann. „Wir können unseren Haushalt mit ungefähr 75 Millionen Euro ohne Kreditaufnahme finanzieren.“ Dieser Kurs soll auch unter seiner Führung beibehalten werden: „Ich stehe für eine nachhaltige und solide Haushaltspolitik.“ Nicht alles, was wünschenswert sei, könne finanziert werden. Dabei erwähnt er später auch, dass die Stadt ihre Gewerbesteuereinnahmen in den vergangenen 16 Jahren von fünf auf 13,5 Millionen Euro erhöht habe – und diese Zahl in diesem Jahr sogar noch steigern werde.
Im Blick haben müsse die Stadt, für eine bestmögliche Ausstattung der Betreuungs- und Bildungseinrichtungen sowie ein lebenswertes Umfeld für die Senioren zu sorgen – inklusive mehr Wohnraum, damit die älteren Menschen die Stadt nicht verlassen müssten: „Da haben wir Nachholbedarf.“ Überhaupt gelte es, mehr bezahlbaren Wohnraum für Schwetzinger Familien zu schaffen. Deshalb will er sukzessive den kommunalen Wohnungsbestand erweitern. Im Bereich Wirtschaft weist er besonders auf die Entwicklung der Areale von Ausbesserungswerk und Tompkins-Kaserne hin: „Hier haben wir die einmalige Chance, einen modernen und innovativen Gewerbepark mit attraktiven Arbeitsplätzen zu realisieren.“
Ein klares Bekenntnis gibt er zu den Themen Inklusion und Vereine ab. „Sie können sich auch in Zukunft auf die Unterstützung der Stadt verlassen.“ Das „Sportentwicklungskonzept 2026“ zur Verbesserung der Sportstätten habe er schon im Kopf.
Außerdem hat er sich eine weitere Verbesserung des Klima- und Umweltschutzes auf die Fahnen geschrieben: „Die Bürger brauchen hier maximale Planungssicherheit.“ Wo es möglich ist, soll Fernwärme ausgebaut werden, zudem die Energieeffizienz der städtischen Gebäude gesteigert werden. Zum Abschluss betont er noch einmal, dass er sich auch als OB weiterhin mit Kompetenz und Herz für „sein Schwetzingen“ einsetzen werde – die Redezeit von 15 Minuten schöpft er dabei im Gegensatz zu Ziegler nicht voll aus.
Bevor die Kandidierenden an ihre Infotische gehen, animiert Markus Bürger die Schwetzinger, am kommenden Sonntag, 15. September, wählen zu gehen. Und er lobt die Disziplin der Zuhörenden an diesem Abend, als Oberstudienrat dürfe er das. Applaus und Lacher für den guten Moderator.
60 Minuten an den Stehtischen
Bei seinen persönlichen Gesprächen mit Bürgern an seinem Stand lag bei Matthias Steffan ein Schwerpunkt auf dem Innenstadtverkehr, einigen Veränderungen der Vergangenheit – wie der Umkehr der Einbahnregelung in der Clementine-Bassermann-Straße – und den damit verbundenen Problemen. „Wir werden uns das anschauen“, verspricht er. Bei einigen Punkten gelte es aber auch, die Beschlüsse des Gemeinderats zu respektieren.
Die Autoren dieses Artikels besuchen auch nacheinander den Stand von Rebecca Ziegler. Andreas Lin wird direkt als „Herr Gruler“ identifiziert und ihm wird deutlich gemacht, nicht willkommen zu sein bei dieser öffentlichen Veranstaltung.
Katja Bauroth wird immerhin am Stand geduldet, spricht dort mit Bürgern, die der Bewerberin zugetan sind, „damit endlich etwas für die Jugend getan wird“ und das „Geklüngel in der Stadt aufhört“.
Das Wahlforum im Lutherhaus ist auf dem Youtube-Kanal der Stadt Schwetzingen auch im Nachgang ungeschnitten zu sehen und das Video in diesem Artikel eingebettet.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/schwetzingen_artikel,-schwetzingen-oberbuergermeister-wahl-in-schwetzingen-so-stellen-sich-die-kandidaten-vor-_arid,2241466.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/schwetzingen.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/schwetzingen_artikel,-schwetzingen-schwetzinger-zeitung-sagt-forum-zur-oberbuergermeister-wahl-ab-_arid,2240641.html&_gl=1*1hvu7tx*_gcl_au*NzY3OTg3MjYwLjE3MjQwNjA2OTk.
[3] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.youtube.com/watch?v=KT-JSaPsOR4