Interview

Polizeipräsident Siegfried Kollmar: Toleranz und Vielfalt gut miteinander leben

Der in Schwetzingen wohnende Polizeipräsident Siegfried Kollmar wird am Donnerstag 60.

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Lothar Fischer
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Im Bild mit Innenminister Thomas Strobl nach einer Einsatzübung. © Rittelmann

Schwetzingen. Siegfried Kollmar verkörpert einen Polizeibeamten, der sich vom einfachen Streifenpolizisten bis ganz nach oben gearbeitet hat. Vom Kripochef und Vizepräsidenten wurde der 59-Jährige im Juli dieses Jahres zum Präsidenten des Polizeipräsidiums Mannheim ernannt und ist nun zuständig für die Sicherheit von rund einer Million Menschen auf einer Fläche von 1315 Quadratkilometern. Am Donnerstag, 14. Oktober, feiert der Schwetzinger mit Frau Andrea und Tochter Nadine seinen 60. Geburtstag auf der Ferieninsel Lanzarote. Unsere Zeitung sprach im Vorfeld mit Siegfried Kollmar.

Vor drei Jahren sind Sie zum Vizepräsidenten ernannt worden und mussten ein hartes Auswahlverfahren bestehen. Wie lief es diesmal ab?

Siegfried Kollmar: Auch diesmal gab es ein Auswahlverfahren, da die Präsidentenstelle nach dem Weggang meines Vorgängers Andreas Stenger am 1. Mai 2021 ausgeschrieben werden musste. Ich habe mich auf diese Stelle beworben und musste mich in Geduld üben. Während dieser Zeit habe ich das Präsidium als Vizepräsident geleitet. Glücklicherweise hatte ich nicht viel Zeit, mir Gedanken zu machen, ob und wenn ja, wie viele Mitbewerber es gibt. Denn es war eine sehr fordernde Zeit für mich, einschließlich Samstagen und Sonntagen – es galt viele schwierige Einsatzlagen wie die Palästina-Demonstration in Mannheim, die Krawallnacht auf der Heidelberger Neckarwiese oder auch die wöchentlichen Querdenkerdemos zu bewältigen. Ich hatte schon ein klein bisschen die Hoffnung, dass ich die Leitung übertragen bekomme. Trotzdem weiß man am Ende nie, wie die Entscheidung ausfällt. Letztlich haben wir viele sehr gute Führungskräfte bei der Polizei Baden-Württemberg. Umso erfreuter war ich, als ich das Präsidentenamt übertragen bekommen habe. Es ist quasi die Krönung meiner Laufbahn, eine große Ehre und viel Verantwortung.

Zur Person: Siegfried Kollmar

Das Polizeipräsidium Mannheim gliedert sich in 17 Polizeireviere, 27 Polizeiposten und zwei Autobahnpolizeireviere. Mit rund 2650 Bediensteten ist es das größte regionale Polizeipräsidium Baden-Württembergs.

Siegfried Kollmar ist am 14. Oktober 1961 in Heidelberg geboren, verheiratet und hat eine Tochter. Zu seinen Hobbys zählt er Fußball, Angeln, Radfahren und Motorboot fahren.

1979 Eintritt in den Polizeidienst, 1992 Aufstieg in den gehobenen Polizeidienst, 1998 in den höheren Dienst. Referent für Öffentlichkeitsarbeit im Innenministerium, 1999 Leiter Inspektion Zentrale Aufgaben im Polizeipräsidium Mannheim. Ab 2000 Leiter Kriminalinspektion 2 Mannheim, ab 2009 Leiter Kriminalinspektion 1 und stellvetretender Chef der Kriminalpolizei im Präsidium Heidelberg, ab 2010 Leiter Kriminalpolizei Polizeipräsidium Heidelberg, 2014 Leiter Kriminalpolizeidirektion Mannheim, 2018 Polizeivizepräsident und Leiter Kriminalpolizeidirektion des Präsidiums Mannheim. Seit Juli 2021 Polizeipräsident. lof

Wie muss man sich einen Tag als Polizeipräsident vorstellen?

Kollmar: Als Leiter des Polizeipräsidiums ist mein Arbeitstag auch nach neun oder zehn Stunden nicht vorüber, da ich grundsätzlich 24/7, also rund um die Uhr, telefonisch erreichbar bin. Wenn es notwendig ist, gehe ich vor Ort. Ich beginne morgens gegen 8 Uhr im Büro mit dem Lesen der Vorkommnisberichte aus der zurückliegenden Nacht. Danach kommt die erste Kurzbesprechung hinsichtlich der täglichen Termine, dann um 9 Uhr ist Lagebesprechung mit dem engsten Führungskreis. Hier werden unterschiedlichste Themen erörtert und Strategien festgelegt, ob zum Einsatzgeschehen, zu Kriminalitätsfällen, der Verkehrslage, der Situation im Streifendienst oder auch zu Haushaltsfragen und Personalangelegenheiten. Danach folgen Personalgespräche und Termine bei Städten und Gemeinden, Rücksprachen mit Bürgermeistern oder Telefonate mit der Staatsanwaltschaft und dem Innenministerium. Mittags stehen dann bis 16 Uhr Besprechungen an. Danach bearbeite ich meine E-Mails und Akten und mache irgendwann Feierabend. Abgesehen davon habe ich etliche Außentermine, seien es Tagungen, Besuche unserer Organisationseinheiten oder Einsätze. Es wird nie langweilig, der Tag geht ruckzuck vorbei und ich gehe nach wie vor jeden Tag gerne zur Arbeit.

Wer ist eigentlich zuständig für eine so hohe berufliche Beförderung und welche Kriterien sind dabei ausschlaggebend ?

Kollmar: Am Ende entscheidet das Landeskabinett in Stuttgart. Nach der Ausschreibung und dem Eingang der Bewerbungen erstellt das Innenministerium einen entsprechenden Vorschlag nach den Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung. Ein zentraler Punkt ist dabei sicherlich die Beurteilung jeder Beamtin und jedes Beamten. Am Ende des Tages geht es auch darum, dass die richtige Entscheidung für diese Dienststelle getroffen wird.

Siegfried Kollmar bejubelt im Juli 2012 als Trainer der SG Kirchheim den 1:0-Siegtreffer von Dennis Ludkowski im Aufstiegsspiel zur Verbandsliga gegen Viernheim. © Fischer

Sie bevorzugen einen kooperativen Führungsstil, gelten als zugänglich, sachlich und haben für Ihr Personal ein offenes Ohr?

Kollmar: Das sind ja durchweg positive Attribute, mit denen ich sehr gut leben kann. Ich würde es mal so sagen: Eine Führungskraft sollte neben der fachlichen, sozialen und persönlichen Kompetenz meiner Auffassung nach in erster Linie authentisch sein, ehrlich, verlässlich und eine Vertrauensbasis zu seinen Mitarbeitern aufbauen. Dazu gehört für mich, dass man sich auch kritisch auseinandersetzen muss, denn ich muss auch viele Entscheidungen treffen, bei denen ich der Kollegin oder dem Kollegen nichts zukommen lassen kann und trotzdem einen ordentlichen, engagierten Dienst abverlange. Ich sehe auch immer den Menschen hinter dem Kollegen, sehe seine Situation und versuche mich in seine Lage zu versetzen. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter übt eine für das Polizeipräsidium wichtige und unverzichtbare Aufgabe aus. Das fängt bei der Pforte an, wo der Bürger höflich begrüßt werden sollte, geht über unsere fleißigen Hausmeister, unsere Poststelle bis hin zu den operativ tätigen Organisationseinheiten bei der Schutz- und Kriminalpolizeidirektion. Ich bin sehr stolz auf das PP Mannheim und seine Beschäftigten.

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Ist bei Ihrer neuen Position jetzt Personenschutz angesagt?

Kollmar: Nein – und ich hoffe, dass das auch in Zukunft nicht nötig ist. Sicher ist man aufmerksam, hat die eine oder andere Vorsichtsmaßnahme getroffen und auch unser Polizeirevier Schwetzingen ist sensibilisiert. Trotzdem bewege ich mich ganz normal wie jeder andere. Ich mache das Geschäft ja schon sehr lange und bin bodenständig geblieben. Unsere Kolleginnen und Kollegen, die täglich Verdächtige festnehmen, sie vernehmen oder in Haft bringen, tragen sicher ein mindestens genauso hohes Berufsrisiko.

Sie hatten als Vizepräsident auch noch das Amt des Kripochefs inne. Ist das immer noch so?

Kollmar: Oh je, nein, das geht wirklich nicht mehr. Ich habe ja vorhin kurz meinen Tagesablauf beschrieben und die Aufgaben eines Kripochefs passen da nicht rein. Ich war ja leidenschaftlich gerne Kripochef, habe aber jetzt ein erheblich breiteres Spektrum an Aufgaben und die Gesamtleitung unseres PP Mannheim zu verantworten. Insoweit bin ich sehr froh, dass wir zwischenzeitlich mit der Leitenden Kriminaldirektorin Ulrike Schäfer eine äußerst kompetente Kripochefin an Bord haben – da haben wir einen personellen Topgriff gemacht.

Der Polizeiberuf wird schwieriger und die Respektlosigkeit nimmt zu. Welche Ursachen hat das Ihrer Meinung nach und welche Maßnahmen müssen getroffen werden, um dem entgegenzuwirken?

Kollmar: Ich glaube nicht an einen monokausalen Erklärungsansatz. Die Gesamtgesellschaft hat sich verändert, alles entwickelt sich weiter und manchmal in eine Richtung, die man gerne ändern würde. Es macht mich wütend und traurig, wenn ich Fälle anschaue, wo junge Menschen Flaschen auf Polizisten werfen. Das darf nicht sein und da greifen wir zur Not auch hart durch, setzen alles daran, die Tatverdächtigen zu ermitteln und zur Anzeige zu bringen. Ich finde es auch zu kurz gegriffen, wenn man das jetzt alles der Corona-Pandemie und den Entbehrungen für viele Menschen zuschreibt. Das mag mit ein Grund sein, aber es gibt doch viele Ursachen, wie die Frage nach den Werten der Menschen von heute, nach ihren Vorstellungen von Leben und Freiheit und ob und wie sie bereit sind, sich für unsere Gesellschaft einzusetzen. Da spielt auch sonst alles hinein, die vielen Kommunikationsplattformen, Social Media oder die Zukunftschancen der Menschen. Wenn man alles betrachtet, dann bleibt nur, die Werte, den Respekt gegenüber jedermann, die Achtung des Anderen und vieles mehr in die Sozialisationsphasen der Menschen einzubauen. Angefangen bei der Familie, über die Vereine bis hin zum Beruf. Wie bei einem guten Uhrwerk greifen dann irgendwann die Rädchen reibungslos ineinander und es funktioniert insgesamt gut oder zumindest besser. Wir haben immer noch sehr, sehr viele tolle Menschen unter uns – alle müssen in die richtige Richtung steuern, damit es wieder besser wird. Denn es muss besser werden.

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Richtigkeitshalber muss auch erwähnt werden, dass sich auch Polizeibeamte nicht immer so verhalten, wie sie sollten?

Kollmar: Für uns als Polizei gilt, dass wir als Vorbild vorangehen müssen. Ordentliche Dienstkleidung, eine respektvolle Ansprache und ein angemessener Ton sind die Grundvoraussetzungen. Nur wenn ich Respekt vorlebe, kann ich auch Respekt erwarten. Jetzt bin ich aber sicher nicht naiv und weiß, dass es bei 2650 Beschäftigten auch Fälle gibt, die seitens der Beamtinnen und Beamten nicht optimal gelaufen sind. Ich bin mir dann nicht zu schade, mich für die Polizei zu entschuldigen. In gravierenden Fällen gilt es, schonungslos und objektiv das Geschehen aufzuklären und Disziplinarmaßnahmen zu ergreifen. Wir machen da aber auch präventiv sehr viel. Landesweit betreiben wir das Projekt „Nicht bei uns“, das zur Sensibilisierung beitragen soll und ein klares Zeichen gegen Diskriminierung, Rassismus und Extremismus darstellt. Ergänzend dazu habe ich für das PP Mannheim erst vor kurzem die „AG Werte“ ins Leben gerufen, die interne Maßnahmen nachhaltig und dauerhaft umsetzen soll.

Was muss man sich darunter vorstellen?

Kollmar: Die „Arbeitsgruppe Werte“ setzt sich aus einem Personenkreis aus den verschiedensten Bereichen der Polizei zusammen. Neben einer Mitarbeiterbefragung zur persönlichen Priorisierung verschiedener Wertebegriffe, aus der klare Maßnahmen abgeleitet werden und einer Strategiepatenschaft zum Thema „Demokratie und Toleranz“, stellt zum Beispiel auch die Unterzeichnung der „Charta der Vielfalt“ ein Teilprojekt dieser Sicherheitsgruppe dar. Mit dieser offiziellen Unterzeichnung möchten wir der bereits gelebten Toleranz und Vielfalt förmlichen Charakter verleihen.

Welche spektakulären Fälle sind Ihnen in den letzten Jahren besonders in Erinnerung geblieben?

Kollmar: Da muss ich gar nicht lange zurückdenken. Am 24. Februar ereignete sich wieder eine grausame Tat, als ein 13-Jähriger in Sinsheim ermordet wurde und die Tatbeteiligten zwischen 12 und 14 Jahre alt waren. Für mich, bei aller Berufserfahrung erschreckend, was sich unter Kindern und Jugendlichen abspielen kann. Noch stark in Erinnerung, obwohl schon einige Zeit zurück, ist die Amoktat in Dossenheim mit mehreren Toten oder die Amokfahrt auf dem Heidelberger Bismarckplatz. Genauso der Mord an einer Austauschstudentin in Mannheim. Mir sind aber auch noch Bilder von verbrannten Kindern nach einem Hausbrand in Erinnerung geblieben. Alle Fälle aufzuzählen bei meinen über 40 Dienstjahren wäre zu viel. Für die jeweiligen Opfer der Tat ist es immer die schlimmste Sache, die ihm hat passieren können. Denken Sie nur an einen Wohnungseinbruch. Hier wird von Täterseite in den privatesten, intimsten Bereich des Menschen eingedrungen – das bleibt. Übrigens habe ich in Schwetzingen in ganz jungen Jahren (1980er Jahre) erstmals in einer Soko mitgearbeitet – nach einem brutalen Doppelmord an zwei jungen Frauen, die der später ermittelte Täter in einer Gaststätte am Schlossplatz kennengelernt hatte.

Siegried Kollmar bei der Pressekonferenz im Februar 2021 anlässlich des Mordes an einem 13-Jährigen in Sinsheim. © Polizei

Wer Sie besser kennt, der weiß, dass Sie ein großer Fußballfreund sind und lange als Torwart und Trainer fungierten. Die Begegnungen Ihres Heimatvereins SG Heidelberg- Kirchheim gegen den SV Schwetzingen, wo Sie wohnhaft sind, gehörten immer zum Pflichtprogramm. Bleibt das so?

Kollmar: Das bleibt Pflichtprogramm, die Spiele will ich mir nicht entgehen lassen und davon kann mich eigentlich nur eine private Urlaubsabwesenheit oder der Dienst abhalten. Das waren immer tolle Duelle mit vielen Emotionen. Tolle Leute, Funktionäre und Fußballer beim SV 98 und die Verbundenheit zu meinem Heimatverein werden mich immer auf den Sportplatz führen. Schade, dass heute der Zuschauerzuspruch nicht mehr so hoch ist. Die Spieler hätten es verdient.

Und wie geht’s dem neuen Hobby Schlagzeug spielen?

Kollmar: Na ja, das Schlagzeugstudio musste Corona-bedingt für mehrere Monate den Unterricht unterbrechen und da habe ich dann nicht mehr die Kurve gekriegt. Schade eigentlich, denn nach gut eineinhalb Jahren üben war ich doch schon ein paar Schritte vorwärtsgekommen. So wird man mich eher mal am Ketscher See beim Angeln, mit dem Fahrrad in Schwetzingen, auf dem Fußballplatz beim SV oder im Urlaub auf einem gecharterten Sportboot sehen, denn diese Dinge mache ich immer noch, so gut es geht.

Freier Autor Lothar Fischer ist ein Kenner in Sachen Fußball in der Region.

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