Schwetzingen. Über die Eingangspforte der Sporthalle im Schwetzinger Hirschacker schwappt eine Welle aus Stimmengewirr ins Freie. Rechts neben der großen, dunkelroten Tür, die den Kabinenbereich vom Turnareal abtrennt, wuseln ungefähr drei Dutzend Kinder wild durcheinander. Erst auf den zweiten Blick ist erkennbar, dass sie versuchen, mit zwei Stöcken, nur durch einen nahezu unsichtbaren Faden verbunden, die Diabolos zu fangen, die durch die Hallenlüfte fliegen.
Mittendrin schlurft ein Junge im Tigerkostüm von Bodenlinie zu Bodenlinie. An der gegenüberliegenden Wand lässt sich ein typischeres Bild einfangen – auf einer braun lackierten, für Schulen üblichen, umgedrehten Holzbank balancieren die Kinder, bewaffnet mit bunten Tüchern, ihr Gleichgewicht aus. Wenige Meter weiter klettern Schüler eine Aluleiter hoch, die ausschließlich an ein weiteres Sprossengestell angelehnt ist.
Zirkus Paletti und Schule schaffen in Schwetzingen Lernmagie
Was sich wie eine Zirkusveranstaltung anhört, ist genau das: eine Zirkusveranstaltung. Die Schwetzinger Hirschacker-Grundschule befindet sich nämlich gerade in ihrer Projektwoche. Gemeinsam mit den Pädagogen vom Zirkus Paletti, haben die Lehrkräfte und der Elternbeirat ein strammes Programm entwickelt. Wie die Schulwoche eben auch begann das Projekt am Montag. „Da durften die Kinder einfach mal alles ausprobieren“, erzählt die Schulleiterin Christine Winkler-Knieriem.
Am Dienstag hätten die Schüler dann das Modul wählen dürfen, das ihnen am meisten Spaß gemacht hatte. „Ich hätte das nie vermutet, aber die meisten wollen Diabolo werfen“, sagt Lehrkraft Alexandra Retzlaff. Für sie sei besonders schön zu sehen, wie Kinder, die im Fachunterricht eher zu den lernschwächeren Schülern gehören, im Projekt aufblühen. „Ohnehin ist es ein Wunder, wie schnell die Kinder lernen, von Tag zu Tag werden sie besser. Erwachsene können von dieser geschwindigkeit nur träumen“, fügt die Schulleiterin hinzu.
Jedes Kind hat beim Zirkus Paletti seinen Platz
„Weil Raubtiere einfach cool sind“, begründet der zehnjährige James seine Gruppenwahl. Dass der Junge zur Raubtiershow gehört, ist unschwer zu erkennen – immerhin trägt er einen orange-schwarz-gestreiften Jumpsuit. „Da laufen wir dann wie richtige Tiger im Zirkus durch einen Parcour“, erklärt die siebenjährige Lia, die auf Nachfrage behauptet, das gefährlichste aller Raubtiere zu sein.
Die neunjährige Anna hat sich für die Leiterakrobatik entschieden. Sie sei am ersten Tag fasziniert gewesen, was mit den Leitern alles gemacht werden könne. „Insgesamt macht das alles einfach so viel mehr Spaß als Schule“, findet Anna. Neben einer Gruppe, die sich mit Seiltanz beschäftigt, Trapezkünstlern und Kindern, die auf Kugeln laufen, gibt es außerdem eine Bastelgruppe. „Da entsteht die Dekoration des Zirkuszelts. Die Kinder basteln Clowns, Konfetti, Wimpelketten und vieles mehr“, sagt Lehrerin Alexandra Seidel.
Gestärkt durch den Zirkus: Gemeinschaft und Selbstwirksamkeit
„Jedes Kind soll sich wohlfühlen und wissen, dass es einen Platz hat. Wir müssen also aus 96 Individuen eine große Zirkusfamilie machen“, so der Zirkuspädagoge Tilo Bender. Gemeinsam mit seiner Kollegin Katja Fleures wolle er mit dem Projekt den Kinder vermitteln, dass alle gemeinsam wichtig für das Endprodukt seien. „Da geht es darum, ob Kinder sich als selbstwirksam erleben. Ein Gefühl, das in der Schule zu kurz kommt“, findet Bender, der mit seiner Kollegin die etwas komplexeren Kunststücke betreut.
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Die Schule versuche, mindestens ein Projekt diesen Ausmaßes im Jahr zu organisieren. „Schule muss wieder gestalten und Erlebnisse schaffen“, glaubt Winkler-Knieriem. Gerade als Pädagogin merke sie, wie gut den Grundschülern Projekte tun, die sich nicht um den allgemeinen Schulalltag drehen. „Auch das ist eine Form von guter Bildung“, findet die Direktorin, die mit einem Augenzwinkern hinzufügt: „Wenn wir es im Schulalltag schaffen, den Kindern wieder zu zeigen, was sie erschaffen und gestalten können, wird Deutschland vielleicht auch wieder besser im internationalen Vergleich.“
Möglich habe das Projekt die Sparkasse Heidelberg, die Sparkassenversicherung Generalagentur Wolfgang Stein und die Isoliertechnik Schwetzingen gemacht. „Unser Förderverein hat die Sponsoren an Land gezogen, ohne die wäre das Projekt nicht machbar“, erzählt die Schulleiterin. Der Elternbeirat kümmere sich um die Verpflegung bei den beiden großen Aufführungen am Freitag. „Es wird eine Vorführung um 12 Uhr und eine um 14 Uhr geben.“ Für den heutigen Tag steht nur noch die Abschlussprobe an.
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