Landgericht

Prozessbeginn nach Attacke gegen Kaufland-Mitarbeiter in Schwetzingen

Im vergangenen November soll ein 42-jähriger Gambier mehrfach Lebensmittel im Kaufland Schwetzingen gestohlen und einen Mitarbeiter des Ladens attackiert haben. Nun hat der Prozess am Landgericht begonnen.

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Volker Widdrat
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Tatort Kaufland. Hier nimmt der Angeklagte Lebensmittel mit. © dpa

Schwetzingen. Der Mann soll im November vergangenen Jahres fünfmal in einer Woche in den Kaufland-Markt in Schwetzingen gekommen sein. Dabei soll er sich jedes Mal an Lebensmitteln bedient haben, ohne zu bezahlen. Bei seinem letzten Auftauchen in dem Discounter in der Carl-Theodor-Straße eskalierte die Situation.

Räuberischer Diebstahl in besonders schweren Fall ist einer der Anklagepunkte

Vor der Strafkammer des Landgerichts Mannheim begann der Prozess gegen einen 42-jährigen Gambier, dem die Staatsanwaltschaft räuberischen Diebstahl in einem besonders schweren Fall, Widerstand gegen Amtsträger, Körperverletzung und Beleidigung vorwirft.

Einmal soll er ein Cordon bleu gegriffen und gleich gegessen haben. Als er mit weiteren Lebensmitteln den Supermarkt habe verlassen wollen, soll sich ihm ein Angestellter in den Weg gestellt haben. Dabei soll der Angeklagte mit einer gläsernen Milchflasche zum Schlag ausgeholt haben.

Am späten Vormittag des 18. November vergangenen Jahres soll er mit einer Milchflasche in Richtung mehrerer Marktmitarbeiter geschlagen haben. Anschließend soll der 42-Jährige, der bei der Tatausführung ein Teppichmesser mit sich geführt haben soll, einem Geschädigten einen ein Kilogramm schweren Rinderbraten ins Gesicht geworfen haben. Gegenüber den herbeigerufenen Polizeibeamten soll er sich mit Gewalt, durch Spucken und durch Beleidigungen der Festnahme widersetzt haben. In der Justizvollzugsanstalt Mannheim soll er ein paar Tage später versucht haben, zwei Justizvollzugsbedienstete mit einem Stuhl zu schlagen.

Angeklagter Gambier kam 2015 nach Deutschland

Der in der gambischen Hauptstadt Banjul geborene Asylbewerber, der 2015 über Libyen und Italien nach Deutschland kam, wollte sich zuerst nicht äußern. Er sei mit der deutschen Strafprozessordnung nicht einverstanden. Seine persönlichen Verhältnisse gingen die Strafkammer unter dem Vorsitzenden Richter Olaf Rinio auch nichts an. „Ich bin europäischer Staatsbürger, habe hier gearbeitet und Steuern bezahlt“, übersetzte eine Dolmetscherin aus dem Englischen. In Gambia sei er selbstständig gewesen, habe keine Schulbildung gehabt und dennoch in vielen Berufen gearbeitet. Er sei nach „traditionellem Recht“ verheiratet und habe drei Kinder. „Sie haben mich unrechtmäßig eingesperrt“, warf er den Justizbehörden Rassismus vor. Dass er Gambia verlassen habe, sei allein seine persönliche Angelegenheit.

Der 42-Jährige hatte in Schwetzingen zwei Jahre in einem Handwerksbetrieb und wenige Monate als Pflegehelfer in einem Seniorenheim gearbeitet und danach Arbeitslosengeld bezogen. Er sei für kurze Zeit in Schweden gewesen, weil er in Deutschland „bedroht und ausgeraubt“ worden sei. Das Sozialamt habe ihn um sein Geld betrogen. Schließlich habe er ein Minus auf dem Konto gehabt. „Man kann in Deutschland aber in einen Laden gehen und dort was essen, ohne bezahlen zu müssen“, belehrte der 42-Jährige das Gericht. „Ich komme morgen wieder zum Essen“, hatte er zu einem Polizeibeamten gesagt.

Die Schwetzinger Polizei habe ihn zwei Tage in einer Zelle festgehalten, erst dann sei Haftbefehl ergangen. Sein Anwalt habe nichts für ihn getan, damit er freikomme, kritisierte er seinen Verteidiger Ekkart Hinney. Er habe auch nie Drogen genommen. Bei einem Bluttest war allerdings Marihuana nachgewiesen worden: „Das haben die mir ins Essen getan.“

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Nach einer kurzen Verhandlungspause wetterte der 42-Jährige weiter. Er habe bald gemerkt, „dass das System korrupt ist“. Sein Asylantrag war 2018 abgelehnt worden, das Verwaltungsgericht Karlsruhe hatte eine Klage abgewiesen. „Ich bin gekidnappt und ins Gefängnis gebracht worden“, echauffierte sich der Schwarzafrikaner über die Gesetzeslage in Deutschland. Er sei zwar genervt, aber nie aggressiv. Ein 30-jähriger Marktmitarbeiter berichtete von einem Vorfall, „bei dem jemand meine Kollegen angeschrien, dabei Brot gegessen und eine Glasflasche in der Hand geschwungen hat“. „Der taugt nichts als Zeuge“, sagte der Angeklagte. Man habe ihm „aufgetragen, was er sagen soll“.

Der damalige Marktleiter sagte ebenfalls aus. Gemeinsam mit Kollegen habe er den Dieb zur Rede stellen wollen. Bei einer Rangelei sei die Glasflasche zersplittert. „Viele ältere Kunden sind geschockt gewesen“, meinte der 25-Jährige. Die hinzugerufenen Polizeibeamten seien von dem Gambier beleidigt worden. Eine Polizistin habe blutende Wunden und Essensreste in den Haaren gehabt. Der Mann habe schon seit längerem Hausverbot gehabt, weil er in dem Markt rohes Fleisch und Milch konsumiert habe: „Er kam aber immer wieder.“

Ein 36-jähriger Kaufland-Angestellter schilderte das dramatische Ereignis, bei dem der Mann mit erhobener Flasche auf mehrere Kollegen losgegangen sein soll. Niemand vom Personal habe ihn festhalten wollen. „Wir wussten, dass er sehr anstrengend ist“, sagte ein 38-jähriger Mitarbeiter. Der Angeklagte habe sich öfters in der Metzgereiabteilung bedient. Gegen die Polizeibeamten habe er sich „mit Treten, Schlagen und Spucken gewehrt“. Er sei „angsteinflößend gewesen“. Sechs Polizisten seien nötig gewesen, um ihn zu bändigen: „Die hatten echt zu kämpfen.“ Die Haupttat sei von vielen Schaulustigen beobachtet worden. Dabei habe es immer wieder „blöde Kommentare“ gegeben, so der Zeuge. Er habe bei Diebstählen im Markt schon viel erlebt, aber das sei „schon sehr grenzwertig gewesen“.

Der auf fünf Verhandlungstage angesetzte Prozess wird an diesem Mittwoch, 30. August, um 9 Uhr vor der Strafkammer des Landgerichts Mannheim fortgesetzt. Dann werden drei Polizeibeamte vernommen und ein psychiatrischer Sachverständiger gehört.

Freier Autor Volker Widdrat ist freier Mitarbeiter.

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