Schwetzingen. Titus gebietet über ein Großraumbüro. In Mozarts Oper „La clemenza di Tito“ als römischer Herrscher nach historischer Vorlage gebildet, muss er sich in der Produktion des Theaters Koblenz mit Intrigen, Eifersüchteleien und Psychodramen abgeben, wie sie an jedem Arbeitsplatz gang und gäbe sind. Die Inszenierung von Mozarts Zweiakter durch Markus Dietze war jetzt beim Mozartfest im Schwetzinger Rokokotheater zu erleben.
Vor dem Konferenzraum hängt das Gemälde „Ciceros Rede gegen Catalina“ von Cesare Maccari, das sogleich hochgezogen wird und sich danach immer mal wieder absenkt (Bühne: Dorit Lievenbrück). Jene Reminiszenz, die diese Inszenierung mit Mozarts historisierendem Opernstoff verknüpft, wirkt allerdings gewollt und verleiht dem zeitgenössischen Setting etwas Unentschiedenes. Freilich kann man sich, selbst wenn die Machenschaften unter den untreuen Getreuen Titos Fahrt aufnehmen und im Sturm aufs Kapitol gipfeln, in diesem ambigen Herrschertypus einen Unternehmer vorstellen, der zwar hohe ethische Werte verficht, zugleich aber seinen Machtanspruch durchzusetzen hat.
Spritziger und knackiger Sound bei Schwetzinger Mozartfest
Berufliche Alltagsdramen haben denn auch hin und wieder die Eigenschaft, sich als Tragödien zu entpuppen, in denen sinistre Fantasien wuchern. Das alles mag man beim Zusehen bedenken, während Mozarts Musik zwischen der modernen und der historischen Dimension, die diese Inszenierung eröffnet, nach ihrer Rolle sucht. Das Staatsorchester Rheinische Philharmonie agiert im Orchestergraben des Rokokotheaters unter der Leitung Marcus Merkels indes mit hellwacher Präsenz und liefert einen spritzigen und knackigen Sound, der Mozart alle Ehre macht.
Das Besondere dieser Inszenierung sind denn auch weniger die vielfältigen optischen Eindrücke, die die Intention des Regisseurs nur allzu offensichtlich verraten, kontroverse und konfrontative Eindrücke zu provozieren, an denen sich ein kreativer Nachvollzug entzünden soll. Vielmehr erweisen sich die neu komponierten Rezitative durch Manfred Trojahn trotz ihrer modernen kompositorischen Faktur als harmonisch sich einfügende Sprechgesänge, die dank ihrer auf Gemüt und Handlung penibel abgestimmten Tonsprache tatsächlich so etwas wie eine Verbindung vom musikalischen zum Bühnengeschehen schaffen. Instrumentale Zwischenstücke sowie Arien, Duette und Trios erklingen in der Originalfassung, und das Überraschende ist, wie gut sich Mozart mit Trojahns zeitgenössischer Adaption verträgt.
Tito (Tobias Haaks) zeigt sich in dieser Inszenierung als machtbewusster Manager, der sich einem hohen Berufsethos verpflichtet und seinen rebellierenden Untergebenen großmütig vergibt. Auf Anspielungen auf die prekäre Rolle des Titus bei der Zerstörung des jüdischen Tempels im ersten Jahrhundert nach Christus wird allerdings verzichtet.
Gesanglich ragen vor allem Danielle Rohr als Sesto und Haruna Yamazaki als Annio hervor. Mirella Hagen (Vitellia), Claire Austin (Servilia) und Jongmin Lim (Publio) aber mit sehr respektablen Darbietungen. Der Opernchor des Theaters Koblenz (Lorenz Höß) erfreut mit klangschönen Einlagen.
"La clemenzia di tito" in Schwetzingen: Recht setzt sich am Ende durch
Eine kleine Pointe erlaubt sich Regisseur Dietze, indem er die reumütige Servilia als Drahtzieherin doch noch abführen lässt. So setzt sich das Recht am Ende durch, und auch das Rechtsbewusstsein der Akteure scheint intakt. Was sich von aktuellen Capitolstürmen wohl kaum sagen lässt.
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