Kommentar Rechtsstreit um die Kastanie im „Grünen Hof“: Zeitenwende im Bewusstsein

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Rolf Simianer
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Schwetzingen. Seit Jahren besteht ein Rechtsstreit um die Kastanie im Biergarten des „Grünen Hof“. Die Eigentümer möchten den platzprägenden Baum und den im Sommer für den gastronomischen Betrieb unverzichtbaren Schattenspender solange wie möglich gesund erhalten. Die Nachbarn, die den starken und bereits früh im Sommer einsetzenden Laubfall missbilligen, haben beim Amtsgericht Schwetzingen Klage eingereicht – mit dem Ziel, dass die Eigentümer verurteilt werden, den Überwuchs des Baumes bis an die Grundstücksgrenze zurückzuschneiden. Ein solcher Rückschnitt würde jedoch, so steht es in einem von den Eigentümern eingeholten Sachverständigengutachten, „die Vitalität und die Lebenserwartung des Baumes erheblich vermindern“.

Demnächst steht ein Güteverhandlungstermin beim Amtsgericht an. Dabei ist beiden Parteien neben einer guten gerichtlichen Moderation die Bereitschaft zu wünschen, trotz der äußerst schwierigen Situation zum Wohl des Baumes über den eigenen Schatten zu springen und eine tragfähige und durchhaltbare Lösung anzustreben.

Denn auch in diesem Fall wird sich zeigen, ob unsere Gesellschaft Bäume hinsichtlich der fortschreitenden Erderhitzung als verbündete Lebewesen betrachtet, die uns allen Sauerstoff, Kühle und gefilterte Luft verschaffen – und die wir im Gegenzug dafür schätzen und schützen. Oder ob wir sie weiterhin als Dinge sehen, die in erster Linie Dreck verursachen. In der erstgenannten Sichtweise liegt die Chance, mit Kreativität und bürgerschaftlichem Gemeinsinn die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern. Wenn wir weitermachen wie bisher, werden immer schlimmere Umweltkatastrophen mit grausamer Macht die dann unvermeidlichen Anpassungen an eine außer Kontrolle geratene Natur erzwingen.

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Und: Warum hat die Stadtverwaltung angesichts der eigenen hochgesteckten klimapolitischen Ansprüche nicht schon längst eigene Schritte unternommen, stadtbekannte Baumschönheiten unter Schutz zu stellen? Die Anfrage des Baumbesitzers, wer denn für das Anerkennungsverfahren zum Naturdenkmal zuständig sei, wurde vom Bauamt sogar falsch beantwortet. Nicht das Landratsamt ist verantwortlich, sondern Schwetzingen selbst. Eine Verantwortung , die sie annehmen sollte.