Obdachlosenhilfe

„Die Brücke“ in Schwetzingen: Mitglieder sprechen Schmitt das Vertrauen aus

Ein Ergebnis vorneweg: Vorsitzender Achim Schmitt bleibt im Amt. Diskutiert wurde in der Sitzung auch, welchen Zweck der Verein in Zukunft verfolgen wird, wenn es in Schwetzingen gar keine Obdachlosen mehr gebe.

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Jürgen Gruler
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Ein Blick auf Schwetzingen von oben. © Venus

Schwetzingen. Eine wahrlich turbulente oder „außergewöhnliche“ außerordentliche Mitgliederversammlung gab’s Freitagabend beim Obdachlosenhilfeverein „Die Brücke“ in der zum Bersten gefüllten Wärmestube in der Friedrich-Ebert-Straße. Hier erstmal die beiden Ergebnisse vorneweg: Vorsitzender Achim Schmitt bleibt im Amt. Die Frage, ob er aufgrund der Vorgänge abberufen werden soll, die er selbst auf die Tagesordnung gesetzt hatte, wurde mit 31 Neinstimmen, sechs Jastimmen und seiner eigenen Enthaltung zu seinen Gunsten entschieden.

Außerdem soll der Vereinszweck verändert werden, denn bei der Sitzung wurde mehrfach klar gesagt, dass es in Schwetzingen gar keine Obdachlosen gebe, um die man sich kümmern könne, schon seit Jahren nicht. Bedürftige, wie immer man die dann definieren mag, sollen nun die Begünstigten der Vereinsarbeit werden. Die Satzungsänderung – die übrigens einstimmig verabschiedet werden müsste, sei in einer weiteren Mitgliederversammlung zu beschließen, nachdem sie zuvor den Mitgliedern als Vorschlag übermittelt wurde.

Vereinsrecht im Blick behalten

Nach der kurzen Begrüßung von Achim Schmitt ging die Moderation des Abends an Ulrike Kirchner über, eine außenstehende Mediatorin, die fortan damit beschäftigt war, persönliche Beleidigungen zu unterbinden und Wortmeldungen zu ordnen. Etwas schwierig war dabei, dass sie in Sachen Vereinsrecht wenig Kenntnisse besaß und immer wieder Mitglieder wie Elfriede Fackel-Kretz-Keller und Margit Rothe von der Kirchengemeinde einspringen mussten, um Fehler zu verhindern. So wollte der Vorsitzende den Punkt seines eigenen Misstrauensvotums selbst leiten, was dann gerade noch gestoppt werden konnte.

Kommentar Eingeschworene Gemeinschaft

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Wie verfahren die Situation im Verein ist, zeigte sich gleich zu Beginn, als ein Mitglied auf die vermeintlichen „Gegner“ mit einem mitgebrachten Holzkreuz zeigte, als wolle er sie bannen. Von ihm kamen auch Ausdrücke wie „Scheißhaufen“ oder „Halt’s Maul“ – wahrlich nicht schön. Dann ging es um die Rolle von Rechtsanwalt Heinz Schlesinger, der am Vorstandstisch Platz genommen hatte. „Ich vertrete Herrn Schmitt als ersten Vorsitzenden des Vereins ,Die Brücke’“, erklärte er. Der städtische Sachgebietsleiter Andreas Oswald gab an, von Bürgermeister Steffan darum gebeten worden zu sein, an der Versammlung teilzunehmen, da ja die Stadt die Immobilie miet- und nebenkostenfrei an „Die Brücke“ zur Nutzung übergeben und auch in den Umbau investiert habe.

Was AfD-Posts mit dem Schwetzinger Verein zu tun haben

Ulrike Kirchner forderte dann zur Aussprache darüber auf, warum denn diese Versammlung notwendig geworden war. Achim Schmitt nutzte dies, um daran zu erinnern, dass sich im Februar zwei Mitglieder beschwert hatten, dass er AfD-Posts geliked hatte. Das habe zu einer außerordentlichen Vorstandssitzung geführt, in der er sich für das Liken und Kommentieren von AfD-Posts auf Facebook und Tiktok entschuldigt habe. Schmitt sagte: „Ich habe nicht gewusst, dass man das öffentlich sehen kann. Ich dachte nicht, dass ich so in der Öffentlichkeit stehe und derart kontrolliert werde.“ Er versicherte dann auch, dass er weder AfD-Mitglied noch deren Anhänger sei: „Sonst hätte ich mich nicht in der Flüchtlingshilfe engagiert“, sagte er.

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Schnell kam von zwei Mitgliedern dann der Vorwurf an die Kritiker auf, warum dies nicht unter vier Augen mit ihm besprochen worden sei, sondern über die Zeitung veröffentlicht wurde. Und offensichtlich herrschte im Saal weiterhin die falsche Meinung vor, Raquel Rempp (zurückgetretene Schriftführerin) und Rosemarie Gold (aktuelle Kassenprüferin) seien zur Zeitung gegangen und seien somit die Verräter. Dabei hatte die SZ in ihrer Berichterstattung klar geschildert, dass Ursache der Recherche ein Leserbrief gewesen war und die SZ dann sowohl den Mitgliedern, die das kritisch sehen, als auch Achim Schmitt die Chance gegeben hatten, ihre Sicht der Dinge darzustellen. Schmitt hatte über seinen Anwalt mitteilen lassen, dass er dazu nicht Stellung nehmen wolle.

Posts als reine Privatsache der Schwetzinger Mitglieder abgetan

Ein Mitglied meinte: „Er kann Kommunist sein, die AfD ist nicht verurteilt, Hauptsache der Verein wird richtig geführt.“ Der ehemalige Linken- und jetzige ISS-Stadtrat Werner Zieger, dessen Frau Marion Teil des Vorstandes ist, sagte, dass jeder, der im Ehrenamt arbeite, einen wichtigen Beitrag zur Demokratie leiste. „Seine Posts sind reine Privatsache und er hat sich dafür entschuldigt.“ Das sah Grünen-Stadträtin Susanne Hierschbiel dann doch differenzierter: „Für mich ist eins klar: Wenn der Vorsitzende dieses Vereins die AfD unterstützt, dann würde ich sofort austreten. Aber er hat ja jetzt zugesichert, dass er das nicht tut und deren Gedankengut nicht teilt, deshalb nehme ich seine Entschuldigung an. Ich hoffe, Werner Zieger, dass Du das auch so siehst als langjähriger Linker!“ Das bejahte dieser dann doch noch.

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Margit Rothe von der evangelischen Kirche ergriff dann die Initiative: „Ich habe das Gefühl, dass noch viele Fragen offen sind. Ich unterstelle aber allen hier, dass sie die Arbeit des Vereins und der Verantwortlichen wertschätzen und unterstützen.“ Sie forderte dazu auf, ungeklärte Fragen auf den Tisch zu bringen und Wünsche für eine Überarbeitung der Satzung zu sammeln, über die dann in einer anderen Sitzung entschieden werden könne. Denn klar wurde an diesem Abend eins: „Die Brücke“ arbeitet seit Jahren nicht mehr für den eigentlichen Satzungszweck aus dem Jahr 1995 – für die Obdachlosenhilfe. Denn auch nach Aussage eines früheren Vorstandsmitglieds sei schon vor zehn Jahren klar geworden, dass es durch die gute Unterbringungsarbeit der Stadtverwaltung in Schwetzingen eigentlich kaum oder gar keine Obdachlosen gebe.

Nur wurde die Satzung eben nie angepasst und trotzdem wurden für den „Obdachlosenhilfeverein mit Wärmestube“ Spenden gesammelt. Das könne auch Probleme in Sachen Gemeinnützigkeit und eine Finanzprüfung einbringen, warnte Mitglied Jürgen Enseleit. Vorstandsmitglieder sagten, sie hätten bereits einen ersten Entwurf für eine neue Satzung erarbeitet: Die Arbeit für Bedürftige solle zusätzlich in den Satzungszweck einfließen. Neumitglied Jürgen Enseleit machte deutlich, dass er gerade weil er Obdachlosen helfen wolle, beigetreten sei und Beitrag zahle.

Verändertes Protokoll entdeckt

Im Vordergrund stünden schon seit Jahren „einsame Menschen, alleinerziehende Mütter und Rentner“. Das sei den Kirchen und der Stadt schon lange bekannt, meinte dazu Freie-Wähler-Stadträtin Elfriede Fackel-Kretz-Keller. Der katholische Pfarrer Uwe Lüttinger meinte: „Das sind uns die Menschen, die sich hier treffen, wert.“ Die Nöte hätten sich eben verändert, also müsse man die Satzung nun darauf anpassen. „Es geht doch nicht nur ums günstige Essen, das hier ist ein inklusiver Raum“, sagte Werner Zieger.

Ein kritisches Thema kam dann noch zur Sprache. Raquel Rempp berichtete davon, dass sie Einblick ins Vereinsregister beim Amtsgericht genommen habe und dabei entdeckte, dass ein vor ihr verfasstes Protokoll ohne Mitteilung an sie als Schriftführerin abgeändert worden sei und unter ihrem Namen über den Notar ans Amtsgericht übermittelt worden sei. Dagegen verwahre sie sich.

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Vorsitzender Schmitt räumte ein, es verändert zu haben, seine Stellvertreterin Jäger hatte das per Unterschrift mitgetragen. Während einige Mitglieder das gleich wieder als kleine Fehler – es fiel sogar der Begriff „Peanuts“ – abtun wollten, sagte Margit Rothe doch in aller Klarheit: „Protokolle nachträglich in seinem Sinne zu ändern, das ist nicht gut. Schon gar nicht, wenn sie dann ohne Rücksprache über die Änderung im Namen der Protokollantin an den Notar gegeben werden. Das hat auch mit Vertrauen zu tun, das Sie ja auch einfordern“, schrieb sie Achim Schmitt ins Brevier. Der sicherte zu, den Notar und das Amtsgericht zu informieren und das zu korrigieren.

Der Umgang miteinander

Rechtsanwalt Schlesinger drängte dann immer wieder darauf, doch zur Abstimmung darüber zu kommen, ob die Mitglieder Achim Schmitt als Vorsitzenden behalten wollen. Nach knapp drei Stunden war es soweit, 31 Stimmen gab’s für ihn, sechs gegen ihn. Der Kreislaufzusammenbruch eines Vorstandsmitglieds sorgte dann für ein jähes Ende der Versammlung – zwei Frauen zeigten den Kritikern beim Rausgehen noch den Stinkefinger. Aber eine kleine Geste der Versöhnung gab’s dann doch noch vom Vorsitzenden: Achim Schmitt entschuldigte sich im persönlichen Gespräch bei Raquel Rempp für den erhobenen Vorwurf, sie wolle den Verein zerstören.

Bald wird man sehen, ob die Satzung geändert werden kann und wie es weitergeht bei der „Brücke“.

Chefredaktion Jürgen Gruler ist Chefredakteur der Schwetzinger Zeitung.

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