Interview

Schwetzingens Feuerwehrkommandant Walter Leschinski geht in Rente

Seit 1996 hat er ehrenamtlich und seit 2011 als hauptamtlicher Feuerwehrkommandant gearbeitet. Jetzt geht Walter Leschinski in Rente und spricht im Interview mit dieser Zeitung über eine ereignisreiche Zeit sowie neue Anforderungen an die Wehr.

Von 
Stefan Kern
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Feuerwehr – das ist das Ding für Kommandant Walter Leschinski. Er hat den Posten mit Herzblut und doch unaufgeregt bekleidet. © Roth

Schwetzingen. Fragt man Walter Leschinski nach seiner Vita, dann zählt er die rasch auf: „Ich bin 1959 in Karlsruhe geboren und im zarten Alter von sechs Monaten siedelten meine Eltern als Spätvertriebene hierher um. Ich bin hier zur Schule gegangen und habe 1974 bei der Stadt Schwetzingen meine Verwaltungsausbildung begonnen und bin da auch der Feuerwehr beigetreten. Ich bin verheiratet mit Monika Maier-Kuhn.“ Seit 1996 ist er Feuerwehrkommandant, geht jetzt in Pension und zieht weg aus der Spargelstadt. Wir haben mit ihm über seine Zeit hier gesprochen.

Walter Leschinski und Bürgermeister Dirk Elkemann 2014 bei einem Einsatz. © SZ-Archiv

Wann und warum begann Ihre Feuerwehrkarriere?

Walter Leschinski: Ich bin 1974 in die Freiwillige Feuerwehr Schwetzingen eingetreten. Ein Mitschüler, dessen großer Bruder bei der Feuerwehr war, hat uns vorgeschlagen, lass uns doch mal zusammen dahingehen. Es war also mehr oder weniger Zufall.

Und warum sind Sie bis heute dabeigeblieben?

Leschinski: Eigentlich war ich von Anfang an bemüht, Verantwortung zu übernehmen. Wir waren damals nur wenige Feuerwehrangehörige. Ich habe ja dann im Rathaus als Verwaltungsbeamter gearbeitet und das damalige Feuerwehrgerätehaus war gleich gegenüber. Bereits 1983 wurde ich dann stellvertretender Feuerwehrkommandant, 1996 ehrenamtlicher Feuerwehrkommandant und 2011 hauptamtlicher Feuerwehrkommandant. Da stellte sich die Frage, ob man dabeibleiben will, schlichtweg gar nicht.

Erinnern Sie sich an ihren ersten größeren Einsatz, was war das für ein Ereignis?

Leschinski: 1976 gab es den großen Waldbrand in Mannheim-Käfertal oder auch im gleichen Jahr der Brand mehrerer Lagerhallen im ehemaligen Sägewerk Hart beziehungsweise bei der Firma Bassermann. Großbrände, die uns viele Stunden sehr intensiven Einsatz gekostet haben und in meiner Erinnerung geblieben sind.

Auch als Übungsobjekt für die Herzdruck-massage macht er eine gute Figur © Lenhardt

Gibt es einen Einsatz in ihrer Karriere, der sich besonders stark ins Gedächtnis eingebrannt hat?

Leschinski: Ja, der Brand in der Rabaliattistraße im Februar 2003, als unsere Drehleiter bei der Menschenrettung durch einen technischen Defekt ausgefallen ist. In diesem Mehrfamilienhaus fing nach einem anfänglichen einfachen Wohnungsbrand auch der ausgebaute Dachstuhl komplett Feuer. Eine junge Frau floh auf das Dach, hinter ihr züngelte schon das Feuer und wir konnten erst gar nichts tun. Zum Glück kam das Drehleiterfahrzeug aus Mannheim schnell, sodass wir die Frau am Ende retten konnten. Das waren ohne Frage mit die längsten Minuten meines Lebens.

An ein oder zwei Beispielen erklärt - was unterscheidet die Feuerwehrarbeit heutzutage von früher?

Leschinski: Die Bevölkerung ist städtischer geworden. Früher half man sich gegenseitig, heute wird gleich nach der Feuerwehr gerufen. Steht Wasser im Keller, half früher die ganze Hausgemeinschaft, heute ruft man die Feuerwehr. Man zahlt ja Steuern. Natürlich hat das seine Berechtigung. Auf der anderen Seite gibt es die schönen Worte des früheren amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy: „Frage nicht, was das Land für dich tun kann, frage, was du für das Land tun kannst.“ Letzteres ist das wichtigste Fundament für gelingende Gesellschaften.

Welches sind in Ihren Augen die größten Herausforderungen, vor der die Freiwillige Feuerwehr steht?

Leschinski: Wie bekomme ich ausreichend ehrenamtliches Einsatzpersonal und wie halte ich es über Jahre bei der Stange? Wie motiviere ich die ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen, belastende Einsätze zu erleben, die Gesundheit zu riskieren? Und das alles im Zeitalter der Work-Life-Balance. Im Gestrüpp aus dem größer werdenden Ich und dem kleiner werdenden Wir ist das keine leicht zu beantwortende Frage.

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Was glauben Sie, wie sehr wird der Klimawandel die Arbeit der Feuerwehr in Zukunft beeinflussen?

Leschinski: Wir sind schon mitten drin. Hitze, Dürre, stehende Wetter und Tornadogefahren. Wir versuchen gerade, den Klimawandel zu überholen und nicht nur hinterherzurennen. Die größte Gefahr für Schwetzingen und die ganze Region geht aber von stehendem Wetter aus. Früher zog ein Gewitter durch. Es knallte kurz und dann war es vorbei. Heute ziehen solche Unwetter teils extrem langsam weiter oder bleiben sogar stehen. Die Folgen sind dann beispielsweise bis zu 100 Liter Regenwasser auf einen Quadratmeter. Damit kommt keine Kanalisation bei uns klar.

Was gab und gibt Ihnen die Arbeit bei der Feuerwehr für die eigene Persönlichkeit?

Leschinski: Dem Hilfesuchenden zur Seite zu stehen. Zu helfen und die Herausforderung, dass kein Einsatz gleich ist. Langweilig wird es dabei nie.

Leschinski leitete nach einem Brand im Asylheim im „Atlanta“ die Nachrüstung. © Jürgen Gruler

Gibt es was, was Ihnen für die Feuerwehr zunehmend Sorgen bereitet?

Leschinski: Die Aggressivität an den Einsatzstellen und die Hilflosigkeit der Menschen, sich auf eine geänderte Situation einzustellen. Nur ein Beispiel: Da ist wegen eines Unfalls die Straße gesperrt, der Hubschrauber steht auf der Straße und einige Fahrer verzweifeln angesichts der Notwendigkeit, deshalb einen Umweg fahren zu müssen. Und zwar deshalb, weil sie es gar nicht mehr können, weil ihnen die Orientierung fehlt. Natürlich keine wirklich große Sache, aber sie zeigt die Dimension.

Und was bereitet Ihnen Hoffnung?

Leschinski: Das es immer noch Feuerwehrangehörige gibt und auch in Zukunft geben wird, die die Arbeit bei der Feuerwehr so sehen wie ich.

Was steht für die Zukunft an?

Leschinski: Ich werde mich meiner Enkelin Luise widmen und die 100 Bücher lesen, die man gelesen haben muss. Dazu gehören gerade die beiden Bücher zur „Sonderaktion 1005“. Sie beschreiben die sogenannte Enterdungsaktion der Nationalsozialisten in den Jahren 1942 bis 1944. Dabei wurden die Leichen der ermordeten Juden und anderer Opfer ausgegraben und verbrannt, um das Ausmaß des Völkermords und auch einzelne Massaker zu verschleiern. Harte Kost, aber ich will verstehen lernen, wie sich solch unmenschliches Verhalten in der Gesellschaft breit machen konnte.

Gibt es da etwas, was Sie schon immer machen wollten, aber nie die Zeit dafür fanden?

Leschinski: Klavier spielen lernen.

Was werden Sie vermissen?

Leschinski: Der Adrenalinausstoß, wenn auf dem Empfänger eine außergewöhnliche Alarmmeldung steht.

Freier Autor Stefan Kern ist ein freier Mitarbeiter der Schwetzinger Zeitung.

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