Im Interview - Dr. Alessandro Bellardita glänzt mit seinem Krimiroman „Der Zeugenmacher“ / Eine fiktive Geschichte, die Wahrheiten hinterfragt

Schwetzinger Dozent spricht über seinen Debütroman

Von 
Maria Herlo
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Dr. Alessandro Bellardita teilt mit seiner Romanfigur aus „Der Zeugenmacher“ unter anderem die italienischen Wurzeln und die Liebe zu Espresso. © Bellardita

Mit seinem Erstlingswerk „Der Zeugenmacher“ sorgt Dr. Alessandro Bellardita, Hochschuldozent für Rechtspflege in Schwetzingen, für spannende Überraschungen. Wir sprachen mit dem Autor über seinen Debütroman.

Herr Bellardita, Sie sind, genau wie der Ich-Erzähler, in zwei Kulturen aufgewachsen. Wie viel von Ihnen steckt in der Romanfigur?

Zur Person

Dr. Alessandro Bellardita ist 1981 in Modica, Sizilien, geboren. Anfang der 1980er Jahre wanderten seine Eltern nach Deutschland aus.

Nach dem Abitur an der Europäischen Schule in Karlsruhe (1999) studierte er Rechtswissenschaften in Mannheim, wo er auch jahrelang als wissenschaftlicher Mitarbeiter arbeitete. Nach einer mehrjährigen Tätigkeit als Anwalt, wechselte er 2012 in den Justizdienst, wo er unter anderem als Staatsanwalt tätig war (Abteilung: organisierte Kriminalität).

Seit 2017 ist er Richter in Karlsruhe und hauptamtlicher Dozent an der Hochschule für Rechtspflege in Schwetzingen.

Sein Debütroman heißt „Der Zeugenmacher“ (J. S. Klotz Verlagshaus 2021), 208 Seiten, 10 Euro. her

Dr. Alessandro Bellardita: In meinem Roman ist viel von mir zu finden, aber immer nur ansatzweise, nur die Fassade. Hinter dieser Fassade ist in den Details nur noch wenig von mir übrig. Mit De Benedetti teile ich jedenfalls die italienischen Wurzeln, die Liebe zum Espresso und die Faszination für die Kochkünste seiner sizilianischen Mutter.

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Schon in Ihrem ersten Roman ist es Ihnen gelungen, eine packende Geschichte zu erzählen. Stießen Sie in Ihrer Karriere als Anwalt, Staatsanwalt oder Richter tatsächlich auf einen Zeugenmacher oder ist die Figur erfunden?

Bellardita: Die Figur ist erfunden. Vor allem als Richter, Staatsanwalt und Verteidiger wird man in der Praxis aber immer wieder mit der Schwierigkeit konfrontiert, Wahrheit und Lüge auseinanderzuhalten. Zu erkennen, ob ein Zeuge die Wahrheit sagt, ist nicht selten von entscheidender Bedeutung. Der Zeugenmacher ist zwar eine Fiktion, eine Fiktion, die diese typische Situation vor Gericht verkörpert und in der Praxis so vorkommen könnte.

Haben Sie das Buch geschrieben, um Ihre Erfahrungen im Justizwesen zu verarbeiten, oder war ein anderer Grund der Anreiz?

Bellardita: Mit meinem Roman möchte ich auf ein typisches Problem im Justizwesen hinweisen, ein Problem allerdings, das uns alle betrifft, auch im Alltag außerhalb der Gerichtssäle: Das Problem besteht darin, dass jeder von uns mehrere Masken trägt, dass unsere Person nichts anderes ist als eine Maske, die wir modellieren, je nach dem, in welcher Situation wir uns befinden. Authentisch sind wir im Alltag so gut wie nie. Es gibt sogar Untersuchungen, die belegen, dass wir bis zu siebzig Mal am Tag lügen, und zwar bewusst. Und jetzt kommt das eigentliche Problem, die bittere Konsequenz: Jeder von uns spielt eine Rolle (die des Lehrers, des Anwalts, des Kellners oder Arztes) und dennoch erwarten wir absolute Aufrichtigkeit und die Wahrheit im zwischenmenschlichen Umgang. Daraus folgt eine Erwartungshaltung, die nur in Enttäuschungen münden kann. Ein Beispiel: Wer in einem Gerichtssaal die objektive Wahrheit erwartet, der begibt sich unvermeidlich einer Illusion hin, obwohl jeder Beteiligte in einem Verfahren weiß, dass ein Prozess allenfalls eine Reproduktion der Wirklichkeit darstellt – bestenfalls. Dennoch glaubt jeder, der an einem Verfahren teilnimmt, dass am Ende die Wahrheit „siegt“. Daraus folgt eine Erwartungshaltung, die kein Justizverfahren erfüllen kann.

Gab es Vorbilder in der Literatur?

Bellardita: George Simenon, ein absoluter Meistererzähler. Und zwei italienische Autoren, die vor allem Krimis geschrieben haben – Massimo Carlotto und Gianrico Carofiglio.

Sie sind auch Dozent an der Hochschule für Rechtspflege in Schwetzingen. Als Schauplatz kommt die Stadt jedoch nicht vor. Hat das einen Grund?

Bellardita: Das ist eine Frage der örtlichen Zuständigkeit. De Benedetti ermittelt als Staatsanwalt in Heidelberg, weil der Zeugenmacher in Heidelberg auftaucht – reiner Zufall also.

Können sich die Leser auf eine Fortsetzung freuen? Wenn ja, wann wird sie erscheinen?

Bellardita: Ja, De Benedettis zweiter Fall ist so gut wie fertig. Den genauen Erscheinungstermin kann ich aber noch nicht sagen.

Freie Autorin

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