Im Interview

Schwetzinger Jugendreferentin über ihre Arbeit in der Pandemie

Von 
Lukas Heylmann
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Da herrschte noch große Vorfreude: Jugendreferentin Andrea Kroll sowie die Jugendbotschafter Alexander Jordan und Merve Deniz bewerben „Pre-Rock in da Hütt“. Das war die letzte Veranstaltung, die am 7. März 2020 stattfinden konnte. © Lenhardt

Schwetzingen. Das Jugendbüro Schwetzingen stellte im Gemeinderat am Mittwochabend seinen Jahresbericht für 2020 vor. Es liegt in der Natur der Sache, dass die anhaltende Corona-Pandemie die persönliche Arbeit mit Jugendlichen verändert und auch erschwert hat. Jugendreferentin Andrea Kroll erklärt im Gespräch mit unserer Zeitung, wie sich das vergangene Jahr auf ihr Engagement ausgewirkt hat.

Frau Kroll, was waren aus Ihrer Sicht die größten Schwierigkeiten für die Jugendarbeit im Pandemiejahr 2020?

Andrea Kroll: Die größte Schwierigkeit war zunächst das Umgehen mit diesem noch nie dagewesenen Thema, das ja sämtliche Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens betroffen hat und nach wie vor betrifft. Weitere Schwierigkeiten waren die sich wöchentlich verändernden Corona-Verordnungen, welche sich auf mögliche Präsenzangebote auswirkten. Diese Vorschriften, zum Beispiel Voranmeldung und ein Verbot, sich frei in den Räumen bewegen zu können, passten und passen nicht zu jugendlichem Verhalten. Beziehungsarbeit online zu leisten, war ebenfalls eine große Herausforderung, gerade da die Jugendlichen im Verlauf der Pandemie durch Homeschooling, beziehungsweise dadurch, eigentlich alles nur noch online machen zu dürfen, müde geworden sind. Es wird immer deutlicher, dass die Arbeit mit Menschen, egal um welche Zielgruppe es sich handelt, am besten über den persönlichen Kontakt gelingt. Online-Angebote sind zwar in Maßen sicherlich eine Unterstützung, nur können echte Beziehungen nur über das Sehen und direkte Gespräche aufgebaut werden.

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Konnten aus diesen Problemen Lehren für die Zukunft gezogen werden?

Kroll: Eine Lehre hat die Politik glücklicherweise schon gezogen und erlaubt, dass bestimmte Angebote im Rahmen der sozialen Gruppenarbeit stattfinden dürfen. Man hat endlich erkannt, dass Jugendliche in dieser Pandemie schlichtweg vergessen wurden. Das ist aktuell ja noch immer so, wenn man sich die Siebt- bis Neuntklässler anschaut, die seit Dezember 2020 nicht mehr in der Schule waren.

Einer Ihrer persönlichen Schwerpunkte ist ja die mobile Jugendarbeit (MJA). Wo lagen diesbezüglich die großen Unterschiede zwischen 2020 und einem „normalen“ Jahr?

Kroll: Die Verordnungen machten die größten Unterschiede aus. Treffen mit einer begrenzen Personenanzahl im öffentlichen Raum, Ausgangssperre, Abstand halten. In den ersten Monaten der Pandemie haben sich die Menschen allgemein ja noch besser an die Regeln gehalten. Dann kam der Winter, in dem die MJA sowieso nicht so viel unterwegs ist. Seit Februar/März dieses Jahres sind auch verstärkt wieder Jugendliche draußen, also mehr als letztes Jahr um diese Zeit.

Laut Jahresbericht haben Sie bei 39 Rundgängen durch die Stadt 500 Jugendliche angetroffen. Liegen diese Zahlen deutlich niedriger als in den Vorjahren?

Kroll: Ja, etwa um die Hälfte niedriger. Das hat mit den Corona-Verordnungen, also vor allem Ausgangssperren und Kontaktvermeidung, zu tun. 2019 waren es zum Beispiel 70 Rundgänge und 950 angetroffene Jugendliche.

Was waren denn die zentralen Themen, bei denen Jugendliche im letzten Jahr Gesprächsbedarf hatten und welche Rolle spielte dabei die Pandemie?

Kroll: Die Themen der Jugendlichen waren andere als in den beiden Jahren zuvor. 2020 war sehr viel Unsicherheit in Bezug auf Corona zu spüren. Eine Mischung aus Angst und Nicht-wahr-haben-Wollen, Frustration über die Verordnungen, Zukunftsängste in Bezug auf Schulabschlüsse aufgrund des andauernden Online-Unterrichts oder auch Sorgen, ob und wann die Pandemie überhaupt wieder aufhört.

In den Statistiken bezüglich der Besucher des Jugendzentrums „Go in“ sowie der mobilen Jugendarbeit zeigt sich, dass Sie vor allem mit männlichen Jugendlichen gearbeitet haben. Gibt es diesen Trend auch in anderen Jahren? Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Kroll: Es ist kein neues Phänomen, dass Jugendarbeit eher von männlichen Jugendlichen genutzt wird. Jungs haben ein anderes Freizeitverhalten als Mädchen. Mädchen treffen sich eher zu Hause mit ihren Freundinnen, Jungs gehen raus.

Ab Anfang November haben Sie auf ein Präsenz-Beratungsangebot gesetzt, anstatt auf Besuche des Jugendzentrums nach Anmeldung wie früher im Jahr. Wie wurde das angenommen?

Kroll: Das Angebot wurde durchwachsen angenommen, genauso durchwachsen wie die vorherige Möglichkeit, mit Anmeldung ins Jugendzentrum zu kommen. Wichtig ist und bleibt aber, dass das Angebot vorhanden ist und bei Bedarf genutzt werden kann.

Gab es im Pandemiejahr auch Positives in der Jugendarbeit in Schwetzingen? So war ja beispielsweise das Ferienprogramm offenbar sehr beliebt bei den Jugendlichen.

Kroll: Das Team der Jugendarbeit hat die volle Unterstützung und das Verständnis der Stadtverwaltung für die aktuelle Situation erhalten, sodass wir uns mit Zukunftssorgen nicht auseinandersetzen mussten. Ebenfalls haben sich alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in anderen Bereichen engagiert und hiermit ihre Solidarität gezeigt. Positiv hervorzuheben sind tatsächlich die Zeiten, in denen wir mehr oder weniger normal mit den Jugendlichen arbeiten konnten. Das Sommer-Spezial war ein erfolgreicher Ausgleich. In dieser Zeit wurde auch gemeinsam mit den Jugendlichen der Hof des Jugendzentrums gestaltet. Diese Idee stammte aus dem letzten Achterrat und somit wird es dieses Jahr, wenn alle weiteren Arbeiten abgeschlossen sind, den ersten Jugend-Chill-Platz in Schwetzingen geben.

Im Jahresbericht erwähnen Sie, dass quasi jegliche Kooperationsveranstaltungen 2020 aufgrund der Corona-Pandemie entfallen mussten. Wie stehen diesbezüglich die Pläne für 2021?

Kroll: Das sieht für 2021 leider nicht anders aus. Aufgrund der Kontaktbeschränkungen sind Großveranstaltungen wie ein Suchtseminar, unser Musikfestival oder auch der Achterrat sind nicht möglich und auch nicht online durchzuführen.

Wie steht es um den Jugendtreff im Hirschacker? Dieser war ja zunächst wegen einer Krankheit der Leiterin geschlossen und im Anschluss wegen der Corona-Verordnungen. Sind Sie immer noch auf der Suche nach neuen Räumen und wenn ja, gibt es Aussichten?

Kroll: Bis auf Weiteres bleibt der Treff ja sowieso aufgrund der Pandemie geschlossen. Da niemand sagen kann, wie es weitergehen wird, warten wir jetzt einfach ab, was passiert.

Sie verweisen im Jahresbericht auf Konflikte innerhalb Ihres Teams, aber auch auf deren hoffentlich baldige Klärung mithilfe eines Coachs. Können Sie dazu Stellung nehmen?

Kroll: Die Pandemie hat das Arbeitsfeld der Jugendarbeit im Prinzip von heute auf morgen stillgelegt. Mit sofortiger Wirkung den Arbeitsinhalt entzogen zu bekommen, macht natürlich etwas mit den Mitarbeitern. Zweifel, Sorgen, Ängste, Frustrationen, Einstellungen, all diese Dinge spielen auch bei Erwachsenen eine Rolle. Wir sind auf einem guten Weg, mit den Herausforderungen leben und arbeiten zu lernen.

Was sind Ihre Hoffnungen und Ziele für die Jugendarbeit in Schwetzingen im Jahr 2021, auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Pandemie uns leider noch etwas begleiten wird?

Kroll: Jugendarbeit funktioniert nur über den Beziehungsaufbau. Solange Kontakte vermieden werden sollen, wird es für die Jugendarbeit schwer, Anknüpfungspunkte zu den Jugendlichen zu finden und zu stabilisieren. Wir können nur richtig arbeiten, wenn wir Kontakt haben dürfen und hoffen auf den Impffortschritt und das Absinken der Inzidenzen, damit wir wieder öffnen dürfen.

Eine Grafik mit den aktuellen Corona-Zahlen gibt's hier:

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