Schwetzingen. Sina Merkels Aufregung war da, verschwand jedoch mit dem ersten Ton, den sie ihrer Querflöte entlockte. Die 22-Jährige hatte eingeladen, bei ihrer „Generalprobe“ für das Vorspiel für den Bachelor of Music an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt an diesem Dienstag dabei zu sein.
Im Franz-Danzi-Saal der Musikschule Bezirk Schwetzingen waren die 73 Sitzplätze, die die Vorschriften derzeit erlauben, bis auf eine Hand voll mit Musikfreunden belegt. Am Applaus gemessen darf festgestellt werden, dass die Generalprobe wohlgelungen war, jedwede Aufregung die Darbietung letztendlich nur beflügelte.
„Heterogen und abwechslungsreich soll die Präsentation sein“, erläuterte Sina Merkel das Kommende. Sie wurde begleitet von Atsuko Kinoshita am Flügel. Ausgewählt waren vier ganz unterschiedliche Werke, deren Interpretation es der jungen Flötistin erlaubten, die gesamte Bandbreite ihres Könnens zu präsentieren. Als eines der wesentlichen Werke im Flötenrepertoire stand das Konzert für Flöte und Orchester, D-Dur KV 314 von Wolfgang Amadeus Mozart am Beginn des Reigens. Die Komposition im 4/4-Takt wurde von Mozart aus „Zeitmangel und Unlust“, wie Merkel erklärte, zur Umarbeitung seines Konzerts für Oboe und Orchester C-Dur KV 314. Mit temperamentvollen Folgen sind die spieltechnischen Möglichkeiten der Flöte eindrucksvoll auszuschöpfen, was der Flötistin in harmonievoll-ausdrucksstarker Umsetzung gelang.
Während Mozart seinen musikalischen Ausdruck gefunden hatte, war Tru Takemitsu in der Beeinflussung durch westliche, vorwiegend französische Komponisten im Konflikt zwischen der japanischen und der westlichen Tradition. „Das spiegelt sich in ‚Itinerant‘, das wandernd oder umherziehend bedeutet, wider“, schilderte Sina Merkel den Zuhörern. Die Hörreise in die Komposition Takamitsus erlaubte der Instrumentalistin Flötentechniken wie Flatterzunge, das Spielen mehrerer Töne gleichzeitig sowie als festen Bestandteil die Stille zu demonstrieren.
Einfühlsam im Dialog
Zum Gesamterlebnis wurde das kleine, feine Konzert durch die große Spielharmonie zwischen Flötistin und Klaviervirtuosin. Atsuko Kinoshita hat die Studentin schon während des vierjährigen Studiums unterstützt, verriet sie im Gespräch mit dieser Zeitung. Einfühlsam und stets im Dialog mit der Querflöte zeigte sie ihre Qualitäten als Korrepetitorin, die am Klavier oder Flügel das Orchester während der Probe- und Einstudierphasen der Solisten ersetzt. Sieben Sätze hat die Sonate Nr. 9 op. 1, h-Moll, HWV 367b von Georg Friedrich Händel, die in völlig unterschiedlichen Charakteren einer Mini-Oper ähnlich zeigen, in der Streit- und Liebesszenen mit Arien wechselnd letztendlich im gemeinschaftlichen Tanz finalisieren. Erlebbar interpretiert folgten die Zuhörer den beiden Musikern in verharrendem Schweigen, teils mit geschlossenen Augen, sich leicht wiegend im Rhythmus.
Mit dem „Chant de Linos“ von André Jolivet setzte Merkel einen bewegenden Schlusspunkt. Der „Gesang von Linos“ reflektiert die Beschäftigung des Kompnoisten mit der griechischen Mythologie – Linus war Musiker und brachte Orpheus und Herakles Musik bei. Der verfolgte Effekt, den Wechsel zwischen leisen, rhythmischen, den Tanz veranschaulichenden und lauten Passagen, die für Schreie voller Angst, Wut oder Trauer stehen, zu vermitteln, gelang beiden Instrumentalistinnen hervorragend. Die extremen dynamischen Änderungen vermittelten Drama und Tragik und zeitgleich die versierte Spielart von Sina Merkel und Atsuko Kinoshita. Der minutenlange Applaus im Franz-Danzi-Saal in Schwetzingen trug beide Künstlerinnen in den Samstagabend. Abschließend bleibt der fantastischen Absolventin für das Vorspielen am Dienstag viel Erfolg zu wünschen.
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