Im Schwetzinger Musikleben ist Tatjana Worm-Sawosskaja schon seit Jahren präsent. Die Konzertpianistin, Inhaberin und Leiterin des Klavierstudios für begabte Kinder und Jugendliche hat unter anderen die Reihe „Klassik für alle“ im Drei-D-Format ins Leben gerufen, mit der sie dem Publikum den Zugang zu klassischer Musik erleichtern möchte. Schon seit 2017 führt sie die Reihe mit großem Erfolg in Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz durch. Nunmehr fand „Klassik für alle“ zum achten Mal statt. Diesmal war es ein ganz besonderes Konzert, zu dem sie ins Lutherhaus eingeladen hatte: Die Spenden am Ausgang sind für den Wiederaufbau des Glockenturms der russisch-orthodoxen Kirche in Termes, Usbekistan, der Geburtsstadt der Pianistin, gedacht.
In Folge des staatlichen Atheismus in der Sowjetunion wurde die 1910 erbaute Kirche 1927 geschlossen und der Glockenturm abgerissen. Sie diente zunächst als Militär-Krankenhaus, dann als Munitionslager und später als Sportsaal. Seit 1990 ist die historische Kirche wieder geöffnet. Tatjana Worm-Sawosskaja möchte ihren Teil dazu beitragen, dass der Turm wieder aufgebaut wird. Bei ihrem Konzert kam die stolze Summe von über 800 Euro zusammen, „Damit stehen wir ziemlich am Anfang“, sagte sie, „da noch zirka 27 000 Euro fehlen, um den Glockenturm wieder herzustellen.“
Stipendium vom Musikrat
Die Bedeutung dieser Veranstaltung wurde auch durch die Übernahme der Schirmherrschaft vonseiten des Oberbürgermeisters Dr. René Pöltl unterstrichen sowie durch die Anwesenheit des Konsuls der Republik Usbekistan, Ulugbek Shukurov, der auch einen kurzen Film über sein Land mitgebracht hatte. Er wurde am Ende der Veranstaltung gezeigt.
Die einführenden Worte sprach der musikalische Hausherr, Kirchenmusikdirektor Detlev Helmer. Er würdigte das Engagement der Pianistin Tatjana Worm-Sawosskaja, denn bis eine solche Veranstaltung steht, ist eine minuziöse Vorbereitung hinter den Kulissen nötig. „Veranstalter des Konzerts ist diesmal die Stadt Schwetzingen“, informierte er, „und es ist vom Deutschen Musikrat im Rahmen des Stipendiums Neustart Kultur gefördert. Er übernimmt die komplette Gage der Künstlerin.“
Dass nach der Pandemiepause wieder Konzerte möglich sind, darüber freut sich natürlich das Publikum, „das nach Kultur lechzt“, wie Helmer sagte, „und natürlich auch die Künstler, die auf Publikum angewiesen sind“.
„Es ist ein unbeschreiblich schönes Gefühl, wieder auf der Bühne zu stehen“, meinte auch Tatjana Worm-Sawosskaja, die getreu ihrem künstlerischen Credo handelt, das das lautet: „Die Musik ist die Sprache meiner Seele. Dieses kostbare Gut möchte ich an die Menschen vermitteln und dadurch ihre Herzen erreichen“. Mit der ebenso glücklichen wie außergewöhnlichen Wahl des Programms gelang es ihr, das Publikum durch die Bilder- und Klangwelten der Kompositionen zu führen und es mit amüsanten, lebendigen Geschichten zu unterhalten. Unter den Kostbarkeiten, die sie für das Konzert ausgewählt hatte, befand sich Ludwig van Beethovens (1770 – 1827) Klaviersonate Nr. 8 in c-Moll, bekannt unter dem Namen „Pathétique“. Dieser stellte sie seine „32 Variationen über ein eigenes Thema“ gegenüber, gefolgt von Franz Liszts (1811 – 1886) „Un Suspiro“ und „Consolation Des-Dur“ sowie „Prelude op. 3 cis-Moll“ und die Etüden op. 33 in cis-Moll und Es-Dur von Sergej Rachmaninow (1873 – 1943). Dabei machte sie auf interessante biografische sowie inhaltliche Bezüge aufmerksam.
Unter den Gästen befand sich auch der Brühler Bürgermeister Ralf Göck, der gestand, dass er immer wieder gerne die Klavierkonzerte von Tatjana Worm-Sawosskaja besuche. „Es ist etwas ganz Besonderes, so ein Konzert zu erleben“, sagte er im Gespräch, „einerseits wegen der zahlreichen Hintergrundinformationen, andererseits weil es von einer exzellenten Konzertpianistin gestaltet wird. Wie sie heute die Komponisten, die Stücke mit ihrer Heimat Usbekistan verbunden hat, war einfach großartig.“
Die Atmosphäre spüren
Auch andere Konzertgäste waren vom Spiel der Pianistin, von der Musik, von der Präsentation Usbekistans sehr berührt. „Ich habe richtig Lust bekommen, einmal dahin zu reisen“, sagte die Schwetzingerin Doris Wahl, „zudem wurde mir bewusst, wie sehr uns Livekonzerte gefehlt haben. Künstler muss man nicht nur sehen und hören, sondern man muss die besondere Atmosphäre im Konzertsaal spüren können.“
Das nächste Konzert „Klassik für alle“ findet am Sonntag, 17. Oktober, 17 Uhr, im Lutherhaus statt. Der Eintritt ist frei, Spenden können auf folgendes Konto überwiesen werden: Tatjana Worm-Sawosskaja IBAN DE08 600 100 700 757 055 700 – Stichwort „Die Glocke“.
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