Schwetzingen. Staatssekretär Dr. Andre Baumann aus Schwetzingen macht diese Radtour durch die Schwetzinger Wiesen seit Jahren. Es sind rund 150 Hektar, die Baumann gut kennt. Und genau das sorgte bei ihm für sichtlich gute Laune. Denn die Schwetzinger Wiesen könnten ein Beleg dafür sein, dass Landwirtschaft sowie Klima- und Artenschutz keine Gegner sein müssen.
Bei der Radtour, auf der ihn rund 20 Interessierte begleiteten, verwies er auf die Fortschritte in Baden-Württemberg auf dem Weg zu einem Ausgleich in diesem Konflikt. Mittlerweile sei man da im Ländle beim Austausch auf Augenhöhe. Dabei mache hier vor allem die Perspektive auf die Wiedervernässung der Moore und alternative Nutzungskonzepte Hoffnung.
Moore, das muss man wissen, sind in Sachen Klimaschutz wahre Superhelden. Die derzeitigen Moore auf der Welt, so Baumann, würden ungefähr doppelt so viel Kohlendioxyd (CO2) speichern wie weltweit alle Wälder zusammen. Kurz, um in die Nähe des Pariser 1,5-Grad-Ziels zu kommen und auch das 30-Prozent-Ziel für den Artenschutz zu schaffen, sei eine Renaturierung von Mooren in Deutschland soweit wie möglich unerlässlich.
Natürlich hört sich das nach einem Widerspruch an. Denn damit würden landwirtschaftliche Nutzflächen verloren gehen. Wo Moore sind, können keine Äcker sein. Das stimmt natürlich, doch das bedeute eben nicht das Aus für die Landwirtschaft per se. Zum einen gebe es immer die Möglichkeit, rund um die verschiedenen Flächennutzungskonzepte Kompromisse zu schließen und dann gebe es auch eine moorverträgliche Landwirtschaft. Baumann denkt unter anderem an Schilfanbau für Dämmmaterial, an Grünlandnutzung und die Weidetierhaltung, der hier auf den Schwetzinger Wiesen eine gute Zukunft beschert sein könnte. Vom Regierungspräsidium Karlsruhe gebe es rund um das Miteinander von Landwirtschaft, Hochwasserschutz, Klima- und Umweltschutz sowie Naherholung eine Machbarkeitsstudie, deren Ergebnisse in den nächsten Tagen wohl öffentlich gemacht werden sollen. Für Baumann gibt es zu diesem Ausgleich schlichtweg keine Alternative. Von sauberer Luft und Wasser über Artenvielfalt bis zu einer möglichst geringen Erwärmung sitzen wir alle im gleichen Boot. Gerade für die Landwirtschaft gelte doch, der nachhaltige Schutz bedinge die nachhaltige Nutzung und damit auch den nachhaltigen Ertrag. Baumann sieht in diesem Ausgleich sogar eine Chance, das Höfesterben zu stoppen. Dabei gilt, ganz egal, wie der Wandel vonstattengeht, Landwirte müssen ausreichend alimentiert werden. Denn eine wirtschaftliche Landwirtschaft, die regionale Lebensmitte auf den Tisch bringt, ist genauso wichtig wie eine gesunde Umwelt. Dabei ist sich Baumann sicher, dass es da Wege gebe, diese Ziele zu erreichen. „Wir in Baden-Württemberg gehen sie bereits.“ Wiedervernässung und eine angepasste Nutzung könnten hier allen Seiten nutzen.
Kurz erinnerte er an die Systemleistung von Insekten für die Natur und die Landwirtschaft. Moore sind nicht nur als CO2-Senken, sondern auch für die Artenvielfalt im Allgemeinen und den Insektenschutz im Speziellen ein entscheidender Baustein. Und das Gleiche gilt für die Weidtierhaltung, die für die Artenvielfalt, im Gegensatz zu Äckern, ebenfalls von aller größter Bedeutung sei. Natürlich ist das dann eine Weidtierhaltung, die im Widerspruch zur Massenproduktion von Billigfleisch stehe.
Ein Umdenken ist erforderlich
Als Chance sieht das Ganze auch der Landwirt Fichtner vom gleichnamigen Schafhof. Für ihn steht außer Frage, dass hier endlich etwas passieren muss. „Ich bin bereit für Veränderungen.“ Nur müsste man jetzt endlich ins Tun kommen. Ihn ärgert, dass alles so lange dauert. An der Studie werde seit vier Jahren gearbeitet und öffentlich ist es immer noch nicht. Und was man so höre, stünden da vor allem unverbindliche Vorschläge drin. Gefragt ist in seinen Augen nicht der scheinbar perfekte Plan aus der Amtsstube, sondern das Anfangen auf den Schwetzinger Wiesen und zwar jetzt. Was nicht funktioniere, wird geändert. Neudeutsch heißt das: „Learning by doing“. Wenn das mit der moorverträglichen Weidwirtschaft eine Option sei, wäre er jedenfalls der Erste, der sich da dranmachen würde. Offen sein, ausprobieren und scheinbar stimmige Narrative infrage stellen. Heißt zum Beispiel, ja zu Mooren und Grünland, ja zu Weidwirtschaft inklusive Käse- und Fleischwirtschaft. Ackerwirtschaft hätte hier sowohl für das Klima als auch die Artenvielfalt verheerende Auswirkungen. Und das führt am Ende dann auch dazu, neu über Fleischessen, Vegetarismus und Veganismus nachzudenken.
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