Oftersheim. Der Klimawandel und die Maßnahmen dagegen sind nicht verhandelbar.“ Die Perspektive von Martin Hirning zu diesem Thema ist eindeutig. Das liegt in der Natur der Sache, schließlich ist er Oftersheims Klimaschutzmanager und als zentralen Punkt seiner Aufgabe sieht er es laut eigener Aussage, den Bürgern der Gemeinde zu vermitteln, dass der Klimawandel ein überlebenswichtiges Problem ist. „Es geht für jeden Einzelnen darum, sich und seine Nächsten zu schützen“, sagt Hirning im Gespräch mit dieser Zeitung.
Seine Stelle, die er im Dezember 2022 angetreten hat, ist vom Bund gefördert. Dabei gilt die Richtlinie, dass er in den ersten 18 Monaten ein Klimaschutzkonzept erstellt. „Dabei ist auch ein Aspekt der Bürgerbeteiligung vorgesehen“, erläutert Hirning. „Erfahrungsgemäß läuft das in vielen Kommunen so ab, dass es einen Abend gibt, bei dem einzelne Bürger ein Statement abgeben und was dabei herumkommt, wird dann ins Konzept eingeflochten. Mir ist das zu wenig.“
Fahrplan fürs Klima in Oftersheim erstellen
Deswegen ist Oftersheim einen anderen Weg gegangen. 30 Bürger haben in fünf Teams, geordnet nach Themengebieten – Strom, Wärme, Mobilität, Konsum sowie Klimafolgenanpassungsmaßnahmen – einen Fahrplan erstellt, wie die Gemeinde und auch alle einzelnen Einwohner bis 2040 klimaneutral werden können (siehe Infobox). Dieser soll schließlich Teil des Klimakonzeptes werden.
Dem Gemeinderat haben die Teams ihre Ausarbeitungen bereits in einer nicht öffentlichen Sitzung vorgestellt – mit sehr guter Resonanz, wie Hirning berichtet. „Ich möchte nicht übertreiben, aber einige der Gemeinderäte haben gesagt, dass das die beste Sitzung seit Jahren gewesen sei. Auch ich finde die Ergebnisse sensationell und vor allem hoch professionell“, so der Klimaschutzmanager.
Wie das Oftersheimer Bürgerforum ausgewählt wurde
- Um 30 Personen zu finden, die sich an der Erstellung des möglichen Klimaschutzfahrplans beteiligen möchten, hat die Gemeindeverwaltung zunächst 350 per Zufallsgenerator ausgewählte Bürger angeschrieben. Darauf haben etwa 40 reagiert, berichtet Martin Hirning.
- Die weiteren 15 Plätze hat die Verwaltung öffentlich ausgeschrieben, unter anderem auf der Gemeindewebsite. Erneut habe es rund 40 Rückmeldungen gegeben.
- Im Anschluss gab es ein Losverfahren, um die 30 Plätze auf die rund 80 Bewerber zu verteilen.
- An drei Abenden im April und Mai kamen die Teilnehmer des Bürgerforums zusammen. Dort erarbeiteten sie in fünf Teams à sechs Personen in Form eines Workshops ihre Ergebnisse unter Anleitung von Martin Hirning.
- Dafür bekamen die 30 Bürger entsprechendes Recherchematerial sowie weiterführende Links mit Zahlen und Daten zu ihrem Themengebiet angereicht.
- Jedes Team erstellte schließlich zu seinem „Fachgebiet“ eine Ausarbeitung und Präsentation – im Falle des Themenkomplexes Wärme beispielsweise mit rund 30 Seiten. In dieser Form präsentierten die Gruppen ihre Ergebnisse dem Gemeinderat. lh
Doch nun steht es noch aus, die Erkenntnisse und möglichen Maßnahmen der breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Das soll kommenden Monat erfolgen. Am Freitag, 29. September, wird es eine Infoveranstaltung im Rose-Saal geben. Dieser misst Hirning immense Bedeutung bei. „Meine Hoffnung wäre, dass ich wieder Menschen nach Hause schicken muss, weil es zu voll ist“, sagt er. In dem Fall werde es natürlich Folgeveranstaltungen geben.
Das Konzept für den Abend sieht vor, dass Martin Hirning zunächst eine kurze Einleitung gibt – weniger zu der Bürgerbeteiligung und mehr, um von der Notwendigkeit des Klimaschutzes zu überzeugen – bevor anschließend die Teams ihre Ergebnisse in komprimierter Form vorstellen. Angedacht sind rund zehn Minuten pro Themenkomplex, anschließend soll eine offene Diskussionsrunde folgen. „Wenn wir von Klimaneutralität in der Gemeinde bis 2040 sprechen, meint das nicht nur die Verwaltung, sondern auch alle ihre Bürger“, erläutert Hirning. Dass es nicht einfach ist, alle Menschen davon zu überzeugen, gibt er zu. „Meine Prognose ist, dass es sich all denen vermitteln lässt, die zumindest offen für das Thema sind, selbst wenn sie Bedenken haben.“ Für die Diskussions- und Fragerunde scheint er gewappnet zu sein, mit Studien, Fakten und Daten.
Zahlreiche Einwände in Sachen Klimaschutz
Die üblichen Einwände, die beim Klimaschutz – gerade wenn es um persönliche Verantwortung geht – kennt er, sei es nun die Rolle Chinas, Debatten um die Windkraft oder Kritik an der Klimabilanz von E-Autos. „Darauf bin ich vorbereitet“, sagt Hirning. Das Gleiche gilt auch für Bedenken bei den finanziellen Herausforderungen, die Klimaneutralität mit sich bringen. „Bei einer Kosten-Nutzen-Rechnung liegen umweltschonende Lösungen am Ende immer vorne“, sagt er. „Die Sonne schickt einem keine Energierechnung.“
Doch hilft es, Menschen mit Aussagen zu konfrontieren, die ihren Überzeugungen nicht entsprechen? „Wenn man ihnen seriös aufbereitete Fakten aus richtigen Quellen zeigen kann und ihnen nicht bloß etwas erzählt, dann trägt es auch Früchte“, findet der Klimaschutzmanager, der entsprechende Erfahrungen auch schon bei seinen Vorträgen zur persönlichen Energiewende sammeln konnte.
Gleichzeitig gibt Hirning zu, dass ihm bewusst sei, dass manche Menschen nie zu gewinnen sein werden. „Die bekommt man dann eben nur über die Gesetzgebung.“ Sein Ziel sei das freilich nicht. Stattdessen sieht er seine Rolle in der Gemeinde als optimal an: „Mein Job gibt mir einen Hebel, um andere für den Klimaschutz zu sensibilisieren und davon zu überzeugen“, sagt Hirning. „Es gibt Studien, wonach Menschen von einem Thema zu überzeugen sind, wenn man fünf Prozent von ihnen dafür gewinnt und 20 weitere Prozent aufgeschlossen sind und damit einen echten „Move“ für praktisch alle entwickeln kann.“ Sein Ziel für die Infoveranstaltungen über den Klimafahrplan lautet also drei Abende mit je 150 Besuchern, die am Ende den Rose-Saal überzeugt verlassen. „Dann würden wir uns diesen fünf Prozent annähern.“
Laut Hirning sprechen die Fakten dafür, dass daran kein Weg vorbeiführt. „Dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens nähern wir uns mit einer Wahnsinnsgeschwindigkeit. Um das aufzuhalten, was der Klimawandel angerichtet hat, brauchen wir eine Richtungsumkehr. Jedes Zehntelgrad, um das wir die globale Erwärmung verringern können, sorgt für dramatisch weniger Katastrophen.“ Wie das noch zu schaffen ist? „Indem man sofort loslegt“, sagt Martin Hirning. Das könnte Oftersheim jetzt tun.
Info: Öffentliche Veranstaltung zum möglichen Klimafahrplan: Freitag, 29. September, um 18 Uhr im Rose-Saal
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar Oftersheim ist beim Klimaschutz auf einem guten Weg