Schwetzingen. Die Hoffnung ist aufgebraucht, alle Initiativen – von der Unterschriftensammlung bis zur Klage der Kommunen – sind verpufft und waren letztlich vergebens. Die Schließung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes in Schwetzingen ist besiegelt. Die Patienten müssen ab dem 1. August in den Zeiten, in denen sie ihren Hausarzt nicht konsultieren können, in die Praxen nach Heidelberg, Mannheim, Sinsheim oder Weinheim ausweichen. In einem Gespräch mit Kai Sonntag, dem Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, haben wir mal zu eruieren versucht, wie so eine Schließung vonstattengeht – und wie es eigentlich zu dieser Entscheidung gegen den Standort an der GRN-Klinik in Schwetzingen gekommen ist.
Kai Sonntag macht auf die Situation der Kassenärztlichen Vereinigung aufmerksam, die in Eigenverantwortung die ärztliche Versorgung in Baden-Württemberg organisiert. Derzeit seien im Land etwa 1.000 Hausarztstellen nicht besetzt. Und bei den besetzten Stellen sei ein Fünftel der Ärzte schon älter als 65 Jahre. Hinzu komme der Trend bei jüngeren Ärztinnen und Ärzten hinzu, nicht Vollzeit arbeiten zu wollen oder sich lieber anstellen zu lassen, als selbst eine Praxis zu übernehmen oder zu eröffnen.
Tägliche Versorgung ist wichtigster Fokus der KVBW
Die KVBW habe also Probleme damit, die Stellen während der üblichen Praxiszeiten zu besetzen. Kollegen, die dann den Bereitschaftsdienst am Wochenende und nachts übernehmen, fehlen tagsüber oder verrichten Zusatzstunden. Alle niedergelassenen Ärzte müssen Bereitschaftsdienste machen, angestellte Ärzte aber nur dann, wenn das in ihren Arbeitsverträgen auch vereinbart wurde, so Kai Sonntag. Und die fehlen dann eben an einem anderen Tag wieder in der Praxis. Um die tägliche Versorgung sicherstellen zu können, habe man nun den Bereitschaftsdienst überarbeitet und die Schließung besagter 18 Praxen beschlossen, führt Sonntag weiter aus (wir berichteten). Die KVBW habe selbst nur wenige Schrauben, an denen sie justieren könne. Bürokratieabbau oder Vergütungssysteme seien die Sache anderer Institutionen. Und man könne auch keinen Arzt irgendwo hinschicken, wo man ihn dringend brauchen könnte. Aber der Bereitschaftsdienst sei eben eine der wenigen Stellschrauben, an denen man jetzt drehen könne.
Stichwort Telemedizin
- Über die Telefonnummer 116117 ist der Telemedizin-Platz abends von 19 bis 23 Uhr und am Wochenende zwischen 9 und 23 Uhr besetzt. Bei einer Ersteinschätzung wird dann festgestellt, ob ein Arzt zurückrufen soll.
- Dienst haben immer zwei Allgemeinmediziner und ein Kinderarzt. Etwa 1.000 Anrufer melden sich derzeit monatlich – Tendenz steigend. Der Arzt bekommt dann die erhobenen Daten und die Rufnummer und meldet sich so schnell wie möglich bei den Patienten.
- Dr. Martin Schulz, der lange in Waghäusel den im letzten Jahr in Waghäusel geschlossenen Bereitschaftsdienst koordinierte, berichtet, dass es um Beschwerden wie Husten, Fieber oder Übelkeit gehe, häufig aber auch um Medikamentenberatung bis hin zur richtigen Dosierung.
Beim Bereitschaftsdienst handle es sich um eine sogenannte Überprüfungsbehandlung. Es gehe darum, festzustellen, was getan werden muss, bis der Hausarzt wieder seine Praxis offen hat. Hilfe biete man, wenn ein Patient hohes Fieber (mehr als 39 Grad) habe, wenn er an starken Bauchschmerzen leide, einen akuten Harnwegsinfekt bemerke, Brechdurchfall, starke Hals- oder Ohrenschmerzen oder kleinere Verletzungen habe. Bei Verdacht auf Knochenbruch oder anderen schweren Verletzungen müsse man in die Notaufnahme des Krankenhauses, die ja in der GRN-Klinik in Schwetzingen bleibe. Und in lebensbedrohlichen Situationen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Bewusstlosigkeit oder schweren Unfällen müsse man unbedingt den Rettungsdienst unter Telefon 112 alarmieren.
Kleine Wehwehchen per Telemedizin abklären
Auch künftig wolle die KVBW den ärztlichen Bereitschaftsdienst anbieten. Deshalb habe man darauf geachtet, in jedem Stadt- und Landkreis mindestens eine Praxis zu erhalten, die möglichst in 30 Fahrminuten erreichbar sind. Weiteres Kriterium war, dass die Praxis an eine Klinik gekoppelt ist, um schwere Fälle dorthin verweisen zu können. Und man erhalte den sogenannten Fahrdienst aufrecht, er pflegebedürftige Menschen daheim oder im Pflegeheim aufsuche. Weiterhin biete man Telemedizin an. Denn oft könnten Fragen nach Medikamenten oder dem Verhalten in einer bestimmten körperlichen Verfassung auch am Telefon geklärt werden, sagt Sonntag. Eigene Umfragen zeigten, dass 90 Prozent der Anrufer eine abschließende telemedizinische Behandlung bekommen hätten und damit auch zufrieden gewesen seien, so die KVBW.
Bleibt die Frage, warum ausgerechnet Schwetzingen geschlossen werden muss. Man habe sich da von geographischen Einflüssen leiten lassen, wolle im Norden des Rhein-Neckar-Kreises mit Weinheim und im Südosten mit Sinsheim die Praxen erhalten. Zudem seien die Bereitschaftsdienste in den Großstädten Heidelberg und Mannheim gesetzt gewesen. Im vergangenen Jahr habe man Verantwortliche vor Ort informiert und zusammen mit den niedergelassenen Ärzten im Oktober die Entscheidungen getroffen. „Wir wissen selbst, dass wir mit den Schließungen keine frohe Botschaft überbringen, für die wir überall Zustimmung erhalten, denn natürlich sei dies eine Einschränkung der gewohnten Versorgung vor Ort. Aber wir haben es uns nicht leicht gemacht“, sagt Sonntag.
Da die KVBW schon im vergangenen Jahr einige Praxen geschlossen hat, habe man erste Erfahrungen gesammelt und es habe weder ein Ansturm auf die Notaufnahmen der Krankenhäuser gegeben noch eine Überbelastung der Rettungsdienste. Es komme auch in den Praxen, die erhalten geblieben sind und mit erweiterten Kapazitäten ausgestattet wurden, nicht zu nennenswerten Wartezeiten, sagt der Pressesprecher. Aber das werde man genau beobachten und notfalls nachsteuern, verspricht er im Gespräche mit der Schwetzinger Zeitung.
Infoveranstaltung für die Bürger im Lutherhaus
In Schwetzingen wird definitiv am 31. Juli geschlossen. Den Mitarbeiterinnen habe man andere Plätze angeboten, die teilweise angenommen worden seien. Und die Ärzte machen dann eben in Heidelberg oder Mannheim ihren Dienst. Für die Bürgerinnen und Bürger biete die KVBW am Freitag, 18. Juli, um 18.30 Uhr im Lutherhaus eine Informationsveranstaltung an, in der die künftigen Möglichkeiten und Anlaufpunkte nochmals erläutert werden sollen. In Heidelberg und Mannheim habe man sowohl die Öffnungszeiten als auch die Zahl der Ärzte erweitert. Kai Sonntag zeigt sich zuversichtlich, dass das zusammen mit dem Fahrdienst und der Telemedizin auch weiterhin den Bereitschaftsdienstauftrag absichern könne.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar Schließung der Schwetzinger Notfallpraxis: „Fühlt sich falsch an“