Die Spannungen beim Tierschutz werden größer. Finanzielle Ausstattung und Aufgaben passen – untertrieben formuliert – nicht ganz zusammen. Allein vergangenes Jahr habe der von 30 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen getragene Verein Tierarztkosten von fast 38 000 Euro zu tragen gehabt. Die Zuschüsse der öffentlichen Hand beliefen sich 2021 auf lediglich etwas über 2000 Euro. Schwetzingen trägt davon übrigens den größten Anteil. Andere Kommune zahlten gar nichts. Unterm Strich, so Sandra Mummert, Vorsitzende des Tierschutzvereins Schwetzingen und Umgebung, seien das aber nicht einmal sechs Prozent. „Der Rest sind Spenden und eigenes Engagement.“ Sie ist zu höflich, um daraus einen Skandal zu machen. Doch es scheint nach wie vor so, dass der als Staatsziel geltender Tierschutz bis dato ein relativ zahnloser Tiger ist.
Für den Präsidenten des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder, waren solche Fakten ein Grund für seine Reise an die Basis. Er besuchte mehrere Tierschutzvereine, um zu verstehen, was in den Kommunen, was vor Ort, vor sich geht und zu erfahren, wo der Schuh drückt. Wobei es ihn nicht wirklich zu überraschen schien, dass die finanzielle Ausstattung einer dieser drückenden Schuhe ist. Der 1881 als Dachorganisation der Tierschutzvereine und -heime in Deutschland gegründete Tierschutzbund versteht sich als eine Art Lautsprecher für die mittlerweile rund 800 000 organisierten Tierschützer in den rund 740 örtlichen Tierschutzvereinen und 550 vereinseigenen Heimen in Deutschland.
Kastrationsgebot einführen
Neben dem Geld, das notorisch knapp sei, geht es Schröder und Mummert aber auch um die Bürokratie. Es sei, so Schröder, leider einfacher sein Auto aus der Ukraine hier zu versichern als sein Haustier. Dabei betonte Mummert, dass es nicht darum gehe, staatliche Regelungen zu verhindern. Im Gegenteil – sie müssten nur klug sein. So sei zum Beispiel ein Kastrationsgebot für wilde Katzen absolut notwendig. Die Zahlen verwilderter Katzen stiegen an und es müsse jetzt gegengehalten werden. Ein in dieser Hinsicht absolutes Problemgebiet ist das Hockenheimer Industriegebiet Talhaus. „Man sieht sie nicht, aber es sind viele da.“ Und den Tieren, daran ließ Mummert keinen Zweifel, gehe es nicht gut.
Im Beisein von Bürgermeister Matthias Steffan, dem Landtagsvizepräsidenten Daniel Born (SPD), dem Landtagsabgeordneten Andreas Sturm (CDU) und dem CDU-Bundestagsabgeordneten Olav Gutting forderte sie ein Umdenken. Dieses Kastrationsgebot stehe schon lange auf der Wunschliste der Tierschützer und es werde Zeit, dass diesem Wunsch entsprochen werde. Steffan erklärte hierzu, dass man das Problem auf dem Schirm habe, der Handlungsbedarf aber nicht hoch sei. „Wir sind hier kein Hotspot.“ Ein Satz, so Mummert, der völlig richtig sei. Aber sie wünsche sich dieses kommunal verordnete Kastrationsgebot trotzdem. „Es ist für uns ein wichtiges Instrument.“ Gerade auch, weil das mit der Entwicklung hin zu einem Hotspot schnell gehen könne. Sinnvoll wäre in Mummerts Augen ebenso eine Registrierpflicht. So könnte man den Halter von Tieren stets zweifelsfrei bestimmen.
Unbürokratische Lösungen finden
Und das sei noch lange nicht alles. Es gebe, so Schröder, viele weitere Herausforderungen. Allein im ersten Corona-Jahr 2020 ist die Zahl der Haustiere um eine Million gestiegen. „Und nicht jede Anschaffung war gut überlegt.“ Heißt: Viele der Zwei- und Vierbeiner landen über kurz oder lang bei den Tierschutzvereinen oder -heimen. Dazu käme dann auch noch der Ukraine-Krieg, von dem ebenfalls viele Tiere betroffen seien, für die schnell unbürokratische Lösungen geschaffen werden müssten. Dabei gehe es um Haustiere genau wie Zootiere und landwirtschaftliche Nutztiere.
Intensiv beschäftigt den Mann auch der sich gerade auftuende Graben zwischen Natur- und Tierschützern. Naturschützer hätten als Leitfaden den Populationsschutz gewählt: Ein oder zwei von einem Windrad erschlagenen Rotmilane sind für ein Naturschützer eine Art Kollateralschaden des Naturschutzes. Wichtig sei für sie, dass die Population insgesamt nicht gefährdet sei. Für einen Tierschützer, so Schröder, seien die toten Greifvögel Individuen, die jeden Schutz verdient hätten. Ein schwieriger Konflikt, da der Ausbau der Windenergie zwingend sei, der Schutz jedes einzelnen Tieres aber auch. Letzteres gelte von der Landwirtschaft und den Zoos weit über das Problem Windenergie hinaus. Vor diesem Hintergrund wären Tierrechte mit Verfassungsrang übrigens von Vorteil. Der Tiger namens Tierschutz müsste endlich seine Zähne bekommen.
Der Tierschutzverein Schwetzingen und Umgebung beherbergt zurzeit übrigens zehn Katzen, 26 Kaninchen und acht Schildkröten. Weitere Informationen gibt es unter www.tierschutzverein-schwetzingen.de.
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