Schwetzingen. „Ich bin überwältigt von dem großen Interesse“, so Dr. Andre Baumann zum Auftakt der Veranstaltung zum Thema „Wärmewende und Tiefengeothermie in der Kurpfalz“, zu der der Grünen-Landtagsabgeordnete am Freitagabend ins Palais Hirsch in Schwetzingen eingeladen hatte. Der Zuspruch war so groß, dass einige Besucher abgewiesen werden mussten, weil der obere Saal im Palais aufgrund der Brandschutzvorgaben für nicht mehr als 100 Menschen ausgelegt ist. Den Anwesenden boten sich an diesem Abend informationsreiche Vorträge und rege Diskussionen.
Auch Brühls Bürgermeister Dr. Ralf Göck (SPD) sowie der CDU-Landtagsabgeordnete Andreas Sturm waren gekommen. „Ich verspreche mir viel von der Geothermie“, bekannte Baumann in seiner Begrüßungsrede. Wie rasant der Klimawandel voranschreite, beispielsweise zu sehen am Sterben der Kiefern und Buchen im Schwetzinger Hardtwald, habe er als Biologe in dieser Schnelligkeit nicht vorhergesehen. Und: „Wir stehen beim Klimawandel erst am Anfang, wir müssen der Entwicklung Einhalt gebieten.“ Zu den notwendigen Klimaschutzmaßnahmen gehöre das für 2030 geplante Aus für das Kohlekraftwerk in Mannheim, dem größten CO2-Emittenten in Baden-Württemberg.
Um die Versorgungssicherheit dann weiterhin zu gewährleisten, seien Alternativen notwendig. „In Zukunft werden wir für die Wärmewende auch Wärme aus Geothermie nutzen, die wir ins Fernwärmenetz einspeisen“, so Baumann. „In Baden-Württemberg steht bei der Tiefengeothermie im Vordergrund: Wir arbeiten mit Gürtel und Hosenträger. Wir haben sehr viel strengere Vorsichtsmaßnahmen als andere Bundesländer. Denn wir nehmen die Sorgen der Menschen sehr ernst.“
Infoabend zu Geothermie in Schwetzingen: Zwischenrufe aus Besucherreihen
An dieser Stelle meldeten sich einzelne Bürgerinnen und Bürger lautstark zu Wort, die direkt über konkrete Sorgen und mögliche Schäden an ihren Häusern sprechen wollten. Der Wahlkreis-Abgeordnete verwies jedoch auf das Konzept der Veranstaltung: Im Anschluss an zwei Fachvorträge würden Baumann selbst, die Referentinnen und Referenten sowie weitere Akteurinnen und Akteure der Wärmewende von der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA-BW) sowie der GeoHardt GmbH für Fragen und Diskussionen bereitstehen.
Der Großteil des Publikums begrüßte diesen Ablauf und alle Anwesenden kamen in der späteren Diskussionsrunde an verschiedenen Stehtischen ausführlich zu Wort und Fragen konnten individuell beantwortet werden.
Zunächst aber sprach Professorin Dr. Eva Schill vom Karlsruher Institut für Technologie über „umweltgerechte Entwicklung der Tiefengeothermie“. Schill ist in der Helmholtz-Forschung, also in der Programmforschung der Bundesregierung, tätig, forscht seit vielen Jahren an der Nutzung der Tiefengeothermie und ist eine europaweit anerkannte Expertin auf diesem Gebiet. In ihrem Vortrag erklärte sie, welche Formen der Geothermie es gibt und wie sicher und umweltfreundlich Erdwärme am Oberrheingraben sowie weltweit genutzt werden kann. Bei der hydrothermalen Geothermie etwa werde im Gegensatz zu der petrothermalen Geothermie nicht in den Felsen gebohrt und mit deutlich geringeren Drücken gearbeitet. Beides verringere die Seismizität deutlich. Der gesamte Erschließungsprozess werde streng kontrolliert, um Gefahren für Mensch und Umwelt zu vermeiden. Sie berichtete, dass in Baden-Württemberg ausschließlich die hydrothermale Tiefengeothermie genehmigt wird.
Wärme aus der Tiefengeothermie in Fernwärme einspeisen
Die mittels der Tiefengeothermie gewonnene Wärme möchte die MVV Energie AG aus Mannheim in das Fernwärmenetz einspeisen, mit dem sie 160 000 Haushalte in der Region versorgt, so auch in Schwetzingen, Ketsch und Brühl. Marcus Adlon, Geschäftsführer sowie Leiter Business Unit Grüne Wärme, und Andreas Gabriel, Teamleitung Produkt- und Projektmanagement, erläuterten die Strategie der MVV zur Vergrünung der Fernwärme und der Dekarbonisierung ihres Wärmesektors. Eine zentrale Rolle werde dabei ein digitaler Zwilling der Kurpfalz spielen, ein von der MVV entwickeltes, bundesweit beachtetes Modell für die Wärmewende. Mit diesem könne Gebäude für Gebäude dargestellt werden, wie eine Wärmeversorgung in der Kurpfalz in Zukunft aussehen könnte, wo sich ein neuer Anschluss an das Fernwärmenetz lohne und wo sich eine dezentrale Wärmeversorgung über Wärmepumpen anbiete.
„Um die Fernwärme zu vergrünen, setzen wir auf einen Anlagenmix“, so Adlon. Würden wie geplant drei Geothermiekraftwerke am Oberrhein sowie eines im Mannheimer Norden realisiert werden, könnten diese im Jahr 2031 33 Prozent, zirka 120 Megawatt, der für die Fernwärmeversorgung in der Region notwendigen Energie erzeugen. Des Weiteren käme Energie aus Flusswärme, Abwärme aus Verbrennungsanlagen sowie dem Gaskessel zum Einsatz. Es sei wichtig, so Adlon, auf verschiedene Pferde zu setzen, um die Versorgung auch künftig optimal gewährleisten zu können.
Geothermie rund um Schwetzingen: Sicherheit steht im Fokus
Sorgen vor indizierter Seismizität und Umweltverschmutzung, die Gefahr von Schäden an ihren Häusern und die Frage nach der Haftung - diese und weitere Themen wurden bei den anschließenden Gesprächsrunden mit den Bürgern an Stehtischen diskutiert. „Die Menschen waren gut informiert, sehr interessiert und an der Sache orientiert“, resümierte Adlon. Der Grundtenor sei dabei gewesen, dass sie die Tiefengeothermie sowie ihre Chancen und Risiken verstehen möchten.
Die Kombination aus Informationsvorträgen und Diskussion lobte Adlon als „gutes Format“. Weitere Veranstaltungen dieser Art seien künftig in jedem Fall notwendig.
Schill klärte nochmals zum Thema Sicherheit auf, etwa über die strengen Regelungen, mit denen bei Bohrungen das Grundwasser vor Verschmutzungen geschützt werden soll. Um keine Gebäude zu beschädigen, sei beispielsweise die vorgeschriebene Schwinggeschwindigkeit der Bohrer an den Zuständen der ältesten, für Schäden anfälligsten Gebäuden in der Region orientiert. In puncto Sicherheit sagte auch Geothermie-Befürworter Baumann ganz klar: „Wir müssen in der ersten Phase mit Tiefengeothermie-Modellprojekten in Baden-Württemberg zeigen, dass diese für uns im Bundesland neue Technologie sauber und sicher ist. Das ist die Aufgabe.“ Nach mehr als drei Stunden endete die intensive Diskussions- und Informationsveranstaltung.
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