Solidaritätsvereinbarung

Ukrainisches Kozelets bekommt Hilfe aus Schwetzingen

Plankstadt hat es ins Leben gerufen, Schwetzingen steht dahinter und Oftersheim ist nun auch an Bord: Beim Besuch einer Delegation aus dem ukrainischen Kozelets unterschreiben die Bürgermeister eine Solidaritätsvereinbarung.

Von 
Noah Eschwey
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Pascal Seidel, Bürgermeister von Oftersheim (v. l.), Kozolets Bürgermeister Valentyn Bryhynets, Schwetzingens Bürgermeister Matthias Steffan und das Verwaltungsoberhaupt der Gemeinde Plankstadt Nils Drescher unterzeichnen die mehrfach ausgedruckte Solidaritätsvereinbarung. © Zeuner

Schwetzingen. Soldaten, Trümmer, Zerstörung und Chaos. Der russische Angriffskrieg ist eröffnet – und hinterlässt Tränen, Fassungslosigkeit und bedrückende Stille, nicht nur im Rathaus von Schwetzingen.

„24. Februar 2022“ – Dieses Datum erscheint in schwarzer Schrift auf der weißen Leinwand. Bis dahin ist es eigentlich ein buntes Video, das im großen Saal des Rathauses in Schwetzingen gezeigt wird. Im Mittelpunkt stehen die modernen Bildungseinrichtungen, für die Kozelets in der gesamten Ukraine bekannt ist. Aber auch auf die Landwirtschaft, Industrie und Historik sind die Einwohner stolz – das sieht man am Lächeln der Abgesandten, während sie den freudvollen Film über ihre Heimat schauen. Bis die Stimmung kippt. Erst im Video, dann im Sitzungssaal. Die bunten Aufnahmen weichen der brutalen Erbarmungslosigkeit des Kriegs. Das breite Lächeln der Abgesandten verwandelt sich in Trauer und Wut.

Über fünf Tage waren die Delegierten in der Kurpfalz

Schwetzingens Bürgermeister Matthias Steffan, Nils Drescher, Bürgermeister von Plankstadt und Pascal Seidel, Bürgermeister von Oftersheim – gemeinsam mit Valentyn Bryhynets, dem Bürgermeister von Kozelets, bilden sie die Spitze des Ratstischs in Schwetzingen. Doch sie sind bei Weitem nicht alleine. Eine ausgewählte Delegation aus Verwaltungsangestellten, Gemeinderäten, Unternehmern und Professoren hat den weiten Weg – ungefähr 2 050 Kilometer per Auto – von Kozelets in die Kurpfalz auf sich genommen, um die noch recht frische Partnerschaft zu vertiefen. Von Donnerstag, 25., bis Montag, 29. Juli, besichtigten sie den örtlichen Partner aus dem Südwesten Deutschlands.

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Und natürlich wollen auch die Gemeinderäte der beiden Gemeinden und die Stadträte aus Schwetzingen dabei sein, wenn es endlich wieder so weit ist. Zum zweiten Mal unterzeichnen die Bürgermeister von Schwetzingen, Plankstadt und Oftersheim die offizielle Solidaritätsurkunde mit Kozelets.

Solidaritätsvereinbarung wurde schon einmal unterschrieben

„In den vergangenen Monaten ist eine Freundschaft entstanden und wie es üblich ist: Freunde helfen sich“, sagt Steffan, der Oberbürgermeister Dr. René Pöltl vertritt, in seiner Begrüßung. Relativ genau ein Jahr ist es nun her, dass die drei Nachbarn in einer ersten Solidaritätsurkunde ihre Unterstützung für Kozelets festhielten. Seither ist viel passiert.

„Im vergangenen Jahr hatten wir wunderbare junge Menschen aus ihrer Stadt hier. Wir hatten sehr viel Spaß und einen konstruktiven Austausch“, erzählt Matthias Steffan dem Bürgermeister der ukrainischen Partnerstadt. Er freue sich darauf, die Freundschaft mit den Ukrainern zu vertiefen: „Es sind nämlich die Menschen, die entscheidend sind, sie bilden Gemeinden und Städte.“

Doch wer sind die Menschen aus Kozelets? Um den Anwesenden ihre Stadt näherzubringen, haben die Delegierten einen zehnminütigen Film dabei. 70 Kilometer von der ukrainischen Hauptstadt Kiew in nordöstliche Richtung und schon ist man in der Siedlungsgemeinde. Diese umfasst 53 Dörfer mit etwas weniger als 9000 Einwohnern und natürlich der Stadt Kozelets, mit weiteren 9500 Einwohnern. Besonders stolz sind die Bürger auf das Bildungsangebot, das die Region weitläufig versorgt. Aber auch die Infrastruktur mit einem modernen Krankenhaus, guten Straßen und starker Industrie lassen die Augen der Delegierten strahlen. Und natürlich die Historik – eine Kathedrale aus dem 18. Jahrhundert mit detailverliebter Wand- und Deckenbemalung, ein Rathaus aus der gleichen Zeit des Barocks und viele traditionelle Bauten verzieren die Gegend. Aber auch wirtschaftlich hat Kozelets einiges zu bieten: Auf der Leinwand sieht man landwirtschaftliche Großbetriebe, Gewürzhersteller und andere internationale Unternehmen aus der Stadt. Die meiste Zeit des Films wirkt wie ein Werbevideo einer aufstrebenden Region.

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Doch all das, was so unbeschwert auf die Leinwand projiziert wird, ist wie weggestrichen, als der Film einen Zeitsprung macht – direkt in das vom Krieg zerstörte Land. Einzelne Delegierte streichen sich Tränen von der Wange, andere ballen die Finger zur Faust. 40 Soldaten seien aus der Gegend gestorben, sieben gelten als vermisst.

Als der Beamer aufhört zu brummen, herrscht bedrückende Stille. Valentyn Bryhynets, der Bürgermeister von Kozelets, bedankt sich für die Unterstützung. „Wir wollen eine langfristige Zusammenarbeit, auch über den Krieg hinaus“, übersetzt Dolmetscherin Viktoriia Pryma.

In Kozelets werden Gebrauchtwagen benötigt

An diesem Tag gibt es aber nicht nur warme Worte für die dankbaren Ukrainer. Der Schulbus sei kaputt – unpraktisch bei so vielen kleinen Dörfern. Und auch das Fahrzeug, um Behinderte zu transportieren, wird dringend benötigt. Beides bringt aber nichts, wenn die Straßen weiterhin verwildern – auch auf diesem Gebiet bitten die bescheidenen Gäste um Hilfe, die zugesagt wird. „Wir haben schon Gebrauchtwagenbörsen durchgeklickt“, sagt Drescher. Unterstützt wird aber nicht nur die ukrainische Region durch die Kurpfalz – auch die Kurpfalz wird von einem Programm des Bundes unterstützt.

Nils Drescher, dessen Gemeinde Organisation und Programm der fünf Tage in die Hand nahm, spricht ruhig. Es wirkt, als habe ihn der Besuch tief berührt. Er sei dankbar für die Zeit mit den Ukrainern: „Am Anfang waren wir alle eher schüchtern und leise. Doch mit jedem Tag haben wir uns besser verstanden.“ Es gehe nicht um die Projekte, die nun von den kurpfälzischen Partnern unterstützt werden, sondern um eine persönliche und intensive Freundschaft auf Augenhöhe: „Ich denke, der Bürgermeister nimmt viel mit in die Ukraine, aber auch ich habe unglaublich viel gelernt von ihm.“ Es brauche viel Mut, in dieser schweren Lage Bürgermeister zu sein, glaubt Drescher, der kräftige Worte wählt: „Ich bewundere den Mut von Valentyn.“

Info: Gespendet werden kann mit Hinweis „Kozelets“ an die IBAN der Stadt Schwetzingen: DE08 6725 0020 0025 0104 42

Volontariat Noah Eschwey ist Volontär in der Lokalredaktion der Schwetzinger Zeitung/Hockenheimer Tageszeitung.

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