Schwetzingen. Wie war das denn, als Sie im April 2004 als Leiterin der VHS Bezirk Schwetzingen angefangen haben?
Gundula Sprenger: Die Volkshochschularbeit kannte ich schon, weil ich vorher 13 Jahre lang in Weinheim als Abteilungsleiterin Kultur und Politik tätig war. Mich hat die Vielseitigkeit gereizt und dass ich in Schwetzingen als Leiterin die Chance hatte, neuen Schwung in die Einrichtung zu bringen. Dafür war es wichtig, erst mal die Bedürfnisse und Wünsche der Menschen, der Mitgliedervertreter und Vorstände in den Mitgliedsgemeinden zu erkunden. Ich habe in der ersten Zeit unzählige Gespräche geführt, Tausende Menschen kennengelernt. Wir haben dann das VHS-Angebot erweitert, zusammen mit dem Team ein Leitbild erstellt, die Qualitätsentwicklung professionalisiert und die Basis für solide Finanzen gelegt.
Wie hat sich das Programm dann verändert?
Sprenger: Der Bereich Politik, Gesellschaft und Umwelt ist um 37,5 Prozent gewachsen, die Abteilung Kreativität um sechs Prozent. Wichtig war mir die Qualitätsentwicklung gemäß EFQM. Im Juli 2005 hielten wir erstmals stolz das frisch erworbene Qualitätssiegel in der Hand und erhielten damit die Zertifizierung unserer VHS auf europäischem Niveau. Und wir kamen erstmals ins Fernsehen, beim RNF mit unserer inszenierten Lesung für alle Sinne mit Ingrid Noll. Auch das Forum für pflegende Angehörige wurde damals gegründet. Heute wird das ganz prima von Daniela Gellert im Generationenbüro der Stadt Schwetzingen koordiniert und moderiert.
Zur Person: Carolin Brunner
- Carolin Brunner (39) ist in Heidelberg geboren, hat 2019 ihr Masterstudium Bildungswissenschaft mit Schwerpunkt Organisationsentwicklung an der Ruprecht-Karls-Universität abgeschlossen.
- Seit Juli 2023 ist sie stellvertretende VHS-Leiterin in Schwetzingen und übernimmt jetzt die Leitung. Davor war sie Fachbereichskoordinatorin der Abteilungen Fremdsprachen, Gesundheit und Qualitätsbeauftragte der Volkshochschule Sinsheim.
- Von 2016 bis 2020 arbeitete Brunner in der Prüfungsverwaltung der Uni Heidelberg.
Es gibt ja zahlreiche Einrichtungen, die auf´ VHS-Ideen zurückgehen. Und Sie haben sehr stark auf Kooperationen gesetzt?
Sprenger: Netzwerken war mir schon immer wichtig, das hat dann natürlich geholfen, um Kooperationen und Sponsoring aufzubauen. Schon gleich zu Beginn haben wir mit Werner Schellenberg zusammen das Philosophische Café gegründet, wo seither regelmäßig theologische und philosophische Themen besprochen werden. Beim Forum pflegende Angehörige arbeiten zwölf Institutionen zusammen, um für die Menschen in ihrer Belastung kurze Wege und Hilfen anzubieten. Zusammen mit dem Zonta-Club bekämpften wir den Analphabetismus. Mit Krankenkassen machen wir Gesundheitskurse, wir wollen Impulse geben für Inklusion, Diversität und Integration und dies auch leben. In Sachen Inklusion kooperieren wir mit der Lebenshilfe. Bei der Integration war es mir immer wichtig, dass es nicht nur Sprachkurse gibt, sondern auch kulturelle Offenheit und Tipps für das Zusammenleben gegeben werden. Dazu braucht man auch spezielle Schulungen, um Methoden zu erlernen, die in Konflikten mit Menschen helfen, die aus einem Land stammen, in dem Krieg herrscht. Ich habe zum Beispiel eine Fortbildung in Sachen Biographiearbeit gemacht, die dabei gut hilft. Wir haben auch die Charta der Vielfalt unterzeichnet und arbeiten bei der Interkulturellen Woche mit, bei der zuletzt unser Integrationskurs Postkarten für eine Ausstellung gefertigt hat.
2007 hat die VHS Schwetzingen das hundertjährige Bestehen gefeiert. Da könnte man meinen, das wirke auf Menschen von heute etwas angestaubt – vielleicht auch wegen des Namens Volkshochschule?
Sprenger: Ja, ich kann mich gut an des gemeinsame Gespräch mit meinem Vorgänger Bernhard Feger, Stadtarchivar Kresin und Ihnen zum Hundertjährigen erinnern. Schon im Jahr 1907 gründete sich der Verein zur Volksbildung in Schwetzingen. Landesweit feierten die Baden-Württembergischen Volkshochschulen erst 2019 die 100 Jahre. Der Verein verfolgte den Zweck, der Einwohnerschaft dauernd Bildungsstoff und Bildungsmittel zuzuführen, um sie in höherem Grade zu befähigen, ihre Aufgaben im Staate, in Gemeinde und Gesellschaft zu verstehen. So hieß es 1907. Der erste Vortrag fand am 10. Februar 1908 statt, bei freiem Eintritt sprach Prof. Johannes Weiß „Über die Entstehung und Entwicklung der Erde“. Volkshochschule bedeutet ja das universitäre Wissen, neue wissenschaftliche Erkenntnisse allgemeinverständlich zu vermitteln, sprich das Schwere leicht machen. Ich finde, alle kennen die VHS und wir sind gar nicht angestaubt. Wir greifen Trends in der Gesellschaft auf und sorgen dafür, dass sich die Menschen damit auseinandersetzen und vieles verstehen lernen.
Carolin Brunner: Das merkt man übrigens auch bei den Teilnehmerzahlen. Ich habe den Eindruck, dass die Menschen gerne zu uns kommen, gerade weil sie bei unseren Kursen auch auf andere Menschen mit ähnlichen Interessen treffen. Da kommt es oft vor, dass man anschließend noch zusammen etwas unternimmt oder es entstehen sogar Freundschaften daraus.
Was fanden Sie denn als jüngerer Mensch daran interessant, eine VHS zu leiten?
Brunner: Ich bin schon mit der VHS aufgewachsen, habe als Kind und Jugendliche schon Thai-Chi- und PC-Kurse besucht. Die VHS begleitet mich schon mein bisheriges Leben. Zuletzt war ich in Sinsheim Abteilungsleiterin und dann habe ich die Ausschreibung für die Leitungsposition in Schwetzingen gesehen und mich sehr gefreut, als ich die Zusage bekommen habe. Ich habe gleich gemerkt, dass das eine offene und moderne VHS ist. Und es ist klasse, dass Gundula Sprenger mich jetzt ein Jahr lang in alle Belange einführen konnte und wir gemeinsam schauen konnten, was wir an bewährten Dingen weiter pflegen und wo ich neue Ideen einbringen werde.
Wie haben Sie das eigentlich geschafft, dass die Bürgermeister ihnen ein Jahr als Doppelspitze genehmigt haben?
Sprenger (lacht): Petra Disch, unsere langjährige stellvertretende VHS-Leiterin plante ihren Ruhestand, da benötigten wir zunächst eine neue stellvertretende VHS-Leitung. Das war mir sehr wichtig, weil ich möchte, dass die Schule gut weitergeführt wird und das Netzwerk nicht verloren geht. Ich bin froh, dass die Bürgermeister der fünf Mitgliedsgemeinden das genehmigt haben. Und Frau Brunner hat sich schon super eingebracht. Beispielsweise mit der Neuaufstellung des Bereichs Bildungszeit in Kooperation mit der Agentur für Arbeit. Oder bei den Future Skills, die Kernthema im neuen Semester werden. Überhaupt beschäftigen uns Themen wie Nachhaltigkeit und Klima derzeit sehr stark. Die Kurse in diesen Bereichen sind sehr gut nachgefragt.
Brunner: Unser Angebot ist im ständigen Wandel. Etwa 20 Prozent der Kurse sind jeweils neu in jedem Semester. Es gibt aber immer auch Dauerläufer. Und wir schauen, wie wir unsere Zielgruppen am besten erreichen können. Da wird es dann auch mal Filzen und Bastelkurse für Kinder im Bellamar geben. Und mir liegt Demokratiebildung sehr am Herzen. Wir müssen es schaffen, wieder zum friedlichen Dialog miteinander zu kommen, in dem Meinungen akzeptiert und Lösungen erarbeitet werden. Dazu gehört es auch, Menschen dafür zu sensibilisieren, wenn Falschnachrichten und Verschwörungstheorien verbreitet werden.
Heute gibt es ja auch zahlreiche Vortragsangebote im Netz. Welche Rolle spielt das bei der VHS?
Sprenger: Ich habe den Eindruck, dass die Menschen nach Corona wieder zusammenkommen wollen und dass sie mit einem Lächeln aus unseren Kursen rausgehen, weil sie was Neues gelernt haben und mit Gleichgesinnten zusammen waren. Für mich war in der Corona-Zeit wichtig, nur so kurz wie unbedingt nötig, Kurse auszusetzen oder virtuell zu machen. Natürlich mit entsprechenden Hygienevorschriften. Das hat gut funktioniert und hat dafür gesorgt, dass uns unsere „Kunden“ nicht verloren gegangen sind. Digitale Angebote machen nur etwa fünf Prozent unserer Kurse aus. Sie sind vor allem dann nützlich, wenn prominente und damit oft teure Dozenten einen Vortrag halten. Eine einzelne VHS könnte sich das mit Reisekosten gar nicht leisten, mehrere zusammen aber schon.
An welche Kooperationen erinnern Sie sich besonders gern?
Sprenger: Zum Beispiel an den ersten Schwetzinger Fotosalon unter Leitung von Jessen Oestergaard. Im Februar 2025 findet schon die 17. Ausstellung unter dem Titel „Magische Unschärfe“ satt. Jessen ist es zu verdanken, dass der Fotosalon in der Metropolregion zu einer Institution geworden ist für ambitionierte Hobby- und Berufsfotografen – und auch für künstlerische Fotografinnen wie es meine hochgeschätzte langjährige Stellvertreterin Petra Disch ist. Aber ganz toll ist auch die Zusammenarbeit mit dem Verein Badische Heimat in Sachen Geschichtsforschung und Regionalkultur. Die gibt es übrigens schon seit 44 Jahren, also lange vor meiner Zeit. Jedes Jahr werden drei Vorträge und mehrere Exkursionen organisiert.
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Was wünschen Sie beide sich denn für die Zukunft der VHS und für die Menschen in der Region?
Sprenger: Ganz nach dem VHS-Motto aus dem Jahr 2018 „Demokraten und Europäer fallen nicht vom Himmel (2018) wünsche ich mir, dass es Volkshochschulen auch künftig gelingt, im nächsten Lebensumfeld Menschen mit Information, Bildung und Kultur „grundzuversorgen“. Sie sollen in parteipolitischer und weltanschaulicher Neutralität Bildung, Beratung und Begegnung für alle Bevölkerungsgruppen, Milieus und Altersstufen anbieten.
Brunner: Die Volkshochschulen sollen die Menschen über vielfältige Inhalte informieren und in Vorträgen und Diskussionsforen mit drängenden politischen und sozialen Fragen konfrontieren, aber auch gesellschaftliche Konflikten und Herausforderungen aufgreifen. Und um beim Motto von 2018 zu bleiben: Demokraten und Europäer bedürfen der Meinungsfreiheit und Lernfähigkeit, die nicht losgelöst von Frieden, Toleranz, Nächstenliebe, Gleichberechtigung und Respekt vor anderen Religionen und andersdenkenden Menschen gesehen werden kann. Unsere VHS hier in Schwetzingen und den Mitgliedsgemeinden Plankstadt, Oftersheim, Ketsch und Brühl will offen sein für den Diskurs und die Menschen zusammenbringen. Das ist mir wichtig.
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