Friedhof

Volkstrauertag in Schwetzingen: „Noch sind wir nicht verloren“

Am Volkstrauertag organisierten Stadtverwaltung, Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge und Sozialverband Deutschland eine Gedenkfeier. Bürgermeister Matthias Steffan gedachte der Opfer, kritisierte völkerrechtswidrige Angriffe und betonte die Hoffnung auf Versöhnung.

Von 
Volker Widdrat
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Erster Bürgermeister Matthias Steffan und Sabine Englert für den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge richteten die Kränze am Denkmal für die Gefallenen der Weltkriege aus. © Widdrat

Schwetzingen. Die Stadtverwaltung, der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge und der Sozialverband Deutschland veranstalteten anlässlich des Volkstrauertages am Sonntag eine Feierstunde auf dem Friedhof. Der Musikverein Stadtkapelle unter der Leitung von Pascal Morgenstern begann das Gedenken in der Kapelle mit dem Kirchenlied „Bleib bei mir Herr! Der Abend bricht herein“. Die Andacht hielt Pastoralreferent Sebastian Binder von der katholischen Seelsorgeeinheit.

„Der Tod gehört zum Leben, doch oftmals verlassen Menschen viel zu früh diese Welt: Durch Krankheiten, Leid und auch durch die zahlreichen Kriege, die es in der Welt gibt und gab. Diese Tatsache lässt uns manchmal ohnmächtig zurück. Doch Gott möchte für uns ein Halt in solchen schweren Zeiten auf unserem Lebensweg sein“, sagte er. Wie im ersten Brief an die Korinther von Glauben, Hoffnung und Liebe die Rede sei, als Kraftquellen in Momenten der Traurigkeit und des Todes, „dürfen wir durch die Auferstehung von Jesus voll Zuversicht an die Auferstehung unserer Toten glauben“.

An der Feierstunde zum Volkstrauertag in der Kapelle und auf dem Friedhof wirkten Bürger, Schüler und Vertreter der Stadt sowie des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge und des Sozialverbands Deutschland mit. © Widdrat

Die Gemeinde betete zu Gott, dass er uns nicht alleinlasse in unserem Schmerz. Der Pastoralreferent las aus dem Buch Kohelet: Alles hat seine Zeit, alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit. In seiner Ansprache beantwortete er die Frage, wo Gott sei: „Gott ist unser Schicksal nicht egal. Er leidet xsmit jedem Menschen, dem Unrecht geschieht und der viel zu früh aus dieser Welt gehen musste.“

Die Menschen legten all das Ausgesprochene und Unausgesprochene, was uns bewegt, in das Gebet, welches Jesus uns zu beten gelehrt hat und sprachen das Vaterunser. Sebastian Binder erbat Gottes Segen für die Gemeinde. Der Musikverein Stadtkapelle spielte zum Text des bekannten Kirchenliedes von Dietrich Bonhoeffer: „Von guten Mächten wunderbar geborgen. Erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“

Volkstrauertag in Schwetzingen: Konfrontation mit dem Krieg

Der Wortbeitrag des 17-jährigen Kai Kronberg begann mit einem Satz aus dem Roman „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque: „Ich glaube, wir sind verloren.“ Seit er denken könne, werde er mit Krieg konfrontiert, sagte der Abiturient am Hebelgymnasium: Afghanistan, Syrien, Ukraine und jetzt Gaza und Israel. „Mehr Gebiete, mehr Soldaten, mehr Tod, mehr Leid“, er habe das Gefühl, „dass alles immer näherkommt“. Der junge Mann berichtete von einer Ferienfreizeit mit Kindern aus der Ukraine und davon, was diese Kinder mitgemacht hatten. Und trotzdem habe er sie in dieser Zeit so oft lachen sehen. „Meine Generation ist wieder einmal die, die ihre eigene Zukunft retten muss“, bat Kai Kronberg, all die Fehler, die schon gemacht wurden, unter keinen Umständen zu wiederholen. Er müsse feststellen, dass wieder mehr und mehr Antisemitismus auftauche, dass wieder gegen Juden gehetzt werde, plädierte er für das Handeln: Niemand sollte in Angst leben oder sich verstecken müssen, weil andere ihn seines Glaubens wegen verfolgten.

Bürgermeister Matthias Steffan und die Ehrenvorsitzende des Ortsverbands Schwetzingen im Sozialverband Deutschland, Gerda Schilling, legten die Kränze am Mahnmal für die Toten der Kriege nieder. © Widdrat

„Noch sind wir nicht verloren, noch können wir etwas bewirken und uns für eine Welt des Friedens und der Freiheit einsetzen“, so sein hoffnungsvolles Plädoyer. Erster Bürgermeister Matthias Steffan sprach Worte des Gedenkens. Die Kriege des 20. Jahrhunderts hätten Millionen von Opfern gefordert, unsere Vorstellungskraft versage angesichts dieser Zahlen. Die Gedanken gingen an diejenigen, die aus den beiden Weltkriegen nicht mehr nach Hause kamen. Durch den völkerrechtswidrigen und durch nichts zu rechtfertigenden Angriff Russlands auf die Ukraine sei die europäische Friedensordnung tief erschüttert, gar zerstört worden. Steffan erinnerte an den Besuch von 18 Kindern und Jugendlichen aus der ukrainischen Stadt Kozelets im vergangenen Sommer, „bei dem uns das Herz ganz schwer wurde, wenn man in die Gesichter dieser jungen Menschen schaute, die einfach nur mit einer Kindheit aufwachsen wollen, die Spaß und Freunde kennt und sich als gute Erinnerung im späteren Leben wiederfindet“.

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Mit dem Leid und dem Tod in der Ukraine „werden die traumatischen Kindheitserinnerungen unserer Eltern und Großeltern wieder schreckliche Realität“. Auch der 7. Oktober, ein Tag, an dem durch den grausamen Überfall der Hamas-Terroristen das Grauen in das Leben der Menschen in Israel einbrach, habe sich tief in unser aller Gedächtnis eingebrannt, meinte Steffan. Er teile die Worte von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, wonach der Schutz jüdischen Lebens „unsere gemeinsame Staatsaufgabe ist, aber damit nicht nur Aufgabe des Staates, sondern es ist auch und gerade unsere Bürgerpflicht. „Unrecht bleibt Unrecht, Gewalt bleibt Gewalt, ganz gleich wie man sie weltanschaulich zu begründen sucht“, plädierte der Bürgermeister dafür, dennoch der Hoffnung in unserem Leben Raum zu geben: „Wir müssen erkennen, die Bereitschaft und der Wille zur Zusammenarbeit, zum guten Zusammenleben, zu unseren gemeinsamen Werten in einer freiheitlichen Demokratie, zu Solidarität und Toleranz sind unverzichtbar für den Frieden zwischen den Menschen in unserer Stadt, in unserem Land, in Europa und darüber hinaus.“ Steffan dankte der langjährigen Ortsbeauftragten des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Sabine Englert. Die Reservistenkameradschaft Schwetzingen-Hockenheim konnte dieses Mal bei der Gedenkstunde nicht dabei sein. Die Kameraden trauern um ihren stellvertretenden Vorsitzenden Thilo Füssenich, der unerwartet plötzlich verstorben ist.

Volkstrauertag in Schwetzingen: „Hoffnung auf Versöhnung“

Das Lied „O Haupt voll Blut und Wunden“ beendete das Gedenken in der Kapelle. Anschließend wurden an den Denkmalen für die in den Kriegen gefallenen Soldaten Kränze niedergelegt. Der Musikverein Stadtkapelle spielte das Lied vom „guten Kameraden“, das Ludwig Uhland während der Befreiungskriege gegen Napoleon geschrieben hat, als Sabine Englert und Bürgermeister Matthias Steffan die Kranzniederlegung zum Andenken an die Toten der Weltkriege vornahmen. „Unsere Toten mahnen“ steht auf dem Denkmal, an dem Steffan mit der Ehrenvorsitzenden des Ortsverbands Schwetzingen im Sozialverband Deutschland (SoVD), Gerda Schilling, Kränze niederlegten.

Die Besucher gedachten der Opfer von Gewalt und Krieg, der Soldaten, die in den Weltkriegen starben, der Vertriebenen und Flüchtlinge, die ihr Leben verloren, derer, die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten oder Teil einer Minderheit waren, der Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung, von Hass und Gewalt, von Extremismus, Antisemitismus und Rassismus. „Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern, und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt“, hatte Bürgermeister Steffan seine Ansprache in der Kapelle geschlossen. Die deutsche Nationalhymne beendete die Feierstunde an den Ehrenmalen auf dem Friedhof.

Freier Autor Volker Widdrat ist freier Mitarbeiter.

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