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Warum Schwetzingen das Rothacker’sche Haus aufgibt

Aller Voraussicht nach wird das Projekt Rothacker’sches Haus am Mittwochabend vom Schwetzinger Gemeinderat beerdigt. Wir erklären die Hintergründe.

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Andreas Lin
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Das Rothacker'sche Haus ist bald Geschichte - genauso wie die Tafel davor. © Andeas Lin

Schwetzingen. Aller Voraussicht nach wird das Projekt Rothacker’sches Haus am Mittwochabend vom Schwetzinger Gemeinderat beerdigt. Die Sanierung des traditionsreichen Gebäudes am Alten Messplatz und der Umbau zum Museum ist dann vom Tisch. Stattdessen sollen dort seniorengerechte Wohnungen entstehen. Wir erklären die Hintergründe.

Mit dem Rothacker’schen Haus wird nach der Brücke zum Neubaugebiet „Schwetzinger Höfe“ schon das zweite Millionenprojekt gekippt. Warum kommt es zu dieser Entscheidung?

„Die Brücke war ein enormes Kostenrisiko“, verdeutlicht der OB. Grund war vor allem die fehlende Verlängerung des Bewilligungszeitraums der Förderung durch den Bund, aber auch die enorme Kostensteigerung im Baubereich. Gleiches gilt auch für das Rothacker’sche Haus. „Wir hatten schon im Keller enorme Kostenüberschreitungen, das hätte sich fortgesetzt. Hinzu kommt, dass die Stadt nach dem Neuen Kommunalen Haushaltsrecht alle Gebäude abschreiben muss. Und wir müssen die Tilgung der Abschreibungen erwirtschaften“, erklärt Matthias Steffan. „Die Umsetzung dieser beiden Projekte hätten dazu geführt, dass wir jeglichen finanziellen Spielraum verloren hätten.“ Deshalb müsse die Stadt das Thema Rothacker’sches Haus „schweren Herzens“ beerdigen.

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Rothacker‘sches Haus in Schwetzingen soll Seniorenwohnen weichen

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Was hat die Stadt bislang in dieses Projekt investiert?

Rund zwei Millionen Euro – für Planungen, Gutachten und Untersuchungen.

Das Rothacker’sche Haus soll nun abgerissen werden, um Platz für eine Seniorenwohnanlage zu machen. Wie ist es da mit dem Denkmalschutz?

Ein unter Denkmalschutz stehendes sanierungsbedürftiges Gebäude darf abgerissen werden, wenn die Kosten der Sanierung nicht durch seine Nutzung erwirtschaftet werden können, heißt es in den einschlägigen Fachportalen. Das heißt, wenn dem Inhaber – wie in diesem Fall in Schwetzingen – eine Sanierung nicht zugemutet werden kann.

Die Architekten waren auch für den Umbau der ehemaligen Hof-Apotheke beauftragt. Wie geht es da weiter?

Die Zusammenarbeit mit den Architekten soll komplett beendet werden. In der Hof-Apotheke gehe es aber weiter, erklärt OB Steffan. Der Umbau zu Verwaltungsräumen und einem Domizil für das städtische Generationenbüro werde hausintern im Bauamt weitergeführt – allerdings in etwas abgespeckter Form: Das Dachgeschoss wird nicht ausgebaut.

Wie steht es überhaupt um die städtischen Finanzen?

„Ich hätte vor einem Jahr nicht erwartet, dass sich unsere Finanzen so entwickeln“, erklärt Oberbürgermeister Matthias Steffan und sagt klar: „Diese Entwicklung ist besorgniserregend.“ Aktuell sei die Stadt zwar schuldenfrei, aber die Rahmenbedingungen und die Perspektiven lassen düstere Szenarien befürchten. „Wir haben geglaubt, dass wir 2025 bei der Gewerbesteuer besser abschneiden“, gibt Steffan zu. Auch für nächstes Jahr sieht er keine Steigerung. Im Haushalt 2026 werde das Defizit größer. „Wir müssen an die Rücklagen ran, um unsere Aufgaben zu bewältigen. 2026 wird eines der schlechtesten Jahre der Stadt.“

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Geht es auch anderen Kommunen so?

Ja. Steffen Jäger, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg, hat als Stimme von 1.065 Städten und Gemeinden am Montag einen Brandbrief verfasst, in dem er auf den Ernst der Lage hinweist. Einerseits sei da der Krieg in der Ukraine, der verdeutliche: Frieden in Europa ist keine Selbstverständlichkeit. „Gleichzeitig verschieben sich globale Machtverhältnisse. Die USA distanzieren sich – wirtschaftlich und sicherheitspolitisch. Wir können uns nicht mehr darauf verlassen, dass andere unsere Verteidigung übernehmen“, sagt Jäger.

Durch zwei Jahre Rezession, Standortverlagerungen und wachsenden internationalen Wettbewerbsdruck habe die deutsche Volkswirtschaft an Schwung verloren. „Wirtschaftliche Stärke ist aber das Fundament für das, was unser Gemeinwesen ausmacht: ein funktionierender Sozialstaat, ein handlungsfähiger Rechtsstaat, eine lebendige Demokratie“, sagt Jäger. Diese Demokratie lebe in den Städten und Gemeinden. Der Präsident warnt: „Daseinsvorsorge und das gesellschaftliche Zusammenleben sind ohne handlungsfähige Kommunen nicht möglich.“ Die Kommunalfinanzen seien in einer solch dramatischen Schieflage, dass bereits die Erfüllung der Pflichtaufgaben kaum mehr möglich sei.

Was schlägt der Präsident des Gemeindetags vor?

Steffen Jäger sagt: „Wir brauchen eine ehrliche, gesamtstaatliche Reform. Das heißt: weniger Einzelfallgerechtigkeit und mehr Eigenverantwortung. Wir brauchen eine Aufgaben- und Standardkritik, die den Mut hat, Prioritäten zu setzen. Und wir brauchen die Bereitschaft, neu zu fragen: Was kann und muss der Staat leisten – und was kann er nicht mehr leisten, ohne sich selbst zu überfordern?“ 93 Prozent der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Baden-Württemberg würden eine konsequente Reform in diesem Sinne fordern.

Redaktion Stv. Redaktionsleiter + Lokalsportchef Schwetzinger Zeitung

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