Schlossrestaurant

Weinheimer Krimiautorin Ingrid Noll will auf Morde verzichten

Der erste Novembersonntag legte eine feuchte Kälte über den Schwetzinger Schlossgarten, die ihre kühlen Schleifen um die Ohren des einströmenden Publikums band.

Von 
Bojan Basson
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Autorin Ingrid Noll ist im Schwetzingen Schloss zu Besuch, um aus ihrem neuen Kriminalroman „Tea-Time“ zu lesen. Die Zuhörer sind begeistert. © Lenhardt

Schwetzingen. Der erste Novembersonntag legte eine feuchte Kälte über den Schwetzinger Schlossgarten, die ihre kühlen Schleifen um die Ohren des einströmenden Publikums band. Alle wollten in die warme Stube und dem literarischen Charme der Weinheimer „Lady of Crime“, Ingrid Noll, lauschen, die ihren neuen Roman „Tea-Time“ ladylike vorstellte.

Durch die Seitentür betrat die Krimiautorin den Saal des Schlossrestaurants „Theodors“ und wünschte, ihren Tee „lieber im Versteck hinten“ zu sich nehmen zu dürfen. Buchhändler Cornelius Kieser reihte „ihren literarischen Diogenes“, dem niemand aus der Sonne gehen muss, auf dem Büchertisch auf. Sie sei laut Spiegel Deutschlands bekannteste Krimiautorin und mache Literatur gekonnt sowie auch berührend authentisch zur „Unterhaltung mit Anspruch“, zitierte er den SWR.

Sie fühle sich, wie die Queen von England, wenn sie hier, im „Theodors“-Restaurant von Schloss Schwetzingen vorlesen dürfe, betonte Noll selbst. Ein Areal, das bereits in ihrem Kriminalroman „Lady-Like“ zum Inhalt wurde. In ihren Romanen lasse sie eigentlich immer Frauen in Abfolge leitmotivisch die Männer umbringen. Wer von uns sagte oder dachte nicht schon oft genug aus dem Affekt, einen lästigen Zeitgenossen „Adieu“ zu schicken?

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Die authentischen Schrullen und Macken sind das Liebenswürdige an Nolls Figuren. Das Böse ist nicht immer nur böse. Ambivalent wie Mörder sind, haben sie für ihre Taten gute Gründe. Diese Gründe sind in Nolls Kriminalromanen viel wichtiger als die Morde selbst. Dazu führt die Weinheimerin im persönlichen Nachgespräch aus, dass Frauen hier viel subtiler und dosierter, also kalkulierter vorgehen, daher viel im Verborgenen bliebe und sein dürfte, was sie verursachen.

Ein kriminalpsychiatrisches Augenzwinkern der Grande Dame des deutschen Kriminalromans und dies mit respektabler Objektivität, war das. In ihrem nächsten, schon geplanten Roman überlegt sie – sie spricht von Altersmilde oder war es doch eine Erschütterung unserer Tage und Monate? – die Morde zurückzufahren und durch andere Kriminaltaten zu ersetzen.

Knabbergebäck versüßt die Tat

Das Publikum, in großen Teilen aus der Generation der Autorin, bekam Kaffee und Knabbergebäck, die die literarischen Lustgeister nicht erst über den Gaumen wecken mussten. Nolls 83-jährige Namensvetterin aus Schwetzingen kennt die Werke „Die Apothekerin“, „Der Hahn ist tot“ und „Kalt ist der Abendhauch“. Noll schilderte erfreut und sentimental, dass viele ihrer Leser den Hahn in Form eines Subjekts in Weinheim suchten und sie lachte herzlich, dass er aus Ladenburg gewesen sei. Zuhörerin Ingrid findet es schön, dass Ironie sich mit zynischen Momenten abwechselt, ohne eine Routine zu generieren. Liebe sei oft auch im innersten Versteck der Noll-Figuren zu entdecken und das immer witzig. Noll baut auch in ihrem jüngsten Oeuvre „Tea-Time“ die Kunst des Spannungsbogens über einen langen Weg auf, wenngleich den Figuren die spontane Würze, der frech-lebendige Wortwechsel oder eine erheiternde Sackgasse mit offenen, ratlos starrenden Augenblicken der andockenden, witzigen Tiefe häufig fehlt. Das Vorlesen der gereiften Literatin war bewundernswert flüssig, lebendig und sicher.

Ergriffen wollte das Publikum mehr von Noll und ihrem Schaffensdrang erfahren, ja ihn beinahe miterleben. Wie sie auf die Idee einer oder der Figuren käme, beantwortete sie mit der Aussage, dass jeder Mensch so bezeichnete Spleens habe. Oder, wie es ihr im Deutschunterricht ergangen sei, den Noll als Rettung ihrer Schuljahre gegenüber den naturwissenschaftlichen Fächern darstellte. Gerne habe sie ihren Mitschülern beim Aufsatz geholfen und dafür fünf Mark bekommen. Der Lohn war Lachen im Publikum.

Begeistert erzählte die Organisatorin Gundula Sprenger der Lesung, dass die Karten für diesen besonderen Nachmittag nach zwei Wochen ausverkauft waren. Vom ersten Roman „Der Hahn ist tot“ aus dem Jahr 1991 an habe sie alle Werke geradeszu verschlungen. Und sie führte mit leuchtenden Augen aus, dass die Romane von Ingrid Noll in 27 Sprachen übersetzt und durch weitere Kurzprosa sowie Filme ergänzt zu einem stolzen Lebenswerk geworden seien.

Ein Keller voller Leichen

Eine Zuhörerin lachte zuerst herzlich los und fasste dann doch ihren ganzen Mut zu einer gekonnt ironischen Frage zusammen: Ob Noll eigentlich Gäste einlade und diese Gäste ihre Kräuteressenzen mitgenießen könnten. Eine zurückhaltend wogende Welle des Lachens wippte durch die aufgestellten Kaffeetische. Sie habe nie Gäste, sagte Ingrid Noll mit einem Augenzwinkern, weil sie einfach Angst hätten, zu Besuch zu kommen. Und außerdem habe sie den Keller voller Leichen, ergänzte Noll mit einem berührend herzlichen Lachen.

Info: „Tea-Time“ ist erschienen im Diogenes-Verlag mit der ISBN 978-325-707-214-3, gebunden, 320 Seiten, 25 Euro, und beim regionalen Buchhandel erhältlich.

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