Schwetzingen. Die Entscheidung fiel auf dem Heimweg vom Bundesparteitag in Augsburg im November. Werner Zieger wollte nicht länger in der Partei Die Linke bleiben. Acht Jahre lang war der 60-jährige Schwetzinger Bundesdelegierter gewesen. Anfang Dezember trat er nach über 14 Jahren Mitgliedschaft aus. „Ohne Groll oder Wut, aber mit großer Enttäuschung“, sagt Zieger, der seine Entscheidung in der letzten Gemeinderatssitzung des Jahres auch öffentlich bekanntgab. Wir haben bei dem Stadtrat nachgefragt, wie es zu seinem Abschied von der Partei gekommen ist.
Das Verhalten einiger Linken-Politiker in Augsburg habe das Fass zum Überlaufen gebracht. Eigentlich sei der Entschluss aber überfällig gewesen, spätestens seit dem ARD-Sommerinterview mit Parteichefin Janine Wissler im Juli, als die damals einen Neustart für die Linke verlangt hatte. Wisslers Forderung, die Kommunen bei der Aufnahme von Geflüchteten mit mehr finanziellen Mitteln zu unterstützen, könne er so nicht folgen: „Mehr Geld würde die Situation für Geflüchtete nicht verbessern, dann hätten wir immer noch Fachkräftemangel. Geld baut auch keine bezahlbaren Wohnungen.“ Die Linke habe sich in den vergangenen Jahren in eine Richtung entwickelt, die er so nicht mehr mitgehen könne.
Werner Zieger aus Schwetingen tritt bei der Linken aus: Enttäuschung pur
„Gut, dass es Youtube gibt“, meint der 60-Jährige, dessen Frau Marion mit ihm aus der Partei ausgetreten ist, und zeigt einige Videos vom „klaren Nachtreten gegen Sahra Wagenknecht“, etwa durch den Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch, beim Parteitag in Augsburg.
Überhaupt nicht einverstanden sei er auch mit dem dort verabschiedeten Europawahlprogramm und den Auftritten des Bundesvorsitzenden Martin Schirdewan und von Carola Rackete. Letztere habe der Linken schon mit ihrem Interview mit der „Zeit“ geschadet, als sie eine Neuorientierung der Partei gefordert habe. Dabei sei sie als Spitzenkandidatin für das Europaparlament gar kein Mitglied. Außerdem sei ihm sauer aufgestoßen, wie manche Delegierte in Augsburg mit einem Delegierten mit multipler Behinderung umgegangen sei. „Das sind Vorkommnisse, die ich so nicht akzeptieren kann“, wirft der 60-Jährige seiner Ex-Partei vor, sich immer weiter vom Erfurter Programm von 2011 entfernt zu haben. Er habe die Linke „immer hochgehalten, bin für diese Politik eingestanden und habe mich dafür beschimpfen lassen“, erinnert Zieger an den Bundestagswahlkampf 2017 für das Direktmandat im Wahlkreis Bruchsal-Schwetzingen, als er von der Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht bei ihrer Rede vor dem Lutherhaus unterstützt worden war. Der Austritt der 54-Jährigen sei eine „logische Konsequenz“ gewesen. Das Programm ihres Vereins als Vorbereitung für die Gründung einer neuen politischen Partei müsse er sich noch genauer anschauen, mit den vier Kernthesen könne er sich aber anfreunden.
Die Aktion „Kaffee & Tee“ in der Bahnhofsanlage vor dem „Kaufland“ in Schwetzingen gehe weiter auch ohne Parteimitgliedschaft, versichert er. Das inklusive und soziale Projekt bleibe ihm wichtig, sagt der nunmehr parteilose Gemeinderat, der nach seiner Krebserkrankung in Rente ist.
Zieger ist Sprecher des Inklusionsbeirats des Rhein-Neckar-Kreises, der regelmäßig konkrete Empfehlungen und Hinweise an Kommunen gibt. Auch als beratendes Mitglied des neuen Inklusionsbeirats der Stadt Schwetzingen bleibt der ehemalige Linke inklusiv und sozial engagiert.
Unterschriften werden gesammelt
Bei den Kommunalwahlen im kommenden Jahr will Zieger für eine neue Gruppierung mit dem Namen „ISS – Inklusiv und Sozial für Schwetzingen“ antreten. Nach der erforderlichen Unterschriftensammlung soll im Februar das Wahlprogramm der neuen Vereinigung präsentiert werden, verspricht der Stadtrat, auch nach seinem Austritt bei der Linken an seinen bisherigen politischen und gesellschaftlichen Überzeugungen festhalten zu wollen.
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