Schwetzingen. Kopfschütteln beim Orgateam um Joe Seidel: Da steht die Palette mit der Messeabfüllung seit zwölf Tagen im Zolllager in Düsseldorf und durfte bis zum gestrigen Messebeginn nicht raus. Schuld war ein Etikett, das zwar mitgeliefert aber nicht aufgeklebt worden war und die neuen Vorschriften aufgrund des Brexits. Und dann weht auch noch eine Windbö fünf der wertvollen Sonnenschirme kaputt. Aber dann ist es endlich soweit. Joe Seidel begrüßt am frühen Freitagabend seine 40 Aussteller und jetzt kann die Whisky Spring beginnen.
Schon sind die ersten Fans zu sehen, nehmen ihr Nosing Glas entgegen und sind auf dem Weg zu ihren Lieblingsständen. So auch eine fünfköpfige muntere Truppe aus Zweibrücken, die sich gleich mit einem Whisky-Urgestein herzen. Andy Mc Neill schenkt auch gleich mal einen Starter von der Speyside ein – schließlich ist der Abend noch jung und die Sonne brennt aufs Haupt.
Bei rund 1200 verschiedenen Abfüllungen, die hier zum Probieren bereitstehen, empfiehlt es sich, Entscheidungen zu treffen. Wir haben mal nach den kleinen Fässchen geschaut, die einige Aussteller dabei haben – denn die sind immer ein Tipp für Ungewöhnliches. Björn Bertram von Thousand Montains aus dem Sauerland kann die Schritte zeigen, die sein Whisky vom Bordeaux-Fass über das Bourbon-Refill in ein 30-Liter-Portweinfässchen gemacht hat, wo er nun seit dem 12. Dezember letzten Jahres nachreifen darf. Glutrot, schlierig im Glas und mit 58 Prozent erst etwas scharf am Gaumen und dann unglaublich mild im Abgang. Wer will, darf sich selbst ein kleines oder größeres Fläschchen abfüllen, selbst etikettieren und mit nach Hause nehmen – oder einfach mal probieren.
Bald mit eigener Brennblase?
Überhaupt sind Finishs (die Nachlagerung eigentlich reifer Whiskys in einem besonderen Fass) in Weinfässern schwer im Kommen. Und da muss man manchmal auch Glück haben – wie der Schwetzinger Händler Wolfgang Falke. Er hat die große Pipette im Einsatz und da stehen ein Rotwein- und ein Weißweinfass eines Brenners aus Kraichtal, der sein Hobby aufgegeben hat und ihm seine Fässer verkauft hat. Die füllt er nun in Halbliterflaschen mit seinem Falken auf dem Etikett ab und verkauft sie für 69 Euro. Probieren lohnt sich. Neun Jahre lag er im Weinfass, holte sich dann im Maulbeerbaumfass in ein paar Wochen seine milde, fast cremige Note – interessant. Übrigens verriet Falke, dass er vielleicht zusammen mit einem hiesigen Brauer demnächst selbst brennen möchte.
Immer für ’ne Überraschung gut ist Jens Heiler von Whisky Mobil aus Mühlhausen bei Bruchsal. Er zapft eine Fasstärke aus einem roten Süßweinfässchen und hat aber auch was für echte Männer: Einen Peated Islay mit 61 Umdrehungen, der zuletzt in einem Weizenbier-Doppelbock-Fass ruhen durfte – wahrlich eine Rarität. Gregor Nacke von Cadenheads hat ein Islay-Fass mitgebracht – ein echter Torfgigant.
Aber das gute Zeug muss nicht direkt aus dem Fass kommen. Da ist auch viel Neues in Flaschen zu haben. Gestern erst war Verkaufsstart für „Gosbert“. Den hat die fränkische Destillerie St. Kilian nach dem gleichnamigen Würzburger Herzog benannt. Grad drei Jahre reifte er im Weißwein-Fass und hat schon so fruchtig-milde Noten. Interessant auch, dass er von Zoltan Fodi gemacht wurde, der aus der Schwetzinger Partnerstadt Pápa stammt und so jetzt endlich mal nach Schwetzingen gekommen ist. Sprechen Sie ihn ruhig an, wenn Sie Pápa kennen. Interessant ist auch am Stand von Peter Bockhoff aus Maikammer (Firma Eller) ein Bodensee-Whisky der Firma Steinhäuser aus Kressbronn, der in einem Cognacfass reifen durfte.
Immer einen guten Tropfen am Start hat der Raritätenstand von Udo Hertlein. Ich kann da nur den zehnjährigen Mannochmore empfehlen, den es nur noch bei ihm gibt. Eine Fasstärke mit 61,3 Prozent, der einen mit drei Noten überrascht, wenn man ihm ganz langsam über die Zunge ölen lässt. Und weil ja die offizielle Messeabfüllung im Zolllager schmort, dürften Michael Lelle und Jens Owczarek mit ihren Messeangeboten Erfolg haben: Ein sehr leckerer 15-jähriger Secret Speyside, der aus der Macallan-Brennblase stammen dürfte. Und ein 25-jähriger Glenrothes – sehr dunkel und in Fassstärke.
Bleibt das Umfeld: Erstmals vor Ort ist die Glasbläserfamilie Tappert aus Gehren in Thüringen, die wahre Meisterwerke fertigt – und gar nicht so teuer. Übrigens gibt’s Samstag und Sonntag noch zahlreiche Tagestickets.
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