Speyer. Das Wort „Habibi“ kommt aus dem Arabischen und bedeutet so viel wie „mein Schatz“. „Habibi“ ist auch der neue Name des Kiosks am Eselsdamm, Ecke Grüner Winkel. Für Amaar Habib, den neuen Pächter im Kiosk-Rondell ist dieser Name Hoffnungszeichen für einen Neuanfang und gleichzeitig ein schönes Wortspiel mit dem eigenen Namen „Habib“. Das Glück geht manchmal verschlungene Wege.
Seit Ende Mai wird der Kiosk wieder bewirtschaftet, nachdem er längere Zeit geschlossen war. Freunde der arabischen Küche können dort einen Sharwarma-Teller bestellen, der sich geschmacklich vom türkischen Döner-Teller unterscheidet. Verlockend sind auch die Falafel-Sandwiches, die Sambousek-Teigtaschen, Baba Ghanoush, ein Auberginen-Püree mit Paprika, Petersilie, Tomaten, Granatapfel und Zitrone – oder der beliebte Taboulé-Salat. Natürlich kommen auch die spielenden Kinder auf dem Abenteuerspielplatz am Eselsdamm bei „Habibi“ auf ihre Kosten: Ein Nuggets-Teller mit Pommes oder das Angebot an Eis und Softgetränken gehen bei den derzeitigen sommerlichen Temperaturen schnell über die Theke. Da kleinere Kinder in der Regel mit ihren Eltern zum Spielplatz kommen, versorgen auch diese sich gerne bei Habibi mit Getränken und arabischen Häppchen.
Amaar Habib (33), der neue Betreiber am Eselsdamm, hat einen langen Weg zurückgelegt: Er kommt ursprünglich aus der kleinen Stadt Darayya in der Nähe von Damaskus. Während des Bürgerkriegs in Syrien stellten sich Teile der Stadt früh gegen Präsident Baschar al-Assad und schlossen sich den Rebellen an. Die Stadt war mehrfach Schauplatz von heftigen Gefechten. Aus politischen Gründen musste seine Familie Anfang 2013 die eigene Heimat verlassen. Er hat mit Eltern und Geschwistern zunächst im Libanon Zuflucht gefunden. Später ist er mit einem seiner Brüder nach Algerien geflohen und hat dort als Maurer gearbeitet. Über Marokko und die dortige spanische Enklave „Melilla“ hat er auf einem Flüchtlingsboot das spanische Festland erreicht.
Erwachsener und offener geworden
Die Erfahrung der Flucht nach Europa war für ihn eine harte Zeit voller Spannungen, Stress, Angst und Ungewissheit. Er erwähnt aber auch gute Begegnungen mit hilfsbereiten Menschen und neuen Freundschaften, die er in dieser Zeit schließen konnte. Die Reise habe sein Leben völlig verändert; er sei trotz äußerst widriger Umstände „erwachsener und gleichzeitig offener geworden“.
Im Februar 2016 kam er nach Deutschland und hat hier einen Asylantrag gestellt. Über Einrichtungen in Saarbrücken und Hermeskeil kam er zur Aufnahmestelle für Asylbewerber nach Speyer (AfA), die damals noch vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) gemanagt wurde. In der AfA hat er ehrenamtlich als Hausmeister und in der Kleiderkammer geholfen, sich später als Dolmetscher vom Arabischen ins Englische einen guten Namen gemacht.
Dankbar erwähnt Habib die große Unterstützung von Speyerer Ehrenamtlern, die ihn später auch bei der Wohnungssuche und der Suche nach einer geeigneten Lehrstelle unterstützt hätten. Bei der Firma Von der Heydt hat er eine Ausbildung als Groß- und Außenhandelskaufmann abgeschlossen und mittlerweile eine feste Anstellung bei „Glas-Mayer“ in Ludwigshafen gefunden. Das Thema „Buchhaltung“ war ihm schon von seinem Wirtschaftsstudium in Syrien vertraut, das er aufgrund der Wirren des syrischen Bürgerkrieges nicht abschließen konnte.
In der Domstadt hat er im März seinen deutschen Pass erhalten. Voller Stolz spricht er von der Einbürgerungszeremonie im Historischen Rathaus. Habib fühlt sich mittlerweile als Speyerer. „Ich liebe diese Stadt“, kommt es spontan über seine Lippen. Er habe hier alles, was er brauche, sagt er: Eine kompakte und überschaubare kleine Stadt mit vielen Aktivitäten und Festen – das Altstadtfest und das Brezelfest findet er besonders attraktiv. Er hat eine Wohnung und eine feste Arbeitsstelle in Ludwigshafen. Am Abend und am Wochenende steht er im Kiosk und verkauft arabische Köstlichkeiten. Seinen Bruder Sareh hat es zunächst nach Belgien verschlagen, aber auch er ist mittlerweile häufiger in Speyer und steht regelmäßig im Kiosk am Eselsdamm. Habib freut sich über diese kleine Familienzusammenführung mit dem Bruder.
Besuche in seiner alten Heimat in Syrien seien derzeit nicht möglich, sagt er auf Nachfrage. Er erzählt von Bekannten aus Darayya, die nach der Wiedereinreise in Syrien sofort verhaftet wurden und in Gefängnissen verschwunden oder gar ermordet worden seien. Seine Heimatstadt sei mittlerweile fast vollständig zerstört – einschließlich des eigenen Elternhauses. Eine Rückkehr sei undenkbar.
Traum vom eigenen Restaurant
Kochen und Backen sind nach wie vor Amaar Habibs Leidenschaften. Irgendwann will er sein eigenes Restaurant mit arabischen Speisen eröffnen. Mit dem Kiosk kann er erste Erfahrungen sammeln, bevor er den vollständigen Sprung in die Selbständigkeit wagt. Er will auch noch intensiver für den Kiosk am Eselsdamm werben. Er weiß, dass das neue Angebot mit arabischen Speisen noch nicht richtig bekannt ist, da der Kiosk lange geschlossen war. Geöffnet ist derzeit täglich von 11 bis 22 Uhr, auch am Wochenende. Ein Lieferservice mit dem Rad ab einem Bestellwert von 15 Euro wird ebenfalls angeboten unter Telefon 0157/36 12 20 92.
Das markante Kiosk-Gebäude im Besitz der Stadt Speyer wurde 1930 zunächst als Trafostation errichtet, in den Jahrzehnten nach dem Krieg aber nicht mehr in dieser Funktion benötigt. Das hübsche Rondell in Klinkerbauweise wurde dann 1985 zu einem Kiosk mit dreiteiligen Verkaufsfenster umgebaut. In der Betriebserlaubnis vom Juni 1985 genehmigte die Stadt dem ersten Pächter den Verkauf von „Getränken, Süßwaren, Zeitungen, Rauchwaren und Backwaren“.
Zum Umbau der Trafostation wurde damals sogar eigens eine Anwohnerbefragung durchgeführt. Von 22 abgegebenen Antworten aus der Nachbarschaft stimmten nur acht gegen den Umbau der ehemaligen Trafostation. Eine gute Entscheidung für den Kiosk auch aus heutiger Sicht!
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