Benefizlesung

Die Domglocke als düsterer Todesbote - Krimilesung in Speyer

Autor Uwe Ittensohn stellt im ausverkauften Kaisersaal seine Kurzgeschichte „Domkaninchen“ vor. Der Dombauverein freut sich über einen Erlös von 2000 Euro.

Von 
Nikolaus Meyer
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Lesung im Kaisersaal: Autor Uwe Ittensohn und Moderatorin Constanze Gröger unterhalten rund 120 Zuhörer. © Nikolaus Meyer

Speyer. Nach dem erfolgreichen Auftakt 2022 hat der Dombauverein Speyer am Freitag erneut eine Autorenlesung im Kaisersaal des Domes veranstaltet. Wie die Premiere vor drei Jahren war die Lesung mit dem Speyerer Krimiautor Uwe Ittensohn ausverkauft. Obwohl 90 Stufen zum Veranstaltungsort zu bewältigen waren und der Eintritt 16 Euro kostete, reichte die vorhandene Bestuhlung gerade so aus, um allen Besuchern Platz zu bieten. Mit 120 Sitzplätzen war die verfügbare Kapazität vollständig ausgereizt.

Das freute auch den Vorsitzenden des Dombauvereins, Professor Dr. Gottfried Jung. Der ehrenamtlich engagierte Vorsitzende wies in seiner Begrüßung darauf hin, dass die Einnahmen ohne Abzug dem Domkapitel für den Erhalt des Domes gespendet würden. Der Bauunterhalt des Gotteshauses verschlinge jährlich rund eine Million Euro, betonte Jung. Im Ergebnis können sich die Domherren über einen Erlös aus Eintrittsgeldern und Bücherverkauf in Höhe von knapp 2000 Euro freuen.

Dem Andrang wurde der rhetorisch versierte Autor einmal mehr gerecht. Und so geriet die von der Kultur- und Weinbotschafterin Eva-Constanze Gröger kurzweilig und charmant moderierte Benefizlesung zum erwarteten Hörerlebnis. Die vordergründig harmlos klingende Kurzgeschichte „Domkaninchen“ hatte es jedoch faustdick hinter den Ohren. Das ließ sich bereits vom Untertitel „Unheimliche Umtriebe im Dom“ ableiten. Ittensohn hat die Domkaninchen als Speyerer Beitrag für die Anthologie „Arsen und Spargelspitzen“ geschrieben. Dabei handelt es sich um ein spezielles Rezeptbuch für den gepflegten Mord, das bei der Criminale im April 2025 in Schwetzingen vorgestellt wurde. Bei der Criminale handelt es sich um das größte Krimi-Branchentreffen in Europa.

Die Spannung steigt bei der Lesung im Minutentakt

Bei der honorarfreien Lesung stieg die Spannung quasi im Minutentakt. Los geht es in der Osternacht um 0 Uhr, als der normalerweise Gelassenheit und Erhabenheit ausstrahlende Domkustos Dr. Sebastian Cornelius mit einer unverhofften Gefühlswende konfrontiert wird. Danach entwickelt sich die Handlung sukzessive in Richtung eines Kriminalfalles, wobei die Last der Ungewissheit und Verantwortung immer schwerer auf den Schultern von Cornelius lastet.

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Kaum in den Schlaf gefunden, schrecken ihn untypische Misstöne des mächtigen Domgeläutes auf. Das ruft sofort den Domtechniker Alois Körner auf den Plan. Beim Geläut werden sie Zeugen eines grausigen Schauspiels, das für die Misstöne verantwortlich ist. Zwischen der Kaiserglocke und einer hölzernen Quertraverse des Glockenstuhls liegt seltsam verrenkt ein menschlicher Körper. Der Unterarm des Unglücklichen – oder besser das, was davon übrig ist – klemmt zwischen Glockenrand und Schlaghammer. Ärmel, Gewebefetzen und Knochenreste dämpfen den ersten Schlag.

Von der Krypta bis zum Dachstuhl fließen viele architektonische Details ein

Wie er dort hinkam, wird in spannungsgeladenen Rückblicken mit komplexen Zeitabläufen erzählt, die die Zuhörer von der Krypta bis zum Dachstuhl mit vielen architektonischen Details des Domes vertraut machten. So stellen Domkustos und Domtechniker auf dem Weg zum Ort des Problemfalls erleichtert fest, dass die Kaisergräber unversehrt sind. Aber es war auch ein Ort, aus dem der später hoch oben tot Aufgefundene von panischer Angst getrieben das Weite gesucht hatte. Ihn hatte es, – so die erste Einschätzung des Domkustos – wohl nach der Ausbeute der Kollekte gedürstet, die eigentlich am Ostersonntag vom Sakristan abgeholt werden sollte.

Krimivergnügen unter Schaudolph-Fresken: Der Kaisersaal über der Vorhalle des Doms bietet eine besondere Lesungsatmosphäre. © Nikolaus Meyer

Was der Tote tatsächlich im Glockenstuhl wollte, wird jedoch klar, als bei der Überprüfung der Alarmanlage Künstliche Intelligenz ins Spiel kommt, die Handlung quasi neu geflochten wird. Dabei macht der inzwischen hinzugekommene Sicherheitschef des Domes keinen guten Eindruck. Als man beim ungewollt Verstorbenen auch noch den Schlüssel zur Sakristei findet, fügt sich für Domkustos Cornelius alles wie ein Puzzle zusammen. Der Domherr empört zum Sicherheitsmann: „Deshalb waren Sie so schnell hier. Sie haben diese arme Seele benutzt, um Ihre Künstliche Intelligenz zu testen – er war Ihr Versuchskaninchen!“

Die empörte Äußerung macht denn auch klar, warum Ittensohn seiner Geschichte den Titel „Domkaninchen“ verliehen hat. Als besonderer Gag bleibt das Geläut eines von Ittensohn mit zwei Brecheisen selbst gebastelten Glockenspiels in Erinnerung, das der Autor zur Erheiterung seiner Zuhörer an passender Textstelle erklingen lässt.

Die am 20. März im Emons-Verlag als Taschenbuch erschienene Anthologie „Arsen und Spargelspitzen“, in der 19 renommierte Krimiautorinnen und -autoren auf 288 Seiten eine tödliche Spur durch die Kurpfalz ziehen, ist für 14 Euro im Buchhandel erhältlich. Die Autoren, zu denen auch der Schwetzinger Ex-OB René Pöltl zählt, bringen den Lesern auf unterhaltsame Weise 20 Mordgeschichten näher. Handlungen werden knallhart und witzig, aktuell oder historisch und fallweise sogar mit kulinarischen Ansätzen vermittelt. ISBN 978-3-7408-2436-5.

Freier Autor Freier Journalist

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