Speyer. Mit nun zwei Welterbestätten der Unesco und weiteren bedeutenden Sehenswürdigkeiten entwickelt sich Speyer immer mehr zum Magneten für Städtereisende. Sie kommen mit Autos, Bussen und vermehrt auch mit Kreuzfahrtschiffen auf dem Wasserweg an. Viele von ihnen wollen die Stadt und ihre Geschichte mittels einer Führung näher kennenlernen. Ansprechpartner für entsprechende Buchungen ist die Tourist-Information in der Maximilianstraße 13. Für Rundgänge mit attraktiven Zielen und Informationen über die Stadtgeschichte stehen derzeit 90 Gästeführer zur Verfügung, von denen gut 60 regelmäßig im Einsatz sind. 19 weitere befinden sich in der Ausbildung. Für ausländische Besucher sind Führungen in zehn Fremdsprachen möglich.
Nach Auskunft von Jörg Dörr, dem Leiter der Tourist-Info, wurden im letzten Jahr 2600 Gruppenführungen gebucht. Eine Steigerung von 24 Prozent gegenüber 2022. Bei den geschlossenen Gruppenführungen wurde der „Speyermer Stadtspaziergang“ mit gut 2000 Buchungen am häufigsten nachgefragt. 160 Führungen gab’s zum Thema Jüdisches Leben in Speyer. Auch das Angebot an öffentlichen Stadtführungen mit festen Terminen, die von Einzelreisenden gebucht werden können, fand mit 520 Touren großen Zuspruch. Im Vergleichszeitraum 2022 waren es lediglich 423. Ergänzt wird die Angebotspalette durch diverse Rundgänge. Dazu zählen historische Weintouren und Kostümführungen, bei denen die Gästeführer in traditionellen Gewändern ihr Wissen vermitteln.
Im Jahr 1981 ging alles los
Das war nicht immer so. Die ersten Stadtführungen fanden 1981 statt. Um die damaligen Stadtführer zahlenmäßig zu ermitteln, reichten die Finger von zwei Händen. Davon leben noch drei, von denen aktuell zwei immer noch Freude daran haben, Besuchern die Besonderheiten der Stadt zu vermitteln. Auch der Dritte im Bunde will nach einer krankheitsbedingten Auszeit seine Tätigkeit als Gästeführer wieder aufnehmen. Aus den Anfangsjahren und von besonderen Ereignissen berichten im Gespräch mit dieser Zeitung Bernhard Bumb, Ludwig Ofer und Volker Seitz. Ihren anekdotenreichen Schilderungen ist zu entnehmen, dass der frühere Oberbürgermeister Dr. Christian Roßkopf die Ausbildung von „Stadtführern“ seinerzeit mit Nachdruck anregte.
Nach einer halbjährigen Ausbildung erfolgte die Ernennung mittels Handschlag. Als Ausbilder fungierten bekannte Persönlichkeiten wie Dr. Otto Roller, seinerzeit Direktor des Historisches Museum, Professor Dr. Günter Stein, Kunsthistoriker und Hauptkonservator am Historischen Museum, sowie Domkustos Hubert Sedlmair. Federführend für die Buchung von Führungen war in den Folgejahren das damalige Verkehrsamt.
Die Resonanz auf das neue Angebot der Stadt hielt sich anfangs in Grenzen. Ende der 1980er Jahre seien im Verkehrsamt jährlich etwa 250 bis 300 Führungen gebucht worden, erinnert sich Seitz. Erst die 2000-Jahr-Feier anno 1990 habe zu einer deutlichen Steigerung geführt, ergänzen Bumb und Ofer. „Da sei es richtig abgegangen. So habe er im Juni 1990 eine Führung mit sage und schreibe 98 Teilnehmern durchgeführt“, betont Bumb. Ofer wiederum erinnert sich an die spätere Führung einer österreichischen Bundesministerin a. D. im Jahre 2011. Die Politikerin kam inkognito nach Speyer, wo sie sich anlässlich ihres 65. Geburtstages mit der Stadtgeschichte vertraut machte und ein Konzert im Dom besuchte.
Auch mal mitten in der Nacht
Nicht ganz so viel Glück mit einer prominenten Persönlichkeit hatte Volker Seitz. „Für eine betagte Enkeltochter des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. war eine Stadtführung fest gebucht. Alles war vorbereitet und ich war startklar. Dann kam der Anruf, dass Ihre Hoheit unpässlich sei – die Führung fiel aus.“ Besondere Erinnerungen hat Seitz an seine früheste Führung Ende der 1980er Jahre, die auf Wunsch der Teilnehmer an einem Freitagmorgen um drei Uhr begann. Ofer wiederum schwärmte von einer Nachtführung Anfang 2000, die um 23.30 Uhr mit einem Blick von der Balu-strade des Altpörtels auf das tief verschneite Speyer ausklang.
Glück hatte ein japanischer Manager, dessen Gruppe Bumb auch in die Hausbrauerei Domhof führte. Dem Manager gefiel das Trachtenhemd des Brauermeisters so gut, das er ein zweites Exemplar erwarb, sofort anzog und zum Fotomotiv für seine Kollegen avancierte. Der Rückschau folgte ein kurzer Hinweis auf die aktuelle Situation, in der Stadtführungen nach Ofers Meinung als Wirtschaftsfaktor zunehmend an Bedeutung gewinnen. Da bleibt nur zu hoffen, dass Speyer das Schicksal von Städten wie Florenz, Prag, Rom oder Venedig erspart bleibt, wo der Massentourismus sich zu einer Belastung für die einheimische Bevölkerung entwickelt hat und sich vor allem in der Hauptreisezeit lange Schlangen vor Sehenswürdigkeiten bilden.
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