Sandhausen. „Stunde Null“ beim SV Sandhausen. Der Abstieg aus der 3. Fußball-Liga nach 17 Jahren im Profifußball war eine Zäsur. Jetzt steht die erste Regionalliga-Saison der Vereinsgeschichte bevor - mit neuer sportlicher Führung und einem rundum erneuerten Kader. Den XXL-Umbruch moderiert der neue Trainer Olaf Janßen.
Wir haben mit dem langjährigen Chefcoach von Drittligist Viktoria Köln über sein Erfolgsrezept und seine Spielphilosophie gesprochen. Außerdem erklärt der 58-jährige Rheinländer, wie die harmonische Arbeitsatmosphäre in der Domstadt mit dem Trainerschleudersitz am Hardtwald zusammenpasst und warum Spieler nicht mehr wegen des Geldes zum SVS kommen.
Herr Janßen, Sie haben in der abgelaufenen Spielzeit trotz finanziell begrenzter Möglichkeiten mit Viktoria Köln einen starken sechsten Platz erreicht und sich damit als Trainer ins Schaufenster gestellt. Wie viele Zweitligisten standen bei Ihnen auf der Matte?
Olaf Janßen: Ich würde das nicht an einer Zahl festmachen wollen. Wir haben im Januar bekanntgegeben, dass ich nicht bei der Viktoria weitermache und natürlich habe ich seitdem das eine oder andere Gespräch geführt. Aber schauen Sie: Bei den 38 Vereinen in den Ligen zwei und drei sind im vergangenen Jahr 26 Trainer entlassen worden. Das bedeutet, die wichtigste Position in einem Fußballverein ist so unsicher wie nie zuvor. In meinen Augen macht das überhaupt keinen Sinn.
Sie standen viereinhalb Jahre bei der Viktoria an der Seitenlinie. Damit waren Sie der dienstälteste Trainer der Liga.
Janßen: Ich habe diese Mentalität in meiner Zeit in Köln so gar nicht erlebt. Ich hatte hervorragende Mitarbeiter um mich herum. Es war ein Riesenvertrauensverhältnis da. Wenn uns der Wind ins Gesicht geblasen hat, dann standen wir wie eine Eins zusammen. Und in diesem Umfeld arbeiten dann die Spieler. Das ist der Hauptgrund, warum es am Ende funktioniert.
In Sandhausen war in der Vergangenheit das Gegenteil der Fall. Immer wieder war zu vernehmen, dass es hinter den Kulissen im Verein knirscht. Wie passt das zusammen?
Janßen: Das waren Punkte, die wir gemeinsam offen und ehrlich besprochen haben. Die Fluktuation der Trainer beim SV Sandhausen zum Beispiel. Was der Verein allerdings in Zukunft vor hat, das hat mich bei keinem anderen Gespräch derart überzeugt wie in Sandhausen. Dieses Vertrauen, diese Klarheit, dieser Plan. Ich habe in meinem Leben immer wieder Projekte angenommen, Dinge, die mich begeistern, wo ich glaube, meine Fähigkeiten einbringen zu können und wo ich glaube, dass ich Mitarbeiter und eine Mannschaft habe, die brennt und die nach vorne kommen will. Das ist der Grund, warum ich in Sandhausen gelandet bin. Das ist ein langfristiges Projekt, das nicht auf Hire-and-Fire gemünzt ist.
Sie wurden Ende Mai am Hardtwald vorgestellt. Wie ist Ihr Eindruck in den ersten Wochen?
Janßen: Ich bin seitdem im Dauereinsatz. Und diese vier Wochen waren besonders. Herausragend war, wie sehr die Menschen sich hier eingesetzt haben. Wie sehr die Vereinsführung Gas gibt. Wir hatten ja null Spieler auf dem Zettel stehen. Eigentlich ist das gar nicht zu schaffen. Aber wenn ich durch das Stadion gelaufen bin, durch die Geschäftsstelle – wer mich alles angestrahlt hat.
Es herrscht also Aufbruchstimmung in Sandhausen?
Janßen: Es herrscht eine Riesenaufbruchstimmung. Das spüre ich an allen Ecken und Enden. Nach diesem Aufprall, den der Verein erlitten hat, müsste man ja normalerweise immer noch in Schockstarre sein. Aber das merke ich überhaupt nicht. Jeder ist da, weil er gesagt hat „Wir ziehen den Karren aus dem Dreck.“ Wir wollen jetzt zeigen, für welche DNA der Verein zukünftig steht.
Was sind denn die Eckpfeiler des Projekts Sandhausen in der Regionalliga?
Janßen: Der erste Eckpfeiler ist Fleiß. Wir wollen fleißiger sein als die anderen. Jede Sekunde deines Spiels wird von deiner Fitness beeinflusst. Damit ist eigentlich alles gesagt. Darauf basiert das Spiel. Der zweite wichtige Punkt: Ich will den Ball haben. Weil das Spiel mit Ball nicht nur viel mehr Spaß macht, sondern der Gegner so auch kein Tor erzielen kann. Wir wollen früh den Ball erobern, damit wir einen kurzen Weg zum gegnerischen Tor haben. Und die nächste wichtige Säule ist, dass wir das alles zusammen machen. Das geht von der Nummer 1 bis zum Platzwart, bis oben hin zu Jürgen Machmeier. Das wird eine Einheit sein, die durch dick und dünn geht. Nur mit dieser Vision und meiner Überzeugung vom Erfolg haben wir auch die Spieler hierher gekriegt. Ab jetzt kommen die Spieler nicht zum SV Sandhausen, weil es vielleicht mehr Geld gibt, sie kommen, weil sie vom Projekt und der DNA überzeugt sind und mit uns zusammen den nächsten Schritt gehen wollen.
Ein Teil ist auch die enge Verzahnung mit dem Nachwuchsbereich.
Janßen: In meiner Zeit in Köln haben wir 23 Spieler aus dem alten Nachwuchsleistungszentrum – und das bestand aus eineinhalb Kunstrasenplätzen – zu den Profis geholt. Das ist, die U23-Teams ausgenommen, einzigartig in Deutschland. Diesen Ansatz der Durchlässigkeit wollen wir auch in Sandhausen hinkriegen. Das bedeutet, dass man im permanenten Austausch ist und die Spieler immer wieder bei den Profis mit dabei sind. Dafür stehe ich. Dass das aber natürlich nicht von heute auf morgen geht, ist klar.
Zur Person
- Olaf Janßen wurde am 8. Oktober 1966 in Krefeld geboren.
- Der ehemalige Mittelfeldspieler lief unter anderem für den 1. FC Köln und Eintracht Frankfurt in der Bundesliga auf. 2000 beendete er seine aktive Karriere.
- Der 58-Jährige war zuletzt vier Jahre Trainer bei Viktoria Köln . Zuvor war er unter anderem Co-Trainer von Ewald Lienen beim VfB Stuttgart und unter Bruno Labbadia beim VfB Stuttgart.
- Janßen hat drei Söhne, zwei Töchter und zwei Enkelkinder. Seine Familie wohnt in Hürth bei Köln.
Aktuell findet ein XXL-Umbruch statt. Zuletzt wurden 33 Spieler auf einen Schlag verabschiedet, der gesamte Drittliga-Kader. Auf der Gegenseite stehen bislang halb so viele Neuzugänge. Wo sehen Sie noch Bedarf?
Janßen: Dass wir zum jetzigen Zeitpunkt schon so weit sind, hätte ich niemals gedacht. Wenn man einen Kader von 20 Feldspielern und drei Torhütern anpeilt, redet man mit 100 Spielern und Beratern – das geht eigentlich gar nicht in ein paar Wochen. Aber auch da hat jeder super mitangepackt. Der Bedarf reduziert sich auf drei bis vier Spieler. Das betrifft die Flügel und den Sturm. Ich gehe davon aus, dass der Kader bis zum Start ins Trainingslager komplett ist.
Mit Innenverteidiger Kwabe Schulz und Mittelfeldmann Luca de Meester hat sich der SVS unter anderem mit zwei Ex-Spielern von Ihnen aus Köln verstärkt. Auch im Staff arbeiten Sie mit Dominik Idel-Peters als Co-Trainer oder Timo Röttger als Head of Scouting mit vertrauten Personen zusammen. Wie wichtig ist das für Sie?
Janßen: Bei den Spielern ist das gar nicht wichtig. Aber meine Spielidee ist sehr anspruchsvoll und die kennen die beiden aus dem Effeff. Anders ist das bei den Trainern. Da geht es um Inhalte und die Art zu arbeiten. Dominik Idel-Peters kennt die gesamte DNA vom Nachwuchs bis zu den Profis. Timo Röttger im Scouting wiederum kennt die Leistungsprofile, die ein Spieler braucht, um meine Art Fußball zu spielen. Schon in Köln haben wir gemeinsam Spieler aus der Regionalliga und von Absteigern geholt, die wir entwickelt haben.
Mit dem Saisonziel Wiederaufstieg hat sich der SVS in den zurückliegenden Jahren selbst ein Ei ins Nest gelegt. Mit welchem Ziel geht es in die erste Regionalliga-Saison der Vereinsgeschichte?
Janßen: Wir wollen ein Fundament schaffen und die DNA implementieren. Wenn man eine komplett neue Mannschaft, eine neue Mitarbeiterschar zusammenstellt, wäre es völlig illusorisch und respektlos den Mannschaften gegenüber, die über Jahre in dieser Liga spielen, etwas von Aufstieg zu faseln. Die Regionalliga Südwest ist – das meinen auch viele Experten – die stärkste in Deutschland. Da gibt es erst einmal richtig was auf die Rübe und das ist völlig normal, wenn du rundum erneuert dort antrittst. Damit müssen wir umgehen. Wie wir uns behaupten, darauf bin ich selbst gespannt.
Trotzdem wird es im Verein sicher einen langfristigen Plan geben. Wann sieht dieser Plan die Rückkehr in den Profifußball vor?
Ich: Lassen Sie uns das Projekt erstmal ein paar Monate anschauen. Was meine Spieler machen, wie sich die Infrastruktur verändert. Was ich aber zugeben muss: Ich kann einfach schlecht verlieren. Da muss ich mich selbst zügeln, um die Jungs nicht zu stressen.
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