Fußball

Nach 0:3 in Sandhausen: Beim SV Waldhof naht die Zeit der Abrechnung

Nach dem 0:3 in Sandhausen bewegt sich die Dauerkrise beim SV Waldhof Mannheim auf das Endstadium zu. Kapitän Seegert redet Tacheles - mit Aussagen, die tief blicken lassen

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Alexander Müller
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Die totale Niedergeschlagenheit: Waldhof-Kapitän Marcel Seegert nach dem Abpfiff in Sandhausen. © Michael Ruffler

Mannheim. Baxter Bahn hatte sich in eine stille Ecke im Kabinentrakt des Hardtwald-Stadions verzogen. Die Mütze tief im Gesicht tippte der Mittelfeldspieler des SV Waldhof auf seinem Handy herum. An der 0:3 (0:1)-Niederlage seines Teams beim SV Sandhausen hatte der gebürtige Hamburger keinen Anteil.

Bahn saß, gesperrt wegen seiner fünften Gelben Karte, in Zivil auf der Ersatzbank. Der Gesichtsausdruck des 31-Jährigen stand aber stellvertretend für die Endzeitstimmung beim SVW. Bahn schaute drein, als habe er soeben erfahren, dass sein bester Kumpel ihm die Frau ausgespannt hat.

SV Waldhof seit zehn Liga-Spielen ohne Sieg

Wir erinnern uns: Im Sommer 2022 war der Neuzugang von Hansa Rostock als ein Eckpfeiler vorgestellt worden, um die Mannheimer auf direktem Weg in die 2. Liga zu befördern. Anderthalb Jahre später steigt die Gefahr, bald wieder in der Regionalliga zu kicken, mit jedem erfolg- und trostlosen Auftritt des SV Waldhof weiter an.

Nach dem verdienten 0:3 beim kurpfälzischen Nachbarn warten die Mannheimer seit zehn Liga-Spielen auf einen Sieg. Der Abstand auf den ersten Nichtabstiegsplatz mit dem Halleschen FC ist auf vier Punkte und fünf Tore angewachsen - und die Sachsen-Anhaltiner haben noch ein Nachholspiel in Unterhaching in der Hinterhand.

Aus einer brenzligen droht schon früh in der Saison eine fast aussichtslose Lage zu werden. „Wir stehen aktuell zu Recht da unten drin, aber es ist noch nicht der 38. Spieltag, das ist eine Momentaufnahme“, sagte Torhüter Lucien Hawryluk. Mehr als Durchhalteparolen bleiben den schwer angeschlagenen Mannheimern nicht mehr.

Sportchef Schork vor dem Aus?

Der SV Waldhof hat in seiner äußerst wechselhaften jüngeren Geschichte etliche schwere Krisen durchleben müssen. Aber die Wucht des sportlichen Absturzes in dieser Saison wirkt beispiellos. Der freie Fall ans Tabellenende wird weitere personelle Konsequenzen haben müssen - sofern es in den beiden ausstehenden Heimspielen gegen Erzgebirge Aue und den TSV 1860 München nicht kurz vor Weihnachten zu einem österlichen Auferstehungserlebnis dieses Teams kommen wird. Dafür spricht aber wenig bis nichts.

In Sandhausen mehrten sich die Anzeichen, dass die Luft final dünn wird für Sportchef Tim Schork und Trainer Rüdiger Rehm. Wo erfahrene Manager versuchen würden, den nächsten Nackenschlag zumindest in der Außendarstellung kommunikativ aufzufangen, glänzte Schork nach dem Abpfiff durch Abwesenheit. Spötter könnten sagen, dass die Art und Weise, wie diese vom Sportchef zusammengestellte Mannschaft seit Wochen über die Plätze der 3. Liga dilettiert, ohnehin Bände über Schorks missratene Kaderplanung spricht.

Ohne Offensivkonzept

Dass Trainer Rüdiger Rehm den Sog des gewaltigen Negativstrudels, der den SV Waldhof in dieser Horror-Saison erfasst hat, überstehen kann, ist seit Samstag ebenfalls unwahrscheinlicher denn je. Die paar guten Ansätze vom 1:1 gegen Ingolstadt schwemmte der kalte Dezemberregen im Hardtwald-Stadion sofort wieder hinweg. Die Niederlage beim Nachbarn legte das nicht vorhandene Offensivkonzept des SVW schonungslos offen.

Resigniert nach der Niederlage in Sandhausen: SV-Waldhof-Trainer Rüdiger Rehm. © PIX-Sportfotos/Oliver Zimmermann

Sandhausen reichte gegen einen in dieser Zusammensetzung und Form in der 3. Liga nicht konkurrenzfähigen Gegner eine Durchschnittsleistung, um nach Toren von Yassin Ben Balla (38.), Franck Evina (86.) und Tim Maciejewski (90.+4) locker mit 3:0 zu gewinnen, Abu-Bekir El-Zein verschoss sogar noch einen Foulelfmeter (61.). In 18 Spielen hat der SVW kümmerliche 18 Tore erzielt, dafür aber bereits 33 Gegentreffer geschluckt. Die Werte eines Absteigers.

Waldhof-Fans: "Wir haben die Schnauze voll"

Trainer Rehm stand bei Abpfiff kopfschüttelnd im Sandhäuser Regen und musste danach zum wiederholten Mal die nachvollziehbaren Unmutsäußerungen aus dem Gästeblock („Wir haben die Schnauze voll“, „Wir sind Mannheimer und ihr nicht“) über sich ergehen lassen. 3000 Waldhof-Fans waren ins nahe Sandhausen mitgereist.

Die Haare wieder getrocknet, fahndete Rehm auf der Pressekonferenz nach Erklärungen für die nächste Schlappe. „Wir müssen sehen, dass wir mehr Torgefahr entwickeln, damit der gegnerische Torwart was zu tun hat. Unsere Abschlüsse sind zu unpräzise. Das ist der große Knackpunkt“, sagte der 45-Jährige.

Kann der sich beim SV Waldhof halten? Geschäftsführer Sport, Tim Schork. © PIX-Sportfotos/Michael Ruffler

Eine hundertprozentige Torchance erspielte sich der harmlose SVW in Sandhausen nicht. Noch wohlwollend formuliert stagniert das Offensivspiel seit Monaten auf einem kläglichen Niveau, eine Weiterentwicklung ist nirgends erkennbar. Weder bei einzelnen Spielern noch als Kollektiv. Und diese frappierenden Defizite fallen direkt ins Aufgabengebiet des Trainers.

Waldhof-Trainer Rehm sagt Presserunde ab

Rehm sagte die übliche kleine Runde mit den Mannheimer Journalisten nach der Pressekonferenz ab. Ein weiteres sicheres Indiz dafür, dass sich die Dauerkrise auf das Endstadium zubewegt. Dafür redete Kapitän Marcel Seegert Klartext. Mit Aussagen, die tief blicken ließen. An der Einsatzbereitschaft und der Mentalität liege es nicht, schickte der Ur-Waldhöfer vorweg.

Die Probleme lägen klar im fußballerischen Bereich. „Uns fällt momentan relativ wenig mit dem Ball ein. Zum Fußball gehören Kämpfen, Kratzen und Beißen. Das sind die Grundtugenden. Wir haben aber 20 Teams in der Liga, die alle über Kampf und Leidenschaft kommen. Darüber hinaus brauchst du Strukturen mit dem Ball, du musst variabel sein und Räume schaffen, damit der Gegner auch mal richtig ins Schwimmen gerät. Es fehlt die Qualität, vor das Tor zu kommen“, urteilte Seegert.

SVW bleibt wohl in der Abstiegszone 

Eine Nachfrage, ob diese Defizite auch auf fehlende Vorgaben des Trainers zurückzuführen seien, wollte „Cello“ bei „MagentaSport“ nicht beantworten. „Lassen Sie meine Aussagen einfach mal so stehen.“ Der Rückhalt für Rehm in der Mannschaft soll nicht nur bei Seegert bröckeln. Seinen Kapitän hatte der Trainer zwischenzeitlich zum Reservisten degradiert.

Knapp zwei Wochen ist es nun schon wieder her, dass Präsident Bernd Beetz nach der Mitgliederversammlung der Sportlichen Leitung das Ultimatum gesetzt hatte, dass der SVW nicht auf einem Abstiegsplatz überwintern dürfe - sonst würden Konsequenzen drohen.

1:4 Tore und zwei weitere sieglose Spiele später hat sich die Lage zugespitzt. Selbst im unwahrscheinlichen Fall, dass die Heimpartien gegen Aue (16. Dezember) und 1860 München (20. Dezember) gewonnen werden sollten, dürfte der Waldhof die Abstiegszone in diesem Jahr nicht mehr verlassen.

Aus gut informierten Kreisen an der Vereinsspitze ist zu hören, dass eine Beurlaubung von Schork und Rehm weiter nicht zeitnah vollzogen werden soll, nach dem 1860-Spiel jedoch möglich ist.

Trennung von Kompp soll bis Silvester vollzogen sein

Das Argument: Wenn ein neuer Trainer in den beiden verbleibenden Spielen in 2023 die Trendwende ebenfalls nicht schaffen sollte, wäre er sofort verbrannt. Außerdem müsse zunächst die Vertragsauflösung mit Geschäftsführer Markus Kompp über die Bühne gebracht werden, um wieder handlungsfähig zu sein.

Für die Abwicklung der beschlossenen Trennung vom Chef der Spielbetriebs-GmbH ist nach Informationen dieser Redaktion ein Zeitfenster bis Ende des Jahres vorgesehen. In den Verhandlungen geht es um die Höhe der Abfindung.

Also heißt es: Weiterwursteln bis Weihnachten. Und darauf zu hoffen, dass der Abstand zum rettenden Ufer durch glückliche Fügungen nicht zu groß wird. Vielleicht hilft sogar der erste eigene Dreier seit Ende September? „Wir müssen diesen einen Sieg jetzt mal einfahren, damit wir mal ein Erfolgserlebnis haben und die Köpfe nicht komplett zerstört werden“, fand Rehm auf der Pressekonferenz ein martialisches Sprachbild für den offenkundig desolaten mentalen Zustand seiner Mannschaft.

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Noch gegen Aue und 1860

Ob der SVW dann zur Winterpause über dem Strich stehe oder nicht sei „im Moment zweitrangig“. Da war Rehm mit seinem Kapitän einer Meinung. „Wir haben zwei Spiele, da sind sechs Punkte zu vergeben. Was rechts und links passiert, ist eigentlich egal. Wir müssen ins Punkten kommen. Mit anderen Dingen sollten wir uns nicht beschäftigen“, sagte Seegert.

Erst nach den letzten beiden Partien gegen Aue und 1860 wird die Frage beantwortet werden, wie sich der SV Waldhof aufstellt, um im nächsten Jahr mit einem Kraftakt vielleicht doch noch im Profifußball zu überleben. Die Zeit der Abrechnung naht. Es ist spätestens nach den Eindrücken aus Sandhausen kaum vorstellbar, dass bei dem Projekt Rettung Schork und Rehm noch das Sagen haben werden.



Das nächste Spiel: SV Waldhof gegen Erzgebirge Aue, Samstag, 16. Dezember, 14 Uhr. Alle Spiele live bei MagentaSport

Redaktion Fußball-Reporter: Nationalmannschaft, SV Waldhof, Eintracht Frankfurt, DFB

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