Fußball

Bundestrainer Flick vor einem unruhigen Sommer

Die 0:2-Niederlage der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Kolumbien verschärft die Krise der DFB-Elf und erhöht den Druck auf Bundestrainer Hansi Flick

Von 
Alexander Müller
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Der Anfang vom Ende: Kolumbiens Luis Diaz (Mitte) erzielt gegen Deutschlands Torwart Marc-Andre ter Stegen (hinten) das Tor zum 0:1. © Federico Gambarini/dpa

Gelsenkirchen. Zumindest eine offene Personalie hat der DFB ein Jahr vor dem Start der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland am Dienstag schon einmal geklärt. Ein Bär wird das Maskottchen der Heim-EM, diesmal im Gegensatz zum vielfach verhöhnten WM-2006-Sommermärchen-Goleo sogar mit einer Hose ausgestattet. Einen Namen hat das bunte Tierchen allerdings noch nicht: Zur Wahl stehen Albärt, Bärnardo, Bärnheart und Herzi von Bär. Und diese fragwürdigen Optionen sind leider kein schlechter Scherz.

Im Moment spricht außerdem einiges dafür, dass das noch unbenamte Maskottchen – Edmund Stoiber lässt schön grüßen – als Problembär in die deutsche Fußballgeschichte eingehen könnte. Zu schwach präsentiert sich die DFB-Elf auf der Zielgeraden zum Turnier im eigenen Land bisher, statt der erwünschten Euphorie hat sich in der Fußballnation Gleichgültigkeit breitgemacht, wenn der ins Mittelmaß abgestürzte Weltmeister von 2014 aktuell spielt. Und das ist bekanntlich das Schlimmste, was einer Fußballmannschaft passieren kann.

Am Dienstagabend sollte in Gelsenkirchen die Wende zum Besseren nach den beiden teils kläglichen Testspiel-Auftritten gegen die Ukraine (3:3) und in Polen (0:1) gelingen. Auch um den wachsenden Druck auf Bundestrainer Hansi Flick zu mildern, war ein Sieg nebst überzeugendem Auftritt gegen Kolumbien der Auftrag des Abends. „Es geht wirklich um das Ergebnis, die Spieler müssen ihre Leistung zu 100 Prozent abrufen“, forderte Flick.

Goretzka: „Es ist dramatisch“

Das gelang nicht. Ganz im Gegenteil: Die leistungsgerechte 0:2 (0:0)-Niederlage gegen den Weltranglisten-17. verschärft die Krise der deutschen Auswahl erheblich. Liverpool-Legionär Luis Diaz erzielte die Führung für Kolumbien (54.). Juan Cuadrado erhöhte per Handelfmeter auf 2:0 (82.). Es wird ein unruhiger Sommer beim DFB bleiben.

„Es ist dramatisch. Wir haben uns wieder viel vorgenommen. Es ist schwer zu erklären, warum wir es nicht auf den Platz bekommen. Es fehlt an allen Ecken und Enden. Das ist viel zu wenig“, räumte Leon Goretzka beim TV-Sender RTL ein und zog Parallelen zur Krise bei den Bayern: „Das erinnert mich stark an die Schlussphase der letzten Saison. Es läuft alles gegen uns.“

Die brisanteste personelle Frage in diesen Tagen beantwortete der Bundestrainer eine Stunde vor dem Anpfiff: Ersatzkapitän Joshua Kimmich saß nach dürftigen Leistungen nur auf der Bank, dafür führte Ilkay Gündogan die Mannschaft in seiner Geburtsstadt Gelsenkirchen mit der Binde aufs Feld.

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Doch die Partie sollte ein Spiegelbild der meisten DFB-Auftritte seit dem WM-Vorrunden-Aus von Katar werden. Das Bemühen war den Deutschen noch nicht einmal abzusprechen, aber auch mit Gündogan mangelte es weiter an Struktur im Spiel. Die Defensive wirkte wacklig – und hatte ihre Probleme mit den quirligen Südamerikanern. Etwa in der 26. Minute, als Torhüter Marc-Andre ter Stegen Kolumbien mit einem verpatzten Abschlag zunächst einlud, um dann mit einer Parade am kurzen Pfosten gegen Diaz den Schaden wieder zu reparieren.

Kurz danach half Antonio Rüdiger den Kolumbianern mit einem schlampigen Pass, Diaz und Rafael Borré von Eintracht Frankfurt stürmten allein auf ter Stegen zu. Erst eine Hochrisikogrätsche von Malick Thiaw verhinderte das 0:1 (28.). Der DFB-Elf fehlte es bei ihren wenigen Gelegenheiten an Präzision im gegnerischen Strafraum, vieles blieb Stückwerk. Die große Reaktion blieb auch im zweiten Abschnitt aus. Stattdessen drängte zunächst Kolumbien, eine Hereingabe nach der nächsten segelte in den Strafraum der DFB-Elf. Eine dieser Flanken verwertete schließlich der allein gelassene Diaz per Kopf zur verdienten Führung für den Copa-America-Sieger von 2001 (54.). 7:2 Torschüsse für die Gäste standen zu diesem Zeitpunkt zu Buche.

Dass das Geschehen danach mit einer erhöhten Aggressivität mehr in die kolumbianische Hälfte verlagert werden konnte, war das Mindeste, was man erwarten durfte. Fast überflüssig zu erwähnen, dass das DFB-Team es dennoch weiterhin nicht schaffte, echte Großchancen herauszuspielen. Es passte zur aktuellen Situation des vierfachen Weltmeisters, dass der kurz vorher eingewechselte Kimmich noch einen Handelfmeter verursachte, den Cuadrado zum 2:0 verwandelte (82.). Nach dem Schlusspfiff hagelte es Pfiffe der deutschen Fans.

Redaktion Fußball-Reporter: Nationalmannschaft, SV Waldhof, Eintracht Frankfurt, DFB

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