Mannheim. Das war am Montag schon ein regelrechter Paukenschlag beim Mannheimer Energieversorger MVV. Dass der Vorstandschef Georg Müller nur noch bis Ende des Jahres im Amt bleiben will, hat nicht nur den Aufsichtsrat verblüfft. Kein Wunder, sein Vertrag wurde ja erst Ende März 2023 verlängert – allerdings unter Vorbehalt nur um „bis zu fünf Jahre“.
Müller hat jetzt zu einem völlig überraschenden Zeitpunkt auf die Ausstiegsklausel zurückgegriffen. Die können jeweils beide Parteien jedes Jahr bis zum 30. Juni ziehen. Dies lässt den Schluss zu, dass Müller von Anfang an nicht unbedingt bis zum Vertragsende im Amt bleiben wollte.
Aufsichtsrat hat jetzt sechs Wochen mehr Zeit
Der Aufsichtsrat hat durch Müllers frühe Ankündigung jetzt sechs Wochen mehr Zeit für die Suche nach einem Nachfolger. Dass Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) auch als Aufsichtsratschef Müllers Entscheidung bedauert, versteht sich von selbst. Das waren jedenfalls keine Krokodilstränen, wie sie oft vergossen werden, wenn jemand gefeuert wird oder seinen Posten aufgibt, wenn er nicht mehr weiter weiß.
An der Überzeugung des Aufsichtsrats, mit Georg Müller den richtigen Mann am Steuer zu haben, kann sich ja auch mit Blick auf das operative Geschäft und die erfolgreich umgesetzte Unternehmensstrategie des Energieversorgers seit der Vertragsverlängerung nichts geändert haben.
Das sehen auch Analysten wie Erkan Ayçiçek von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) so. „Müllers Entscheidung ist ein großer Verlust für das operative Geschäft der MVV, er hat bisher ja einen sehr guten Job gemacht. Die Aktionäre können sich über die Dividenden freuen, weil Müller die Zeichen der Zeit früh erkannt hat und sich sein Einsatz für die Energiewende auch unternehmerisch lohnt.“
Fühlt sich Müller zu alt für den Posten als MVV-Chef?
Warum aber jetzt der Rückzug auf Raten? Fühlt sich Müller – Jahrgang 1963 – womöglich langsam zu alt für den Posten oder hat er Angst, dass Kritiker das zum Thema machen könnten? „Nein, das glaube ich nicht. Bundeskanzler Olaf Scholz ist ja zum Beispiel sogar schon 65. Ich habe mich mit Georg Müller zuletzt im April 2023 beruflich getroffen, da war er voller Elan. Ich bin fest überzeugt, dass es private Gründe für seine Entscheidung gibt“, so Ayçiçek,
Müller hätte die Ausstiegsklausel erstmals auch schon im vergangenen Jahr ziehen können. Hat er aber nicht getan. Dafür gibt es einen praktischen Grund: 2023 war ja die OB-Wahl in Mannheim. Weil Amtsinhaber Peter Kurz (SPD) nicht mehr antrat, wäre neben dem Posten des Vorstandschefs auch der des Aufsichtsratsvorsitzenden neu zu besetzen gewesen. Das wäre doch ein bisschen viel auf einmal gewesen.
Nach Rückzug des MVV-Chefs: Alle sollen mit Vollgas weiterarbeiten
Dass Müller bei der MVV jetzt als lahme Ente bis Jahresende agiert und sich nur noch mit halber Kraft für das Unternehmen einsetzt, dürfte ausgeschlossen sein. Er soll dem Vernehmen nach intern die Devise ausgegeben haben, dass alle weiter mit Vollgas arbeiten sollen. Dass er sich davon nicht ausnimmt, versteht sich von selbst. Dazu passt, dass Georg Müller nach eigenen Angaben „aktiv dazu beitragen“ will, „den Staffelstab weiterzugeben“.
Der Aufsichtsrat hat die notwendigen Schritte für ein geordnetes Verfahren bereits eingeleitet. Ob es eine interne oder eine externe Lösung gibt, ist noch offen. „Ich halte beides für vorstellbar, also jemanden, der das Unternehmen schon kennt oder von außen frischen Wind hereinbringt. Das Alter spielt da nach meiner Meinung keine entscheidende Rolle“, sagt Ayçiçek.
Bei einer internen Lösung hätte Technikvorstand Roll die Nase vorn
Eine interne Lösung ist jedenfalls nicht abwegig. Im Vorstand sitzen neben Müller drei Personen. Verena Amann – zuständig fürs Personal – übt ihr Amt seit Juli 2018 aus, ist aber keine Expertin beim Thema Energiewende. Die gebürtige Ravensburgerin (Jahrgang 1981) ist die Jüngste im Vorstand. Vertriebschef Ralf Klöpfer (geboren 1966 in Backnang) passt besser ins fachliche Profil. Er ist bereits seit Oktober 2013 Mitglied im Vorstand.
Der ein Jahr ältere Technik-Vorstand Hansjörg Roll arbeitet seit 2015 in dem Gremium und verantwortet den Bereich, mit dem die MVV das meiste Geld verdient. Er ist außerdem Aufsichtsratsvorsitzender beim Grosskraftwerk Mannheim (GKM) und damit auch ein Spezialist beim Thema Wärmewende. Und, das ist natürlich ein Pfund: Roll hat 2022 den Posten des Vorstandschefs während Müllers krankheitsbedingter Auszeit für ein halbes Jahr ausgeübt. Bei einer internen Besetzung des Chefpostens dürfte Roll also die Nase vorn haben.
Die Blaupause für eine solche Lösung bietet das Beispiel EnBW. Beim Karlsruher Energieversorger wurde der Vorstandschef Andreas Schell gefeuert und durch Georg Stamatelopoulos ersetzt, der zuvor im Unternehmen ein ähnliches Portfolio wie Roll hatte. Roll selbst wollte keinen Kommentar zu einer entsprechenden Anfrage dieser Redaktion abgeben. Auch er dürfte allerdings den alten Spruch kennen: „Wer zu früh springt, springt zu kurz.“
Wie sich der Aufsichtsrat entscheiden wird, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt offen. Bei einer externen Lösung stellt sich auch die Frage, ob es auf dem Markt den richtigen Mann oder die richtige Frau gibt. Und wenn ja, zu welchem Zeitpunkt. Gute Leute in diesen Positionen sind rar gesät. Das GKM weiß davon ein Lied zu singen. Dort hat der Aufsichtsrat bereits im September 2023 das große Stühlerücken in der Vorstandsetage eingeleitet. Doch erst seit März ist die Doppelspitze wieder komplett. Allerdings kann Thomas Hörtinger, der das Ressort Technik übernehmen soll, seinen Posten erst im September antreten, weil er vorher aus seinem Vertrag beim Lausitzer Energieunternehmen LEAG nicht herauskommt.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar Georg Müller - der Architekt der Energiewende geht früher