Mannheim. Herr Schwarz, Sie organisieren die erste International Coffee Convention. Was kommt denn da auf Mannheim zu?
Steffen Schwarz: Michel Maugé und ich veranstalten dieses Event zum ersten Mal. Wir haben Wissenschaftler und Experten der Kaffeebranche in den Mannheimer Rosengarten eingeladen. Sie kommen etwa aus Brasilien, Italien, Malaysia oder Indien. Es wird das größte wissenschaftliche Forum für Kaffee, aber kein Elfenbeinturm! Unser Ziel ist, Lösungen aus der Wissenschaft zu finden, die direkt anwendbar sind. Dass wir diese Veranstaltung aus dem Boden stampfen, hat bei den großen Kaffeeverbänden ganz schön für Wirbel gesorgt.
Was sind die wichtigsten Themen?
Schwarz: Natürlich der Klimawandel - und wie wir uns auf die Folgen einstellen. Wir wollen zum Beispiel dem Kaffeefarmer helfen, sich auf extreme Dürren oder Hochwasser einzustellen. Wir verlieren bereits jetzt große Anbauflächen durch die Veränderungen des Klimas. Aber es betrifft alle in der Branche. Wir wollen auch, dass die Röster verstehen, wie sie mit anderen Kaffeesorten arbeiten können, wenn es nicht mehr genug Arabica-Bohnen gibt. Oder dass sich Kaffeemaschinenhersteller darüber Gedanken machen, wie ihr Espresso mit anderen Bohnen schmeckt. Und Biodiversität ist auch ein Riesenthema.
Alles rund um die Bohne
Eingeladen sind Branchenexperten und Wissenschaftler. Begrüßt werden sie bei einem Empfang im Rittersaal des Schlosses.
Veranstalter sind der frühere Rosengarten-Chef Michel Maugé und Steffen Schwarz.
Steffen Schwarz ist promovierter Arzt, hat die Medizin aber gegen seine Leidenschaft Kaffee eingetauscht. Schwarz ist ein weltweit renommierter Kaffeeexperte. Er ist Berater, Ausbilder, Röster und Händler in einem.
In Mannheim ist sein Ausbildungszentrum Coffee Consulate angesiedelt. Über die Rösterei The Coffee Store vertreibt Schwarz Spezialitätenkaffees etwa der Marke Neckarrösterei.
Schwarz arbeitet direkt mit Kaffeefarmern in Brasilien, El Salvador, Mexiko und Indien zusammen.
Die International Coffee Convention findet vom 30. September bis 3. Oktober im Mannheimer Congress Center Rosengarten statt. Es ist eine Premiere.Was hat denn Artenvielfalt mit meiner Tasse Kaffee zu tun?
Schwarz: Es ist fünf vor zwölf, wir verlieren Kaffee-Arten, die wir nie mehr zurückbekommen werden. Wir brauchen aber Kaffeepflanzen, die besser gegen den Klimawandel bestehen können. Dafür müssen wir auf eine möglichst große Vielfalt an Kaffee-Arten zurückgreifen können. Aber wir brauchen die Antwort sofort. Eine Kaffeepflanze braucht drei bis fünf Jahre, bis sie Ertrag bringt - die extremen Klima-Ausschläge wirken sich jetzt schon brutal aus. Nehmen sie Indien, dort sind die Ernte-Erträge in den vergangenen zehn Jahren um 50 Prozent zurückgegangen. Viele Farmer können jetzt schon nicht mehr vom Kaffeeanbau leben. Die Selbstmordrate geht nach oben, Land wird verkauft.
Was raten Sie den Kaffeebauern?
Schwarz: Da gibt es mehrere Ansätze. Ein ganz wichtiger ist, die Nebenprodukte der Kaffeepflanze zu nutzen - also nicht nur die Bohne, sondern auch die Kirsche und die Blätter. Die Kaffeekirsche ist eine süße Frucht, daraus lässt sich prima Tee oder Limonade machen. Für große Getränkehersteller ist so ein Produkt aus natürlichem Koffein sehr interessant. Aus den Blättern lässt sich zum Beispiel ein Tee herstellen. Mit dem Zusatzgeschäft könnten die Farmer ihre Einkommensausfälle beim Kaffee ausgleichen - und aus Abfall wertvolle Produkte machen.
Wie kann die Coffee Convention den Farmern dabei helfen?
Schwarz: Indem wir daraus ein Geschäftsmodell machen, den Markt dafür schaffen. Um die Nebenprodukte sauber zu verarbeiten, brauchen die Farmer außerdem neue Technologien. Dafür entwickeln wir Lösungen. Wir bauen zum Beispiel als Coffee Consulate für eine unserer Partner-Farmen eine Prototypanlage zur Wasseraufbereitung. Sie spart 95 Prozent des benötigten Wassers ein und reinigt es noch dazu. Die Pumpen kommen von KSB aus Frankenthal. Ein großes Problem ist, dass diese Nebenprodukte in der EU nicht zugelassen sind. Dafür wäre ein jahrelanges Zertifizierungsverfahren nötig. Ein unsinniges, bürokratisches Hindernis. Wir hoffen, dass die Convention Öffentlichkeit schafft und unsere Argumente von Mannheim nach Brüssel dringen.
Ein Referent wird Björn Schäfer sein, der den Botanikbereich bei der Stuttgarter Wilhelma leitet. Wie passen ein Zoo und Kaffee zusammen?
Schwarz: Da sind wir wieder beim Thema Biodiversität. Wenn ich die alten Sorten erhalte, habe ich die Antwort auf die aktuelle Klimasituation. Es gibt rund 150 Kaffee-Arten, davon 10 000 Varietäten. Angebaut werden aktuell aber fast nur die beiden Arten Arabica und Canephora. Wir sammeln seltene Kaffeepflanzen aus der ganzen Welt und geben das Saatgut dann an die Wilhelma. Dort betreibt Björn Schäfer eine internationale Sammlung, um diese Arten vor dem Aussterben zu bewahren. Inzwischen ist es eine der größten Sammlungen für Kaffee auf der Welt und die größte in Europa.
Studien zufolge könnte bis 2050 die momentan für den Kaffeeanbau geeignete Fläche um die Hälfte schrumpfen. Haben Sie eine Wunder-Pflanze entdeckt, die meinen täglichen Morgenkaffee sichert?
Schwarz: Wir setzen auf eine fast ausgestorbene Sorte, den Liberica. Die Liberica-Pflanze war verhasst, weil sie so hoch wächst. Aber sie hat Wurzeln, die sechsmal tiefer gehen als die aller anderen Kaffeepflanzen. Dadurch kann sie noch Wasser trinken, wenn die anderen Pflanzen schon verdorrt sind. Genau das macht sie zum Sieger, weil sie Dürreperioden viel besser überstehen kann. Es gibt nur noch ganz wenige Anbauorte für Liberica, zum Beispiel auf Borneo. Dort sammelt unser Partner an den entlegensten Ecken der Insel vergessene Liberica-Sorten ein. Inzwischen betreiben wir auf Borneo eine sieben Hektar große Testplantage.
Wie schmeckt denn Liberica?
Schwarz: Fantastisch, allerdings nur wenn man ihn richtig verarbeitet. Man darf ihn nicht so behandeln wie die bekannten Kaffee-Arten. Aber wenn er frisch verarbeitet wird, haben Sie den besten und bekömmlichsten Kaffee der Welt. Wir werden die Kaffeesorten von unserer Testplantage bei der Coffee Convention verkosten lassen. Das wird eine Weltpremiere.
Ein Thema der Convention sind auch die neuen Konsumtrends.
Schwarz: Die Trinkgewohnheiten von jungen Menschen haben sich massiv verändert. Die trinken lieber Cold Brews, also kalt aufgebrühten Kaffee. Der Trend heißt Erfrischung. Und Schwellenländer wie Indien oder Brasilien konsumieren jetzt größte Mengen Kaffee, während sie vorher gar keinen getrunken, sondern ihn nur produziert haben. Die werden in den nächsten fünf Jahren die Hälfte der Weltproduktion wegtrinken. Die Brasilianer haben beim Kaffeekonsum zum Beispiel schon die USA eingeholt, die jahrelang auf Platz eins waren.
Die Deutschen sind doch auch fleißige Kaffeetrinker?
Schwarz: Deutschland steht auf Platz drei. Aber Europa verliert als Abnehmermarkt an Bedeutung.
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