Literaturfestival

Warum Marlene Engelhorn ihr Millionen-Erbe verschenken will

Über Geld redet man nicht, man hat es. Marlene Engelhorn bricht mit diesem Tabu und erklärt bei ihrem Auftritt in Mannheim, warum sie in ihrer reichen Mannheimer Familie die Außenseiterin ist

Von 
Walter Serif
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Marlene Engelhorn vor ihrem Auftritt in Mannheim. © Thomas Tröster

Mannheim. Die eine ist das Kind einer erwerbslosen alleinerziehenden Mutter, die andere das einer steinreichen Mannheimer Familien-Dynastie. Da prallen zwei Biografien aufeinander, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Kein Wunder, dass am Dienstagabend die Alte Feuerwache in Mannheim ausverkauft ist. 315 Besucherinnen und Besucher kommen aus Neugierde zum Literaturfest Lesen.Hören, weil Francis Seeck und Marlene Engelhorn übers Geld reden. Das Publikum ist altersmäßig bunt gemischt, nicht nur Silberrücken, sondern auch auffallend viele junge Leute sitzen auf den Stühlen. Verständlich, gerade ihre Zukunftsperspektiven sind nicht besonders rosig.

Über Geld spricht man doch - und man teilt es.
Marlene Engelhorn Millionen-Erbin

Die Berliner Wissenschaftlerin Seeck und die Wiener Millionen-Erbin Engelhorn haben zwar unterschiedliche Kontostände, sind sich aber in einem Punkt einig: In Deutschland ist die soziale Ungerechtigkeit sehr groß, weil die Reichen immer reicher und deshalb die Armen auch immer ärmer werden. Beides hängt zusammen – damit auch die Biografien der zwei Schriftstellerinnen, die auch ein paar Passagen aus ihren Büchern vorlesen.

Zu wenig Pfeffer in der Debatte

Das hat streckenweise Proseminar-Charakter, aber das Publikum nimmt es dankbar auf. Und gelegentlich wird es ja auch ein bisschen lustig, dann gibt es sogar aufmunternden Beifall: Wenn die Forscherin Seeck zum Beispiel erklärt, dass sie über Klassismus forscht – was aber leider viele mit dem Klassizismus verwechseln würden. Und Aktivistin Engelhorn verbreitet zwar keinen Schmäh à la Hans Moser, ist aber wortgewitzt, den besten Spruch hebt sie sich für den Schluss auf – und macht die Pause an der richtigen Stelle: „Über Geld spricht man doch – und man teilt es.“

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Leider krankt die Veranstaltung ein wenig daran, dass die Wiener Moderatorin Brigitte Theißl ihre Rolle als reine Stichwortgeberin interpretiert. Dass die drei Frauen sich persönlich kennen – kein Problem. Dass Theißl mit Seeck ein Buch geschrieben hat – schon eher. Die Moderatorin stellt keine einzige unangenehme Frage, nicht weil sie eine unkritische Journalistin ist, nein, sie funkt halt auf einer Wellenlänge mit Seeck und Engelhorn. Dafür kann sie nichts. Ein konservativer Geist als Korrektiv hätte Pfeffer reingebracht.

So kann die Soziologin genüsslich mit Friedrich Merz abrechnen. Der CDU-Chef verhöhne Arme als faul und arbeitsscheu – deshalb muss niemand die Ungleichheit abschaffen, diese Menschen seien ja selber schuld an ihrem Schicksal, beschreibt Seeck, wie Merz die Welt sieht. Engelhorn kämpft wie ihre Schwester im Geiste gegen den Klassismus – also die Diskriminierung aufgrund Herkunft und Klassenzugehörigkeit. Sie will aber auch den „Überreichtum“ in ihrer Klasse abschaffen. Deshalb redet sie nicht nur über Geld, sondern verzichtet auf den Großteil ihres Vermögens. Das versteht in ihrer Familie keiner – im Publikum gibt’s dafür Beifall.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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