Kolumne #mahlzeit

Warum Gott doch existieren muss und nicht tot ist

Alya teilt ihrer Tischgenossin und ihren Tischgenossen mit, dass sie einen Beweis für die Existenz Gottes gefunden hat. Caro findet das "bullshit". Darauf passiert, was man durchaus als weiteren Gottesbeweis deuten könnte

Von 
Stefan M. Dettlinger
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© kako

Gott existiert“, sagt Alya und gibt Töchterchen Elin auf dem Arm durch arg sportliche Schaukelbewegungen einen kleinen Vorgeschmack dessen, was sie eines Tages erleben wird, falls sie auf dem Oktoberfest mal betrunken in einen Fliegenden Holländer steigt, „ich habe den Beweis.“

Blicke. Allgemeines Schweigen.

„Wird der Kleinen nicht schlecht?“, fragt Bela, „ich meine …“ Alya erklärt ihm, dass Elin in ihrem Bauch turbulentere Zeiten erlebt hat: „Was meinst du, was mit so einem Würmchen im Bauch passiert, wenn du über Mannheims Radwege holperst?“ Bela lächelt und denkt (was nur ein allwissender Erzähler wie ich wissen kann): Also schlagkräftig ist sie ja, wenn sie nicht so … ich könnte mich glatt verlieben. So weit kommt es aber vorerst nicht – auch weil Caro, die gerade verzweifelt an der Verwertung viel zu trockener Grünkernbrätlinge arbeitet, dazwischenfunkt: „Auf den Beweis bin ich gespannt. Los!“

Ich muss sagen, dass die Sache nun spannend wird. Die letzten ernst gemeinten Gottesbeweise sind schon ein paar Jährchen her und stammten von Leuten wie Cicero, Thomas von Aquin oder Kurt Gödel, der die Sache recht mathematisch anging. Mir persönlich gefällt, was den Beweis der Existenz Gottes angeht, diese (kosmologische) Folgerung: 1. In der Welt ist überall Bewegung. 2. Alles Bewegte wird von einem anderen bewegt, ergo nichts kann sich selbst die erste Bewegung geben. 3. Die bewegte Welt setzt einen von ihr verschiedenen Beweger voraus (der z. B. Gott sein könnte).

Es ist so simpel, dass ich mich schon frage, wie Nietzsche einfach sagen konnte: Gott ist tot. Okay, das setzt immerhin voraus, dass er mal da war. Und ist es nicht auch ein Wink mit dem Zaunpfahl des modernen Menschen: Hey, jetzt wo alles läuft und du die Welt in Bewegung versetzt hast, brauchen wir dich nicht mehr: „Schleich di!“

Ich halte es da immer noch mit Blaise Pascal, dem französischen Denker. Es ist besser, an Gott zu glauben, weil man ja nichts verliert, wenn er doch nicht existiert. Man ist aber auf der sicheren Seite, falls es ihn gibt. Also so ungefähr.

Was Alya nun erzählt, ist in Sachen Gottesbeweis neu, wie ich finde, weil es weder in die theologische, moralische, axiologische, kosmologische oder ontologische Richtung geht (mein Gott, was für Begriffe man für Dich braucht!). Alyas Beweis gehört am ehesten zum pragmatischen Sektor. „Mit Gott“, fängt sie an, „ist es wie mit dem Zweifel. Sobald er gesät ist, ist er da, vielleicht provisorisch überbrückbar, aber existent. Und sobald ich an Gott glaube – oder auch an ihm zweifle –, ist er da, ob ich will oder nicht.“

„Das beweist gar nichts, Alya“, sagt Caro kalt, „das ist pragmatischer Bullshit!“ Elins Mund entfährt jetzt ein Schwall weißgelblicher Masse, der auf Caros Brätling landet. „Ich sag’s doch“, sage ich, „die bewegte Welt setzt einen von ihr verschiedenen Beweger voraus. Da Elin, entschuldige Alya, kognitiv noch nicht in der Lage ist, Entscheidungen selbst zu treffen, muss dieser Schwall, der dir gilt, Caro, genau in diesem Moment von Gott initiiert worden sein.“ Caro findet das gar nicht lustig. Bela lächelt, ja, vielleicht Alya an …

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Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

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