Kolumne #mahlzeit

Wie sich Alya, Bela Caro und Detti über Weihnachten zoffen

Weihnachtsgeschenke oder keine Weihnachtsgeschenke - das ist die Frage in der streitsüchtigen Tischrunde unseres Kolumnisten Stefan M. Dettlinger, der am Ende immerhin eine versöhnliche Idee hat.

Von 
Stefan M. Dettlinger
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© kako

Logisch, Alya, Bela und ich sprechen auch über Banalitäten. Schenken zum Beispiel. Und das kam so. Eines Tages fing die rote Beete kauende Caro damit an zu erzählen, dass sie und ihre sechs (!) Geschwister im Einvernehmen vereinbart hätten, sich nichts mehr zu Weihnachten zu schenken, selbst falls sie sich, was in diesem Jahr mal wieder der Fall sein würde, sehen sollten. „Wir glauben eh nicht an Jesus als Sohn Gottes. Das war sicher ein cooler Typ, aber Gottes Sohn einer unbefleckten Empfängnis – so ein Quatsch! Entweder Josef war’s oder so ein römischer Triebtäter. Aus heutiger Sicht hätte Maria damals vielleicht schon die #metoo-Debatte lostreten können. Aber Emanzipation ist ja immer noch ein Fremdwort.“

„Du redest manchmal so einen Schrott, Caro, das ist kaum auszuhalten“, sagt Bela, „Weihnachten ist ein schönes Fest, man muss nicht an Jesus und Maria glauben. Rachmaninow reicht. Wer an das Schöne und Gute glaubt, glaubt. Basta! Außerdem lässt sich Weihnachten auch als Fest kultureller Identität begreifen – gemacht auch für Atheistinnen wie dich.“

Alya findet das alles traurig. Sie sei nun wirklich nicht gläubige Muslima im strengen Sinne, aber selbstverständlich fühle sie sich an den entsprechenden Festen in die Psyche der Gläubigen ein und nehme teil. „Das ist meine Identität. Und: Ich schenke, obwohl meine Ur-Kultur echt nicht das Christentum ist, an Weihnachten allen, die ich lieb habe, eine Kleinigkeit. Als Zeichen“, sagt Alya. „Ich freue mich schon“, meint Bela, und Caro: „Wer sagt denn, dass sie dich lieb hat? Also ich will und brauch’ nichts von dir, Alya.“

Also ich muss sagen: Das ist alles doch ziemlich krank. Viel zu verkopft. Die Eine oder der Andere wird es ja schon bemerkt haben: Ich fühle mich schon als Moralist und, ja, Religion ist etwas, was mich interessiert und vor dem ich großen Respekt habe. Aber kann man Weihnachten nicht einfach als Möglichkeit sehen? Als Möglichkeit für alle, Zwist und Gram mal pausieren zu lassen und, wie Jesus sagte, seine Feinde zu lieben? „Man sagt ja“, sage ich also, „dass man durch Geschenke Menschen und Götter gewinnt.“

„Wo hast du denn so’n Mist gelesen?“, fragt Caro schnippisch und ätzt: „Dann macht doch mit bei diesem scheißkapitalistischen Kommerz-Zirkus, bei dem Glühweinsaufen, Kartoffelpufferfressen und die besonders klimafreundlichen Heizpilze auf den Weihnachtsmärkten euch ,Frihihihiede auf Erden’ versprechen. Ich sage euch: Wo das Schenken zu Profit führt, ist das Schenken Geschäft in Reinkultur.“ Sie täte ihm echt leid, meint Bela jetzt: „Du bist eine Spaßbremse in Reinkultur, Caro. Komm, geh doch in den Keller zum Lachen, wenn du das überhaupt noch kannst!“

Alya und Bela trinken ihr Glas aus, stehen auf, sagen (einstimmig), dass sie sich von einer rote Beete kauenden Stimmungskillerin Weihnachten nicht verderben ließen – und gehen. „Hallo!“, rufe ich hinterher, „ich hätte da eine Idee, die ganz sicher nicht unter Caros Kapitalismusverdacht fällt: Schenkt Komplimente! Die sind nicht nur lieb. Komplimente sind auch garantiert Geschenke, die am 27. keiner umtauschen geht.

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Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

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