Kolumne #mahlzeit

Wie unser Kolumnist auf den Müll gekommen ist

"Alles, was ich tue, ist schlecht für den Planeten und das Leben auf ihm", sagt Stefan M. Dettlinger und stellt sich essentielle Fragen danach, was er noch anziehen und essen darf. Das Lupinensteak spielt eine wichtige Rolle

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Stefan M. Dettlinger
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© kako

Logisch, ich denke auch über die Art zu leben nach. Ich weiß ja nicht, wie es euch dort draußen, außerhalb meines Kopfes geht, aber manchmal weiß ich nicht mehr, wie ich leben soll. Alles, was ich tue, ist schlecht für den Planeten und das Leben auf ihm. Was ich anziehe, hinterfrage ich mittlerweile und kaufe schon Klamotten aus Plastikschrott, damit die geschredderten Makromoleküle noch einen zweiten Auftritt im Rampenlicht bekommen. Die schicke Hose, mit der ich beim Tennis die Bälle mit Wucht ins Nirwana schlage, war früher mal ein im Indischen Ozean herumtreibender Plastikdildo, der zuvor einem gestrandeten Blauwal Verdauungsprobleme bereitet hatte. Ist doch gut zu wissen. Also: Ich bin dabei, wenn wir die aus der BRD in arme Länder exportierten 766 Millionen Kilo Plastikmüll reduzieren wollen. Das entspricht übrigens dem Gewicht von 2,3 Milliarden meiner Tennis-Shorts.

Wie jämmerlich das alles doch ist. Platon hat über die Liebe philosophiert, Nietzsche vom Tod Gottes geträumt und vom Übermenschen, Slawoj Zizek hat nach einer Verbindung des Orgasmus mit dem „verfehlten Absoluten“ gesucht – und ich, ich denke darüber nach, was ich anziehen und essen darf. Okay, ich bin kein Philosoph oder so (sonst würde ich auch so schreiben, dass es keiner versteht, was manche behaupten). Andererseits: Wenn sich die Leute mit 180er-IQ früher mehr Gedanken über praktische Dinge gemacht hätten, wären wir jetzt vielleicht nicht in diesem Schlamassel. Was soll’s.

Jedenfalls ist es mit dem Essen noch schlimmer. Eine Katastrophe. Das, was mir am besten schmeckt, Rinderfilet, grüne Bohnen und Kartoffeln, verbiete ich mir und verbietet mir die Vernunft anlässlich der dräuenden Klimakatastrophe. So gut es geht. Es ist, wie wenn man dir als Baby die Muttermilch zeigt, du aber nicht nuckeln darfst. Alles, was Spaß macht, wird zu einem bleiernen schlechten Gewissen, das sich wie Mehltau auf die Seele legt. Um es mit Erika Fuchs zu sagen: Stöhn!

Also esse ich statt Rinderfilet Lupinensteak. Lu-pi-nen-steak! Ich wusste nichts von Lupinen, bis ich im Bioladen meines Vertrauens auf das Lupinensteak gestoßen bin. Lupinensteak schmeckt gut. Aber Lupinensteak hat null mit Fleisch zu tun. Ich bin sicher, wenn der Mensch immer nur Lupinensteak statt Fleisch gegessen hätte, hätte er nie die Atombombe erfunden. Sein Hirn hätte sich einfach nicht so gut entwickelt, um so schlechte Dinge zu erfinden. Egal: In jedem Fall muss man sich fragen, warum die Bio-Fuzzis ständig Sachen entwickeln, die aussehen wie irgendwas. Haben die keine Fantasie? Okay, ich komme ins Schwafeln, weil die anderen heute nicht da sind.

Dem Universum ist das alles eh egal. Für das All sind wir ja nur ein Vogelschiss des Urknalls (nur so darf man das Wort nach der Verbalvergewaltigung durch den Hetzer aus Karl-Marx-Stadt nutzen). Aber umgekehrt ist den Erdlingen auch der Kosmos egal. Dort wohnt ja nur einer: Gott! Sag mal, darf ich nun heute Rinderfilet essen? Nein! Lupinensteak! Okay: Ich glaube, ich verlege die Fastenzeit einfach vier Monate nach vorn. Ahoi!

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Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

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