Kommentar Bei Mannheims Baustellen muss im Zweifel gelten: Substanz schlägt Glanz!

Mannheim packt vieles an: Die Stadt baut, saniert, erweitert in schwierigen Zeiten. Das verdient Anerkennung. Und dennoch müssen vor allem kleine Projekte manchmal mehr gefördert werden, kommentiert Sebastian Koch.

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Mannheim. Wer mit Christian Specht über Mannheims Baustellen fährt, bekommt viel zu sehen: das neue Kombibad mit Kletterwand und spektakulären Becken, die Multihalle als bei einigen unterschätztes architektonisches Meisterwerk, das Nationaltheater mit all seiner Geschichte. Faszinierender lässt sich Stadtpolitik kaum illustrieren. Doch das Beeindruckende ist nicht immer das Relevante.

Denn so wichtig die großen Projekte für die Identität einer Stadt sind – das Rückgrat einer funktionierenden Kommune sind im wahrsten Sinne andere Baustellen: Kitas, Schulen, Mensen. Dort entscheidet sich, ob Familien den Alltag stemmen können oder Kinder faire Chancen erhalten. Auch hier investiert Mannheim – allein mehr als 50 Millionen Euro in die Humboldt-Grundschule, dazu eine neue Mensa in Rheinau-Süd oder eine Familienkita auf der Hochstätt, einem sowieso zu oft übersehenen Stadtteil. Dass all das weniger spektakulär wirkt, mindert die Bedeutung nicht. Im Gegenteil: Es zeigt, worauf es in Zeiten knapper Kassen ankommt.

Spektakuläre Bauten haben Strahlkraft, doch im Zweifel muss die Stadt dort noch mehr zurückstecken. Bildungs- und Betreuungsprojekte sind keine Kür. Gleiches gilt für die Infrastruktur.

Die Realität aber ist: Mannheim steht „an der Wand“, wie der Oberbürgermeister selbst sagt. Pandemie, Krieg, explodierende Baupreise, zurückgehende Gewerbesteuer – das hat aus ambitionierten Plänen einen finanziellen Drahtseilakt gemacht. Beim Kombibad haben sich die Kosten seit 2017 mehr als verdoppelt, auch in die Multihalle wurden bereits Millionen investiert, beim Nationaltheater fehlen – derzeit – sogar noch deren 40. „Mein Ziel ist, zu verhindern, dass laufende Projekte gestoppt werden müssen“, sagt Specht mit Blick auf kleinere Baustellen. Das ist verständlich. Aber ist das auch realistisch?

Infrastruktur (mit Video)

Nationaltheater, Kita, Mensa: Was tut sich auf Mannheims Baustellen?

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Dabei braucht es gerade jetzt richtige Prioritäten. Spektakuläre Bauten haben Strahlkraft, doch im Zweifel muss die Stadt dort noch mehr zurückstecken. Bildungs- und Betreuungsprojekte sind keine Kür. Gleiches gilt für die Infrastruktur. Eine marode Brücke ist folgenreicher als ein weiterer Aufschub eines Großprojekts – auch wenn Stillstände dort möglicherweise Strafen und weitere Kosten bedeuten, was das Dilemma verstärkt.

Mannheim packt vieles an. Die Stadt baut, saniert, erweitert. Das verdient zweifelsfrei Anerkennung. Aber die Gefahr ist, dass zu viele Baustellen auf einmal die Kräfte überfordern.

Mannheim hat in Krisenjahren enorme Dynamik entwickelt und große Anstrengungen gestemmt. Am Ende aber muss vor allem eines gelten: Relevant ist, was den Alltag erleichtert. Und da gilt: Substanz schlägt Glanz.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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