Für den Besuch einer Massenveranstaltung wie dem Glücksgefühle Festival braucht man Eigenschaften wie beispielsweise eine ausgeprägte Geduld oder eine Unempfindlichkeit gegenüber Körperkontakt mit fremden Menschen. Auf dem Hockenheimring ist es am Freitag selbstverständlich ebenfalls zu solchen Situationen gekommen.
Schwer zu meistern – vor allem, wenn man eine natürliche Eile in sich hat, wie es bei mir der Fall ist. Doch das Festival, das bereits bei der Premiere mit etlichen unterschiedlichen Ständen, Attraktionen und zahlreichen Farben von strahlend pink bis zu zu den grellsten Grüntönen an jeder Ecke fast für Überforderung sorgt, ist bei der zweiten Auflage nochmals größer geworden.
Ergebnis davon ist eine unbeschreibliche Reizüberflutung: Ob Challenges à la Pokémon Go, bei denen via GPS gewisse Dinge auf dem Gelände gesucht werden sollen, oder die Glücksoase, die mit psychedelischer Musik und tausenden bunten Luftballons in eine fremde Welt entführt – man weiß einfach nicht, wo man beginnen oder aufhören soll. Als ich dann bei strömenden Regen den Kaulitz-Zwillingen von Tokio Hotel bei ihrem größten Hit „Durch den Monsun“ zuhöre, wird mir plötzlich bewusst, dass die extreme Reizüberflutung meine Gedanken praktisch wie weggefegt hat und eine Leere entstanden ist, die mich kurze Zeit überfordert hat. Während die Regentropfen auf mein Haupt prasseln und ich komplett durchnässt diese Phase der Überglücksgefühle verarbeitet, denke ich mir: Was soll das eigentlich? Ist nicht manchmal weniger mehr?
Bei all den Superlativen, die Poldi uns hier auf dem Ring bietet, fehlt ein bisschen die Demut, der Ort zum Rückzug. Zwar gibt es etliche Chilloutbereiche, aber selbst dort herrscht Jubel, Trubel, Heiterkeit. Eine Auszeit nehmen kann man hier vergessen. Also bleibt einem nur eine Möglichkeit: Augen zu und durch, die volle „Festival-Experience“ verinnerlichen und geschehen lassen, was wohl an diesem Wochenende unvermeidbar ist: Mitmachen bei der schrillen, bunten und menschenüberlaufenen Party. Und wenn man ehrlich ist: Um Stars wie die Backstreet Boys oder Kontra K live und auch noch hintereinander erleben zu dürfen, ist dieser Preis nicht wirklich hoch.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Das Glück hat seinen Preis
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