Im Interview

Brühler Behindertenbeauftragter gibt Reisetipps für Menschen mit Handicap

Der Brühler Behindertenbeauftragte Rudi Bamberger verrät im Interview, worauf Menschen mit Behinderungen achten sollten, um ungetrübt die Urlaubsreise genießen zu können.

Von 
Ralf Strauch
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Dass Reisen mit Handicap möglich ist, beweist der Brühler Behindertenbeauftragte Rudi Bamberger mit seinem Urlaubsbild. © Rudi Bamberger

Brühl. Das Thema Barrierefreiheit betrifft viele Bereiche. Aber wie sieht es im Bereich Urlaubsreisen aus? Stufen vor der Sehenswürdigkeit oder schwere Sprache bei den Ansagen im Bus: Reisen kann für Menschen mit Behinderung schwierig sein. Aber es ist nicht unmöglich. Auch für Reisende mit Unterstützungsbedarf gibt es zahlreiche Möglichkeiten, Urlaub zu machen, egal, ob sie eine Gruppenreise planen oder lieber allein oder mit der Familie unterwegs sein wollen. Einige Reiseveranstalter haben sich sogar auf die Wünsche und Anforderungen von Menschen mit Behinderung spezialisiert.

Der Bühler Behindertenbeauftragte Rudi Bamberger gibt im Interview mit unserer Zeitung Tipps, worauf man beim stressfreien Reisen mit Handicap achten sollte.

Herr Bamberger, eine besondere Herausforderung dürfte wohl eine Flugreise sein, oder?

Rudi Bamberger: Nicht unbedingt. Man muss sich nur frühzeitig bei der Airline anmelden, am besten direkt bei der Buchung oder spätestens 48 Stunden vorher. Dann können Menschen mit Handicap einen „Special Assistance“ beantragen, der Hilfe beim Check-in, Sicherheitskontrolle, Boarding oder der Gepäckbeförderung gibt. Das läuft zumeist über das PRM-Formular – die Buchstabenfolge steht für Passengers with Reduced Mobility. Dabei gibt man Informationen zu Grad und Art der Einschränkung, zu notwendigen Hilfsmitteln wie Rollstuhl oder Atemgerät oder, ob man selbstständig gehen kann oder nicht, Hilfe beim Umsetzen braucht oder spezielle Hilfsmittel im Flugzeug – man darf auf dem Flug zwei Hilfsmittel kostenlos mitnehmen. Bei elektrischen Rollstühlen muss der Akku-Typ angegeben werden. Lithium-Akkus müssen eventuell ausgebaut und gesondert mitgeführt werden. Blindenführhunde dürfen in der Regel kostenlos mit in die Kabine.

Kostet das mehr beim Ticketkauf?

Bamberger: Nein, manchmal ist es sogar günstiger. Es gibt zwar keine gesetzlich vorgeschriebenen Ermäßigungen im Flugverkehr – einige Airlines bieten allerdings Rabatte. Und eine Begleitperson reist oft günstiger oder sogar kostenlos, bei bestimmten Einschränkungen, beispielsweise beim Merkzeichen „B“.

Was ist das Merkzeichen „B“?

Bamberger: „B“ steht für Begleitperson. Dieses Merkzeichen erhalten Menschen, die bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln regelmäßig Hilfe benötigen, etwa beim Überwinden der Stufen beim Ein- und Aussteigen, oder Hilfen zum Ausgleich von Orientierungsstörungen.

Worauf sollte man noch bei Flugreisen achten?

Bamberger: Man sollte eine Reiseversicherung mit Rücktrittsversicherung mit Behinderten-Zusatz abschließen. Zudem sollte man Medikamente und ein ärztliches Attest für Flugreisen mitnehmen – das ist vor allem bei Flüssigkeiten oder Spritzen wichtig. Den Behindertenparkplatz und Transport zum Flughafen sollte man gut im Voraus planen sowie Apps und Webseiten zur Barrierefreiheit nutzen.

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Das Reisen mit der Bahn ist aber auch nicht ohne, oder?

Bamberger: Es geht auch da mit der entsprechenden Vorbereitung gut. Dazu gehört, vor der Reise etwa mit der Deutschen Bahn die Mobilitätsservice-Zentrale, Telefon 030/65 21 28 88 oder per E-Mail an msz@deutschebahn.com, zu kontaktieren. Das sollte mindestens 24 Stunden vor Abfahrt passieren – besser natürlich früher. Dort kann man Hilfe beim Ein-, Um- und Aussteigen anfordern. Dazu sollte man angeben, welche Hilfsmittel man dabei hat, ob man eine Begleitperson oder Assistenzhund mitbringt.

Kostet das mehr?

Bamberger: Nein, sogar im Gegenteil. Mit einem Schwerbehindertenausweis mit Merkzeichen „B“, „G“, „aG“, „H“, „Bl“ gibt es ermäßigte oder kostenfreie Tickets im Fernverkehr, je nach Situation. Mit Vermerk „B“ ist auch in der Bahn die kostenfreie Mitnahme einer Begleitperson möglich. Menschen mit Handicap steht außerdem eine kostenfreie Nutzung des Nahverkehrs mit Wertmarke zu. Die Sitzplatzreservierung ist – auch für Begleitpersonen – kostenlos. Medizinische Hilfsmittel wie Rollstuhl, Rollator, Blindenstock oder CPAP-Gerät zählen nicht als Gepäck und sind kostenfrei.

Wie kommt man an diese Wertmarken für den öffentlichen Personennahverkehr?

Bamberger: Man hat einen Anspruch auf die Wertmarke, wenn der Schwerbehindertenausweis eines der folgenden Merkzeichen enthält: „G“ für erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr, „aG“ für außergewöhnliche Gehbehinderung, „H“ für hilflos, „Bl“ für blind oder „Gl“ für gehörlos. Diese Wertmarke berechtigen zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr. Das Beiblatt zum Ausweis mit der aufgedruckten Wertmarke erhält man für 104 Euro im Jahr oder 53 Euro je Halbjahr beim Versorgungsamt, das zuvor auch den Schwerbehindertenausweis ausgestellt hat. Man muss beides immer mit sich führen, wenn man mit Bus oder Bahn fährt.

Das ist die Theorie, aber sind die Öffentlichen Verkehrsmittel auch für Menschen mit Handicap geeignet?

Bamberger: Ja, denn es gibt immer mehr Niederflurbusse. Sie haben keinen Einstieg mit Stufen und oft eine ausklappbare Rampe. Das Fahrpersonal ist verpflichtet, beim Einsteigen zu helfen – im Grunde muss man einfach beim Einstieg um Unterstützung bitten. Es gibt außerdem speziell gekennzeichnete Stellflächen für Rollstuhlnutzer oder Menschen mit Rollatoren. Dabei ist es ratsam, den Sicherheitsgurt oder die Feststellung bei Rollstühlen zu nutzen und Rollator kippsicher abzustellen. Spezielle Sitzplätze für Behinderte sind meist vorne im Bus, nah an der Tür. Wenn man Hilfe beim Ausstieg braucht, sollte man dem Fahrer rechtzeitig vorher Bescheid geben.

Wie schaut es unterwegs mit Toiletten für Menschen mit Behinderung aus?

Bamberger: Da hat sich die Situation verbessert. Der Euro-WC-Schlüssel ermöglicht den Zugang zu über 12.000 barrierefreien Toiletten in Europa, beispielsweise an Bahnhöfen, Autobahnraststätten, in Fußgängerzonen, Behörden oder Einkaufszentren. Einen Anspruch darauf hat mit dem Merkzeichen „aG“, „B“, „H“, „BL“, „G“ und ab dem 70. Lebensjahr „GdB“. Ab 90 gibt es den Schlüssel auch ohne Merkzeichen. Es gibt ihn ferner, wenn man dauerhaft auf Hilfsmittel wie Rollstuhl, Rollator, Stoma oder Inkontinenzmaterial angewiesen ist. Der Euro-WC-Schlüssel kostet einmalig knapp über 30 Euro und man bekommt ihn über den CBF Darmstadt oder über den Behindertenbeauftragten der Kommune, also für Brühl bei mir. Ich beantworte auch gern allgemeine Fragen rund ums barrierefreie Reisen, die mir per E-Mail an rudi.bamberger@bruehl-baden.de zugeschickt werden können.

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