Im Interview

Dr. Helmut Orpel stellt Kunstkrimi „Die Erfindung der Wirklichkeit“  in Brühl vor

Kunsthistoriker und Autor Dr. Helmut Orpel liest aus seinem neuen Kunstkrimi in der Gemeindebücherei vor. Wir haben mit ihm über die Hintergründe zu seinem neuen Buch gesprochen.

Von 
Ralf Strauch
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Der Kunsthistoriker Dr. Helmut Orpel stellt in Kürze seinen neuen Kunstkrimi in der Gemeindebücherei Brühl vor. © orpel

Brühl. Kunsthistoriker und Buchautor Dr. Helmut Orpel wird seinen neuen Kunstkrimi „Die Erfindung der Wirklichkeit“ am Donnerstag, 28. September, um 19.30 Uhr in der Brühler Gemeindebücherei vorstellen.

Wir sprechen im Vorfeld mit ihm über die Hintergründe zu seinem neuen Buch, der als Krimis schon jetzt die Bestsellerlisten in der Metropolregion erobert.

Woher kommt bei Ihnen die Begeisterung, Krimi mit Kunstgeschichte zu verbinden?

Dr. Helmut Orpel: Studiert habe ich in Heidelberg Kunstgeschichte und habe das beruflich auch immer wieder gern gemacht. So kam es, dass ich seit Ende der 1980er Jahre als Redakteur für Fachzeitungen aktiv war – zeitweise auch als Chefredakteur – später habe ich auch eine eigene Kunstzeitung vertrieben. In dieser Zeit bin ich beruflich viel in der Szene herumgekommen, habe einige Städte und Museen hinter den Kulissen kennengelernt. Da habe ich auch viel kuratiert, also als kreativer künstlerischer Betreuer, Ausstellungen zusammengestellt und begleitet. In diesem Zusammenhang habe ich 1998 im Kontakt mit möglichen Fälschungen meinen ersten Roman geschrieben.

Das war bereits ein Krimi?

Orpel: Krimi ist bei mir immer so ein bisschen relativ. Manche sagen, meine Bücher seien eher keine Krimis, sondern ich würde Gesellschaftsromane schreiben – aber das ist nur ein Etikett.

Zur Person: Dr. Helmut Orpel

  • Der Autor Helmut Orpel wurde 1955 in Grünstadt geboren.
  • Er absolvierte eine kaufmännische Lehre und holte das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg nach.
  • Im Anschluss daran studierte er an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Kunstgeschichte, Philosophie und spanische Literaturwissenschaft.
  • Während der Promotionsphase Studienaufenthalte in Spanien und Mexiko.
  • Dissertationsschrift 1995 „Politische Kunst in der Zweiten Spanischen Republik“.
  • Bis 2007 Redakteur bei verschiedenen Kunstzeitschriften und Tätigkeiten als freier Autor.
  • 1998 erschien sein erster Roman, der in Italien spielt. Ab 2007 Dozententätigkeit im Fach Deutsch als Fremdsprache. Ab 2010 Lehraufträge im Bereich Fototheorie, Kunst-, Design- und Mediengeschichte.
  • Der Autor lebt seit vielen Jahren in Mannheim. Dort engagiert er sich auch politisch.
  • Er war 1980 Gründungsmitglied der Partei „Die Grünen“ und war 1983 Direktkandidat des Mannheimer Wahlkreises bei den Bundestagswahlen.
  • 1995 bis 1999 war er kulturpolitischer Sprecher der Grünen im Mannheimer Gemeinderat. ras

Gleichwohl haben ihre Bücher einen kriminalistischen Touch – oder sehen Sie das nicht so?

Orpel: Ja schon. Es gibt halt gewisse Parallelen zwischen kriminalistischen Nachforschungen im Metier und der Untersuchung eines speziellen Kunstwerks durch die Polizeibehörden. So dreht sich vieles in meinen Romanen um Fälschungen am Kunstmarkt.

Gibt es da Unterschiede zwischen den sogenannten alten Meistern und Künstlern der Moderne? Und wie erkennt man mögliche Fälschungen?

Orpel: Nehmen wir beispielsweise den modernen Maler Markus Lüpertz: Da muss man sich immer fragen, was ihn beim Malen antreibt, was er für Symbolik nutzt, um seine Bildinhalte rüberzubringen. Da hat die Untersuchung auf Echtheit der Bilder den Charakter einer forensische Diagnostik, bei der die Spurenlage analysiert wird – eben nur nicht bei einem Mord, sondern bei einem Kunstwerk.

Was heißt das?

Orpel: Man enthüllt als Kunsthistoriker und Kriminalist im weitesten Sinne bei der Untersuchung die Hintergründe des Bildes. Die Untersuchung von Motiven hat da schon sehr viel mit zu tun.

Aber die Bilder sind teilweise nicht sehr alt – wo ist da die Geschichte?

Orpel: Genau, doch auch sie stehen in einem gewissen historischen Kontext, der bis in die Gegenwart hineinreicht. Ich versuche deshalb als Autor immer auch ein Stück weit geschichtliche Hintergründe zur Entwicklung der Bilder zu bieten. Das ist ganz stark bei der „Erfindung der Wirklichkeit“ – meinem neuen Roman – zu erleben.

Hatten Sie als Kunsthistoriker schon Fälschungen in der Hand?

Orpel: Ja sicher. Verschiedene Arten von Fälschungen. In der Kunstgeschichte ist es schwer zu sagen, was vom Meister stammt und was nicht. Gerade in der Gegenwartskunst wird das alles wirklich relativ – eine Grauzone. Schauen wir uns das Thema meines ersten Romans an, die Dali-Grafiken. Da wurden quasi in Lizenz Werke als angeblich authentisch verkauft, obwohl der Künstler sie tatsächlich am Ende nicht mehr Hand angelegt hat. Der Originalbegriff in der Kunst ist da ein wenig schwierig. Das war schon in der Renaissance so, wie ich in meinem ersten Roman beschrieben habe. Ein weiteres Beispiel ist Rubens mit seiner fast schon industrialisierten Produktion von Bildern in Antwerpen.

Das heißt?

Orpel: Der Begriff Original ist in der reellen Kunstproduktion ein wenig dehnbar. Es sei denn, es geht um den Begriff der reinen, der bewussten Fälschung wie bei Wolfgang Beltracchi. Das ist dann ein klarer Betrug auf dem Kunstmarkt.

Wo ist die Grenze?

Orpel: Das ist schwierig zu sagen. Sehen wir uns den Pfälzer Künstler Karl Schleevogt an. Der wird gern – auch durch Auftragsarbeiten – nachgemalt und in Umlauf gebracht. Teilweise durch Maler, die ihn in eigenen Bildern nachgeahmt haben. Das waren stellenweise ganz ordentliche Maler – da wird es erst durch die Signatur zur Fälschung. Es bewegt sich viel in einer Grauzone.

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Haben Sie auch große Fälscher kennengelernt?

Orpel: Auf kleinerer Ebene schon, aber nicht unbedingt bei den ganz Großen, die den Kunstmarkt geschockt haben. Obwohl ich mit Konrad Kujau auch schon mal telefoniert habe – getroffen habe ich ihn aber nie.

Wie können Sie dann die Denkweise von Fälscher nachvollziehen?

Orpel: Bei meinem Roman hat die Fälschung einen aktuellen Bezug, es wird da fast schon industriell gearbeitet. Und da gibt es einen authentischen Bezug von vor zehn Jahren. Da kannte ich zwar in dem konkreten Fall nicht den Fälscher, wohl aber den Auftraggeber persönlich.

Was heißt das?

Orpel: Ein Galerist aus Berlin hatte interessante Ausstellungen in China organisiert und dann die geliehenen Originale scheinbar, so der Vorwurf, durch Kopien ersetzt.

Ist das nicht aufgefallen?

Orpel: Nein, das Bild war zeitweise verschwunden, bevor es erneut kurz auftauchte, um dann wieder beim Besitzer im Depot zu landen. Erst als der Besitzer das Bild dann später beleihen wollte, flog der Schwindel bei Sotheby’s wegen der falschen Maltechnik auf. Und das ist letztlich das Raffinierte: Diese Bilder schaut normal niemand mehr als Liebhaber täglich an, sie gehen als Wertanlage in die Tresore. Bis da etwas einem Betrachter beziehungsweise Kenner auffällt, das dauert seine Zeit.

Warum haben die Menschen die Bilder überhaupt im Tresor?

Orpel: Da geht es rein um die finanzielle Investition. Bei diesen Beträgen spielt einzig Geld eine Rolle. So macht die Geschichte den Wert – wie bei einer Aktie, nur steht bei Kunstwerken kein realer Wert dem Preis gegenüber. Diese Zahlen entziehen sich jeder vernünftigen Vorstellung. Sie sind das ideale Investitionsfeld, wenn man Geld irgendwie verschwinden lassen will.

Ist das bei den vielen Fälschungen auf dem Kunstmarkt nicht gefährlich?

Orpel: Durchaus. Die meisten Käufer kennen allerdings die Werke nicht, sie sind auf die Gutachter angewiesen. Das geht gut, solange die Gutachter ehrlich sind. Geraten auch sie ins kriminelle Milieu, wird es schwierig. Für die Investoren ist das Bild solang echt, solange nicht das Gegenteil behauptet und entsprechend beurteilt wird.

Stammt daher auch der Titel Ihres Romans „Die Erfindung der Wirklichkeit“?

Orpel: Ja, es ist eigentlich eine Metapher für eine Wirklichkeit, in der wir leben, die aber produziert wird – nicht durch die reale Wirklichkeit, sondern durch die Story, den Kontext hinter dem Momento. Der Wert wird also konkret auf der entsprechende Performanceebene gemacht. Das ist fatal.

Ist das nicht schade für die Kunst, im Spannungsfeld mit der Investition leben zu müssen?

Orpel: Ja natürlich. In den Museen hängt dadurch vielfach Mainstreamkunst – 50 Maler, die man unbedingt haben muss, um oben mitzuspielen. Doch die wirklich großen Kunstwerke verschwinden letztlich im Tresor.

Kunst wird so zum Anlagevermögen wie ein Sparbuch?

Orpel: Ja. Diese Anleger interessiert die Kunst nicht, es geht ihnen um das Anlagevermögen in Summen, den kein realer Wert gegenübersteht. Wenn man größere Summen verschwinden lassen möchte, bietet sich Kunst, die längerfristig im Depot verschwindet, wie gesagt, als Weg geradezu an. Die Investoren wiederum erkennen dann die Fälschung letztlich nicht, weil sie das Bild nur so selten sehen oder sie sich nicht auskennen.

Und das erzählen Sie in Ihrem Buch?

Orpel: Ja. Es kommt nicht mehr auf reale Werte an, sondern auf den Kontext, damit ein Werk im konkreten Fall einen Wert erhält – wie beispielsweise in Fonds. Es geht also über die Kunst hinaus auf die Perfomanceebene.

Info: Eintrittskarten zur Lesung können zu den Öffnungszeiten der Bücherei zum Preis von 15 Euro erworben werden. Sie hat montags, mittwochs und freitags zwischen 10 und 12 Uhr sowie 14 bis 18 Uhr für die Nutzer geöffnet.

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