Historisches

Es war keine Liebeshochzeit: die Eingemeindung von Rohrhof zu Brühl

Über viele Jahrzehnte hinweg war der Zwist allgegenwärtig. Die Einwohner des nördlichen Ortsteils waren Rohrhofer und keine Brühler – da war Streit vorprogrammiert, als 1878 beide Orte unter dem Zeichen des Hufeisens vereint wurden. Inzwischen gibt es die Grenzziehung in den Köpfen nicht mehr.  

Von 
Ralf Strauch
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Der Hofplatz vor 55 Jahren – links das frühere Gasthaus „Deutscher Hof“. Er war mit seinem landwirtschaftlichen Gut im Rücken des Fotografen lange Zeit das Zentrum des nördlichen Brühler Ortsteils. © vhbp

Brühl. Nein, es war keine Liebeshochzeit. Die Rohrhofer wollten schon seit Generationen nicht nach Brühl eingemeindet werden. Und so waren sie wohl vor 145 Jahren wie vom Donner gerührt, als niemand anderes als der Großherzog höchstselbst die beiden Ortsteile Rohrhof und Brühl unter dem Symbol des Hufeisens vereinte.

In dem an Einwohnerzahl stärkeren Brühl lebten 1878 rund 1100 Menschen in etwa 140 Häusern – in Rohrhof waren es keine 100 in neun Wohnhäusern. Gleichwohl brachten Rohrhof immerhin rund 473 Hektar Gemarkungsfläche mit Wiesen, Feldern und Waldstücken in die Vernunftehe ein, Brühl steuerte 659 Hektar bei.

Allerdings sorgte damals die großherzogliche Verordnung, wonach beide Orte künftig unter dem Zeichen des Hufeisens zusammengeschlossen werden, in Rohrhof absolut nicht für Begeisterung. Im Gegenteil, seit 1837 kämpfte die kleine Gruppe Rohrhofer einen erbitterten Kampf gegen die Eingemeindung.

Keine echte Verwaltung nach der Eingemeindung von Rohrhof in Brühl

Allen voran der Stabhalter Jakob Stauffer II. und sein Amtsnachfolger. Ihr Ehrenamt umfasste neben der Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit auf der kleinen Siedlung rund um den heutigen Hofplatz auch die Sicherstellung der Reinlichkeit, der Gesundheit, der Sittlichkeit, der Armenfürsorge, der Verkehrssicherung und der Feuerwehr, die Markt- und Gewerbekontrolle einschließlich der Aufsicht über Maße und Gewichte sowie die Bauaufsicht und Gemarkungskontrolle. Allerdings verfügte Rohrhof über keine wirkliche kommunale Verwaltung – die dem heutigen Grundbuchamt vergleichbare Behörde beispielsweise saß im Brühler Rathaus und die Kinder des Rohrhofs wurden fast durchweg in der Brühler Schule unterrichtet. Außerdem ließen die südlichen Nachbarn einiges an Geld in das benachbarte Hofgut fließen – etwa die mehreren 100 Gulden Sozialunterstützung für die unehelich dort geborenen Kinder. Zudem wurde ein großer Teil der Rohrhofer Gemarkung von Brühlern bewirtschaftet. Auf der anderen Seite genoss Rohrhof lukrative Rechte, etwa das Schäfereirecht oder die Bewirtschaftung der Waldstücke, die für entsprechende Einnahmen in Rohrhof sorgten.

Das Gasthaus „Schiff“ an der Ecke Schul- und Brühler Straße war beim Wechsel vom 19. ins 20. Jahrhunderts ein beliebter Treffpunkt der Rohrhofer. © vhbp

Da verwundert es nicht, dass sich der Brühler Gemeinderat 1843 an das Großherzogliche Bezirksamt Schwetzingen wandte, um eine „vollständige Vereinigung“ zu beantragen. Zudem wünschten alle in Rohrhof Lebenden – mit Ausnahme der Stabhalterfamilie Stauffer – eine solche Vereinigung, argumentierten die Brühler. Ob das so war, ist bis heute umstritten.

Funktionierende Verwaltung in Rohrhof mit der Stabhalterei

Und so widersprach der Stabhalter aus der Familie Stauffer vor dem Bezirksamt nach reiflicher Überlegung dem Antrag aus Brühl. Rohrhof, argumentierte er, verfüge mit der Stabhalterei über eine durchaus funktionierende Verwaltung. „Wir, die Haupteigentümer der Gemarkung Rohrhof, werden aber nie einverstanden sein“, sagte Stauffer zu den Plänen, dass zusammenwachse, was laut Brühler zusammengehöre. Denn genau dieses Einverständnis war laut damaliger Rechtssprechung Voraussetzung für eine Vereinigung der Hof- und der Ortsgemarkung.

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Insofern sei der „ganz unbegründete Antrag“ aus dem Brühler Rat in Bausch und Bogen abzulehnen. Das überzeugte sogar die Beamten der Regierung des Unterrheinkreises Mannheim. 1844 erfolgte der Beschluss, dass es keine Vereinigung geben wird.

Immer häufiger Streit zwischen Rohrhof und Brühl

Doch schon zehn Jahre später unternahm Brühl den nächsten Anlauf – diesmal mit Unterstützung eines Rechtsanwaltes. So wurde im Großherzoglichen Ministerium des Innern eine Eingabe gemacht, um sich Rohrhof doch noch einzuverleiben. So besäße die Hofgemarkung kein eigenes Vermögen, weshalb alle Investitionen für das Gemeinwohl über Umlagen zu finanzieren seien, stellte der Rat heraus. Der Widerspruch des Stabhalters zeigte erneut Erfolg, dem Brühler Antrag wurde 1855 seitens der badischen Obrigkeit nicht stattgegeben.

Immer häufiger kam es in der Folgezeit zwischen dem Stabhalter und dem Rat der Nachbargemeinde zu Streitigkeiten, weil Brühl weiterhin versuchte, seinen Einfluss in Rohrhof auszudehnen. Ein solcher Streitpunkt war auch die Hundesteuer, die von den Rohrhofern seit 1811 an die Gemeindeverwaltung Brühl gezahlt wurde, weil der Hof eben keine eigene Gemeindekasse hatte.

Auf dem Zunftbaum – hier kurz vor dem Aufrichten – zeigt der Gockel noch immer weithin sichtbar, dass man aktuell in Rohrhof ist. © zeuner

Das wollte Stauffer ändern, er wollte eine eigene Kasse, doch das war laut Rechtssprechung nicht möglich, denn Rohrhof hatte keinen Gemeindestatus, sondern war verwaltungsrechtlich lediglich ein Hofgut. Es folgten zahlreiche Beanstandungen hin und her – die Kinder aus Rohrhof kämen ihrer Schulpflicht nicht nach, eine Feuerlöschspritze fehle, ein Zuchttier sei nicht vorhanden, kritisierten die Brühler. Zwar bemühte sich der Stabhalter, die Missstände jedes Mal zu beseitigen, doch die Brühler bohrten weiter in den Wunden.

Der dritte Versuch einer Eingemeindung durch die Brühler startete 1878. Das Bezirksamt stellte damals auf einen entsprechenden Antrag hin dann auch tatsächlich fest, dass die Einwohner von Rohrhof im Grunde ja schon zu diesem Zeitpunkt das Brühler Bürgerrecht genössen, alle öffentlichen Bücher in Brühl geführt würden und im Gegenzug Rohrhof keine Gemeindeverbandskosten nach Brühl abgeführt hatte. 1878 beschloss daraufhin „seine Königliche Hoheit der Großherzog in allerhöchster Staatsministerialentschließung“ die amtliche Vereinigung von Brühl und Rohrhof.

Rohrhof und Brühl wächst zusammen

Von diesem Zeitpunkt an wuchs Rohrhof zwar kontinuierlich, doch die Zweifel am Nutzen des Zusammenschlusses blieben. Alles, was Rang und Namen hatte, formierte sich im Widerstand, der 1911 darin gipfelte, beim Innenministerium zu beantragen, die Verbindung mit Brühl zu kappen und lieber nach Mannheim eingemeindet zu werden. Das Ministerium lehnte das Ansinnen recht zügig ab, doch die Separatistenbewegung der „Göggel“ war nicht ausgebremst. Noch nicht einmal als im April 1944 Teile von Rohrhof der Nachbarstadt Mannheim zugeschlagen wurden.

Doch je mehr Menschen während der Nachkriegsjahre in die Hufeisengemeinde zogen, desto mehr weichte die frühere gedankliche Grenzziehung mit der baulichen Verschmelzung auf. Zwar wird in Rohrhof nach wie vor ein gewisser Lokalpatriotismus gepflegt, allerdings ist das mehr Brauchtumspflege denn Trennungsbestrebung – es gibt keine wirklichen Grenzen mehr zwischen den beiden Ortsteilen.

Redaktion

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