Brühl. Mit den Worten „klein, aber fein“ wird das Gotteshaus der evangelischen Kirchengemeinde im alten Brühler Ortsteil gern umschrieben. Vor 135 Jahren begann die Baugeschichte dieses Gebäudes, das erst mit Tricks und Kniffen zu dem wurde, was es heute ist: eine Kirche. Ursprünglich war an der Stelle nämlich nur ein Betsaal genehmigt worden. Doch schon bei der ersten Vorstellung der Pläne im September 1887 stimmte die Gemeindeversammlung dem Bau des Gotteshauses am Ortsausgang Richtung Schwetzingen zu – unter der Hand einigte man sich eine richtige Kirche mit Turm und allem Drum und Dran zu bauen. Doch von diesem Handstreich ahnten die Kirchenoberen vor 135 Jahren noch nichts, als sie ihren bereits über 30 Jahre zuvor versprochenen Zuschuss von rund 1700 Reichsmark aus den Töpfen der Landeskirche für den Betsaal in Brühl überwiesen.
Doch Balancieren wir noch ein paar Schritte auf dem Zeitstrahl zurück. Die Religionsgeschichte in Brühl stellt sich nämlich besonders verzwickt dar. Im 15. Jahrhundert hatte die Kurpfalz ein Viertel des Dorfes erworben, die übrigen Teile unterstanden, wie seit Jahrhunderten, dem Bischof von Speyer. Da die Kurfürsten damals zumeist protestantisch waren, führte das immer wieder zu Streitigkeiten, die nur etwas besser wurden, als Speyer 1709 seine Rechte an dem Weiler an die Kurpfalz verkauften. Dennoch hatten es die Evangelischen danach nicht unbedingt einfacher, denn aus dem protestantischen Haus der Wittelsbacher wurde später ein katholisches. Das zähe Ringen um das einzige Gotteshaus in Brühl wurde erst gelöst, als 1751 eine evangelische Kirche gebaut wurde – ein sehr einfaches Holzgebäude mit Lehmboden. Durch die napoleonischen Kriege war dessen Zustand allerdings so desolat, dass es abgerissen werden musste.
Nachdem in der Zeit von 1855 bis 1858 eine großangelegte Initiative für einen evangelischen Kirchenbau ihr Ziel nicht erreicht hatte, wurde ab 1880 ein neuer Anlauf mit zahlreichen Verhandlungen und inoffiziellen Gesprächen unternommen. Damals zählten rund 200 Menschen zur evangelischen Kirchengemeinde Brühl. Abraham Linder, Sohn des Bürgermeisters, und Philipp Wegele wurden zur treibenden Kraft des Unternehmens.
Finden eines Baugrundes
Zunächst musste ein Baugrundstück für den Betsaal, wie das Projekt offizielle genannt wurde, gefunden werden. Das war nicht einfach. Der angestammte Platz nahe der später erbauten Schutzengelkirche gehörte inzwischen der Kommune, die evangelische Collektur Mannheim, also die kirchliche Liegenschaftsverwaltung, favorisierte ein Grundstück im Gewann „Görn“ und die Kirchenältesten in Brühl den heutigen Standort der Kirche im Gewann „Hinter den Dorfgärten“.
Dieses Areal sollte es am Ende des Meinungsfindungsprozesses dann auch sein: 30 Mal 18 Meter groß, 320 Reichsmark teuer. Und so ging es an die Gebäudeplanung. Wegele stellt der Gemeindeversammlung den Entwurf vor, der bei Baukosten von gut 6500 Reichsmark angepeilt wurden – nach der Billigung durch die Kirchengemeinde erfolgte im Frühjahr 1888 die Vergabe der Arbeiten für den offiziellen Betsaal. Allerdings sorgte es zunächst für ein wenig Verwunderung, als die Kirchengemeinderäte kurzerhand die Gebäudefläche auf plötzlich acht mal 14 Metern erweiterten – ohne Absprache „mit oben“.
Aber, was soll’s. Die Bauunternehmer waren willig. Als auch noch unter der Hand die Arbeiten für das kleine Türmchen als Dachreiter vergeben wurde, war klar, was die Absicht war. Der Schwetzinger Pfarrer Wilhelm Hammel, der auch Brühl betreute, fiel aus allen Wolken. Obwohl er den Bau des Betsaals unterstützt hatte, war mit dem Umschwenken des Kurses hin zu einer Kirche nicht unbedingt einverstanden. Doch er kämpfte für den Alleingang seiner Schäfchen beim Oberkirchenrat und bekam schließlich den Segen von dort.
„Die Bauarbeiten gingen von Juni bis September 1888 zügig voran“, berichtet im „Brühler Heimatbuch“ der evangelische Pfarrer i. R. Oskar Ackermann, „der unverputzte Backsteinbau hatte in seinem Innern eine Empore mit vier Bankreihen, unten im Schiff standen zu beiden Seiten des Ganges neun beziehungsweise elf Bänke, ein hölzerner Altar stand in der Mitte vor der Stirnwand der Kirche, darüber an der Wand war eine ebenfalls hölzerne Kanzel mit Schalldecke angebracht. Zwei Glocken wurden im schiefergedeckten Türmchen aufgehängt.“
Sanfte Revolution zeigt Erfolg
Die sanfte Revolution der Brühler Protestanten hatte also letztlich Erfolg gezeigt. 1888 wurde ein richtiges Gotteshaus und nicht nur ein Betsaal in Brühl geweiht. Und auch die Kirchenoberen sahen in dem Gebäude nunmehr „einen Tempel des Friedens und bürgerlicher Harmonie“. Auch wenn der sonntägliche Besuch der Kirche am Ende hinter den Erwartungen zurückblieb, waren die Kirchenältesten mit ihrem Vorgehen insgesamt doch sehr zufrieden.
Als Ergebnis entstanden in den Jahren 1888 bis 1913 am damaligen Ortsrand von Brühl Richtung Schwetzingen drei kirchliche Gebäude. Die Kirche, das Pfarrhaus und das Gemeindehaus mit dem Kindergarten – zusammen erwuchs so das erste evangelische Gemeindezentrum. 1957 wurde die Kirche umfassend renoviert und um einem Choranbau erweitert. Zwischen Kirche und Pfarrhaus wurde die Sakristei gebaut. 1988, zu ihrem 100-jährigen Bestehen wurde die Kirche renoviert. Landesbischof Dr. Klaus Engelhardt hielt dazu in einem Zelt die Festpredigt.
Ab 1960 wurde über den Neubau einer Kirche für den Ortsteil Rohrhof nachgedacht. 1996 ist dann endlich – die evangelische Kirche scheint traditionell geduldig zu sein – die feierliche Einweihung des evangelischen Gemeindezentrums beim Steffi-Graf-Park durch Prälatin Ruth Horstmann-Speer.
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