Brühl. Einen Schuss vor den Bug erhielt die Kollerfähre 2019. Damals forderte das Rechnungsamt des Landes die grün-schwarze Regierung rigoros auf, deren unwirtschaftlichen Betrieb einzustellen. Die Folge waren hitzige Diskussionen und Proteste. Die Mittel für diese Rheinquerung zwischen den Brühler Ufern sollten bis Ende 2021 eingestellt werden. Und doch pendelt sie noch immer – inzwischen seit 190 Jahren zwischen den beiden Brühler Rheinseiten. Die Gründe dafür sind eine Teilprivatisierung und ein tiefer Blick in historische Dokumente.
Über mehrere Monaten waren sich verschiedene Juristen uneins, ob die Fähre – vergleichbar einer Brücke – ein den Rhein überquerendes Stück Landesstraße ist oder nicht. Weil das letztlich als gegeben angesehen wurde, war für die „schwimmende Straße“ das Land zuständig.
Die Brühler Kollerfähre entspringt einem großherzoglichen Erlass
Der Betrieb der Kollerfähre geht zudem zurück auf den großherzoglichen Erlass von 1834. Seit Bestehen des Landes Baden-Württemberg wurde der Fährbetrieb ununterbrochen aufrechterhalten. Nach dem bis 1945 geltenden preußischen Wegerecht sei die Fähre damit zur öffentlichen Straße geworden und falle als Bestandteil einer Landesstraße in die Straßenbaulast des Landes, argumentierte damals der Kreis.
Aber zwischen den Brühler Ufern pendelt nicht nur die „schwimmende Straße“, sondern viele Jahre auch ein „schwimmende Brücke“ – und für die war die Bundeswehr zuständig. Dr. Volker Kronemayer erinnert als Vorsitzender des Vereins für Heimat- und Brauchtumspflege an diese Zeit der militärischen Rheinverbindung bei Brühl. Dazu zeigt er ein Foto, auf dem man eben nicht nur die Kollerfähre erkennt, sondern auch auf der anderen Rheinseite eine solche militärische Schwimmbrücke und auf dem Ufer dahinter die Barackenunterkünfte der Besatzungen. „Wegen der ständigen Hochwassergefahr waren diese Gebäude auf Stelzen errichtet worden“, erklärt der Historiker.
Dieser militärische Teil der Brühler Flussquerung sei zwischen den 1950er und 1990er Jahren betrieben worden. „Die Bundeswehrfähre hatte ihren letzten großen Auftritt beim Brühler Kollerfest im Juli 1984“, erinnert sich Kronemeyer. Zu dem Fest, mit dem die Gemeinde damals auf 150 Jahre Kollerfähre zurückblickte, kamen mehrere Tausend Besucher. Ein Andrang, der nur dank der Schwimmbrücke der Bundeswehr bewältigt werden konnte.
Vier Motoren trieben die Brühler Fähre damals an
Immerhin konnte dieses Wasserfahrzeug bei jeder Überfahrt rund 300 Personen samt ihren Fahrrädern auf die andere Rheinseite bringen. Vier Motoren mit jeweils 250 PS trieben die Fähre an – da konnte das zivile Pendant laut Kronemayer nicht mithalten, sie verfügte im Vergleich dazu nur über zwei 140 PS starke Antriebe. Und die Besatzung war bei der Bundeswehrfähre ebenfalls größer, denn neben dem Fährführer steuerten sechs Maschinisten das Gerät und drei Einweiser achteten auf die Passagiere, zählt Kronemayer zusammen.
Von der Bundeswehr war beim Kollerfest der zweite Zug des dritten Schwimmbrückenbataillons 850 Speyer, der in Brühl in dem Stelzengebäude beim Anleger der Fähre auf der Kollerinsel stationiert war, unter dem Kommando von Hauptmann Hans-Gerd Böhme verantwortlich. Der Offizier bezeichnete seine Truppe als die „älteste Einheit der Bundeswehr“.
Denn diese Brühler Brückenstellen der Bauart Bailey wurde bereits zur Zeit der amerikanischen Besatzungszone betrieben – damals allerdings ausschließlich von Zivilisten im Dienst des US-Heeres. Bei der Gründung der Bundeswehr wurde diese Einheit kurzerhand übernommen. Zum Zeitpunkt des Kollerfestes waren bei den Rheinübergängen in Brühl und Rheinhausen, für die das Bataillon zuständig war, 90 Personen im Einsatz – etwa die Hälfte davon Zivilisten.
Die Zivilbeschäftigte waren im Verein "Brühler Schwimmbrückenpioniere"
Die zahlreichen Zivilbeschäftigten fanden sich im Verein „Brühler Schwimmbrückenpioniere“ zusammen. Vor allem an den Wochenenden konnten die Vereinsmitglieder die Zeit auf dem Bundeswehrstandortgelände genießen, erinnern sich deren Mitglieder gern, weiß Kronemayer zu berichten.
Doch warum betrieb die Bundeswehr überhaupt solche Ersatzübergangsstellen, wenn es doch zahlreiche feste Brücken und Fähren flussaufwärts und -abwärts gab und gibt? Und warum sind so viele Anlandungspunkte, die volkstümlich als Nato-Rampen bezeichnet werden, beidseitig des Rheins zu finden – bei Brühl gibt es rechtsrheinisch gleich zwei davon? Während des Kalten Krieges wurden in der Bundesrepublik solche Ersatzübergangsstellen geschaffen, um im Verteidigungsfall den Transport von Panzern und anderen militärischen Fahrzeugen mithilfe von Amphibienfahrzeugen, Landungsfahrzeugen und Behelfsbrücken über den Rhein sicherzustellen. Sie waren für Ponton- und Schwimmbrücken wie in der Hufeisengemeinde vorgesehen.
Das deutsche Militär war sich damals sicher, dass der Gegner – man sprach nur hinter vorgehaltener Hand davon, dass der Warschauer Pakt heißen dürfte – im Kriegsfall alles tun würde, was in seiner Macht stehe, um die Bewegung des Nato-Militärs zu behindern. Er würde, so war man sich einig, bestehende Brücken zerstören. Und deshalb bereiteten sich die Pioniere der Bundeswehr bei Brühl darauf vor, mit eigenen Wasserfahrzeugen schweres Gerät über den Rhein transportieren zu können.
Mit der deutschen Einheit werden die Brühler Kompanien aufgelöst
Nach der Wiedervereinigung veränderten sich auch die Strukturen der Bundeswehr. Die Kompanien des Schwimmbrückenbataillons 850, die ihren Sitz übrigens über viele Jahre in Bensheim hatte, wurden im September 1993 aufgelöst.
Und damit ist auch die Schwimmbrücke bei Brühl nur noch Erinnerung. Einzig die Nato-Rampen erinnern noch an diese Zeit des Militärstützpunktes in Brühl, die angesichts der 190-jährigen Geschichte der Kollerfähre allerdings wie eine eher kurze Epoche wirkt.
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