Brühl. Hans Kammerlander ist einer der legendärsten und größten Extrembergsteiger unserer Zeitgeschichte und ein ganz bodenständiger sowie sympathischer Mann obendrauf. Der Südtiroler gastiert am Dienstag, 12. November, 20 Uhr, Einlass 19.15 Uhr, in der Festhalle in Brühl mit seiner Multivisionsshow „Manaslu - Der Geisterberg“ und sehr persönlichen Geschichten, die er mit diesem - für ihn - Schicksalsberg verbindet.
Katja Bauroth sprach mit dem 67-Jährigen über den Bergsport und dessen Veränderung, über die Pläne für 2025 mit einem besonderen Jubiläum und warum er so gern in die Kurpfalz kommt. Da der Alpinist und die Autorin einander seit etlichen Jahren kennen, schon einige Interviews geführt sowie einen Podcast aufgenommen haben und auch schon gemeinsam auf Bergtouren waren, sind sie per Du.
Hans, du warst gerade wieder in der Welt unterwegs, wo genau?
Hans Kammerlander: Ich bin aus Nepal zurückgekommen. Dort war ich mit einer tollen Gruppe im Tsum Valley unterwegs. Wir sind eine wunderschöne neue Trekkingroute gegangen, sehr traditionell, eine tolle Kulturrunde. Dieses Mal waren wir ohne technische Ausrüstung unterwegs, bis auf 4500 Meter hinauf.
Wann warst du zuletzt mit technischer Ausrüstung in den Bergen?
Hans Kammerlander: Den ganzen Sommer über war ich in den Dolomiten klettern. Auf den richtig hohen Bergen - also über 7000 Meter - war ich das letzte Mal im Jahr vor Corona.
Lässt du es seitdem grundsätzlich ruhiger angehen?
Hans Kammerlander: Ich mag mich einfach nimmer so plagen, das habe ich lang genug getan und jetzt will ich die Berge genießen. Mir tut zwar nichts weh und die Routine ist da, aber ich muss mich nimmer in einem Zelt am Berg herumplagen, das habe ich zu viele Jahre immer am Limit gemacht. Dazu fehlt mir mittlerweile die Lust.
Spürst du in deiner Südtiroler Heimat, dem schönen Tauferer Ahrntal, eine Veränderung in Bezug auf den Bergtourismus: Hat das seit Corona zu- oder abgenommen?
Hans Kammerlander: Das hat brutal zugenommen! Vor allem junge Menschen sind viel unterwegs und das mit großer Freude, das ist sehr interessant zu beobachten. Ich glaube, die Leute wollen weg von dem, in meinen Augen, „verseuchten“ Tal. Ich habe das Gefühl, die ganzen Verordnungen oder, wenn jemand den Fernseher einschaltet, diese Talkshows, dieses Gerede, das macht die Leute komplett verrückt. Es wird nur geredet, doch es geht nichts weiter. Partei hin, Partei her - das ist wie eine Bundesliga: Anstatt sich um Sachen zu kümmern, die wichtig wären, diskutieren sie sich einen Wolf - und es passiert nichts. Die Leute werden zu viel an der Nase herumgeführt. In der Natur ist dieses Thema nicht da, da kann man frei sein - so wie in Nepal: Die Menschen leben oben in den Bergregionen, die dürfen selber denken und das funktioniert hundertmal besser. Die Politik ist eine Riesenhure geworden, ich glaube, das ist überall so. Das führt zu einer Verdrossenheit unter den Menschen. Ich glaube Politikern sowieso nicht und lasse mich auch nicht von ihnen einladen. Man kann es nicht ändern, aber man darf sich nur nicht mitziehen lassen von dem ganzen Getue, vor allem, wenn man spürt, dass alles ein Quatsch ist.
Ist das auch für dich ein Grund, immer wieder die Freiheit der Natur zu genießen?
Hans Kammerlander: Ja, weil da kannst du dich entfalten. Das ging beim Leistungsalpinismus nicht, da war der Druck da, weil du am Limit unterwegs warst: Du hast den Gipfel erreicht und es war keine Zeit, das Schöne zu verarbeiten, dich zu freuen, da der Kopf schon wieder beim nächsten Ziel war - es war ein Wettlauf. Jetzt sehe ich die Natur und alles ganz anders, das ist sehr schön. So wie früher.
Gutes Stichwort: 2025 hast du wieder einige Touren geplant, bei denen dich Interessierte begleiten können - das Programm gibt’s auf deiner Internetseite. Neben Nepal geht’s natürlich nach Südtirol in die Dolomiten und auf deinen Hausberg, den Moosstock, unter anderem am 31. Juli. Es ist dann genau 60 Jahre her, dass du als damals Achtjähriger zum ersten Mal auf diesen Dreitausender hoch über deiner Heimatgemeinde Sand in Taufers und deinen Heimathof in Ahronach gestiegen bist. Welche Erinnerungen begleiten dich gerade beim Moosstock?
Hans Kammerlander: Ich gehe jedes Jahr ein- oder zweimal mit Gruppen auf den Moosstock, aber auch so mal privat, um mir zum Beispiel den Sonnenuntergang anzuschauen. Wenn du da oben stehst und die Weite, die Entfernung siehst, das ist schon beeindruckend. Sonst wäre ich auch als Kind da nicht weitergegangen. Dabei kommen viele Erinnerungen hoch, gerade an die Jugendzeit. Auf dem Hof, auf dem wir gelebt haben, war eigentlich nichts - als ich klein war, gab es da nicht mal elektrisches Licht. Da gab es nichts geschenkt, nur Arbeit. Und wenn wir mal etwas bekommen haben, daran erinnere ich mich noch heute gut. Heutzutage wird diese Freude, das Kindsein, den Kleinen durch diese digitale Welt komplett genommen. Die bekommen ein Gerät, ein Smartphone oder Tablet, in die Hand gedrückt, damit sie Ruhe geben, aber diese schöne Jugendzeit haben sie, glaube ich, nicht mehr. Obwohl es hart war, habe ich sie erlebt, weil Kleinigkeiten Freude bereitet haben. Mehr hatten wir eben nicht gehabt.
Kannst du dich aus deinen Kindheitstagen noch an ein Weihnachts- oder Geburtstagsgeschenk erinnern, was für dich ganz besonders war?
Hans Kammerlander: Ja, zum Beispiel eine Schachtel Skiwachs. Das war nur eine Kleinigkeit, doch wir hatten damals selbst gemachte Ski, so Holzbretter. Wenn du dann plötzlich ein Wachs kriegst und der Ski rutscht hundertmal schneller, das war so ein Spaß und ein tolles Geschenk.
Wirst du etwas Spezielles zum Moosstock-Jubiläum planen?
Hans Kammerlander: Nein. Das wäre zu gekünstelt.
Dein Jahr ist durchgeplant, du bist viel unterwegs.
Hans Kammerlander: Ja, ich habe keine Ruhe, bin viel unterwegs zwischen den Vorträgen und Terminen. Aber ich lass’ mich nicht stressen. Ich bin gern unterwegs, aber ich nehme mir auch viel Zeit für Hobbys wie Handarbeiten mit Holz oder meine Oldtimer. Ich lass’ mich nicht so treiben wie mein Freund Reinhold Messner. Mit 80 nimmt er, in meinen Augen, zu viele Termine an. Das würde ich nicht machen. Da würde ich sagen: Genieß’ ein bissl mehr die Zeit und nimm’ weniger Termine an, das schaffe ich locker.
Und du schraubst noch an deinen Oldtimern, oder?
Hans Kammerlander: Oh ja, brutal! Ich habe heute Vormittag schon wieder mit Spezialisten geschraubt und restauriert. Ich habe spezielle Oldtimer, zum Beispiel einen VW Käfer, der an dem Tag, an dem ich geboren wurde (6. Dezember 1956), auf die Straße gestellt wurde. Bin ich mit dem unterwegs, denkt man: Jetzt gehen die zwei Gruftis auf Reisen ... Ich fahre die Oldtimer gerne, gerade in den Dolomiten. Wenn ich damit zum Klettern fahre, freue ich mich schon auf die gemütliche Rückreise, da verbinde ich zwei Hobbys miteinander.
Du bist mit dem „Geisterberg“ in Brühl zu Gast. Um was geht es da?
Hans Kammerlander: Das ist eine Biografie. Ich spreche über Momente in meinem Leben, wobei der Berg, der mein Leben am meisten geprägt hat, der Manaslu ist, eben durch die Rück- und Schicksalsschläge, die ich dort erlebt habe, und weil ich dort noch nicht am Gipfel war. Dabei ist er einer der leichten 8000er, aber so kann es halt sein.
Glaubst du, dass es im Leben durchaus Dinge geben muss, die unerreichbar bleiben?
Hans Kammerlander: Ich glaube schon, dass das auch wichtig ist. Wenn ich zurückdenke an den ganz weiten Weg über alle Kontinente, fallen mir ganz häufig die Geschichten ein, wo ich nicht am Gipfel war. Das sind meistens die härtesten Geschichten.
Zum Podcast
- Die schönsten Geschichten schreibt das Leben mit seinen Begegnungen. In unserem Podcast „Leben.Lieben.Lachen.“ greifen wir solche Begegnungen auf. Katja Bauroth nimmt ihre Hörer mit auf Reisen und trifft dabei auf spannende Menschen – einer davon ist der Südtiroler Spitzenalpinist Hans Kammerlander. Mit ihm spricht Bauroth unter anderem über dessen Heimat, das Tauferer Ahrntal, die Kindheit, in der sich die Faszination für die Berge entwickelte, wie sich der Gipfelerfolg von einst heute in Gipfelglück verwandelt hat und die Liebe zu Oldtimern. Auch verrät der 64-Jährige, was für ihn heute Glück bedeutet und welche Rolle seine 13-jährige Tochter dabei spielt.
- Den Podcast sowie weitere Folgen gibt es auch auf Deezer, Spotify, Podigee, Apple Podcast und Amazon Music.
Du bist oft in Nepal, unterstützt das Land auf vielfältige Art, hast dort unter anderem Schulen. Was bedeutet dir Nepal?
Hans Kammerlander: Unheimlich viel. Ich habe dort immer meine Energie getankt. Wenn du vom Berg kommst und musstest Freunde dort zurücklassen, hat mich die Herzlichkeit des nepalesischen Volkes aufgefangen. Die Menschen dort können viel besser Schicksalsschläge verarbeiten als wir, das habe ich auch nach den schweren Erdbeben erlebt: Die Leute trauern ein, zwei Tage, dann schauen sie jedoch nach vorn, weil sie wissen, dass sie das Geschehene nicht mehr ändern können. Sie haben mir in dieser Hinsicht viel gegeben, deshalb möchte ich sie auch mit Menschen besuchen. Und wenn ich mit den Leuten von der Trekkingtour zurückkomme, sind die meisten „geheilt“, sie sehen die Welt ein bisschen anders. Meine Projekte dort sind meine Herzensangelegenheit. Vor allem habe ich jetzt auch Zeit, mal ein Waisenhaus zu besuchen, dessen Aufbau ich unterstützt habe, oder meine Schulen - und die strahlenden Kinder dort zu erleben ist schöner als alle Achttausender zusammen! Das ist auch die Zukunft und der Grund, nach Nepal zu reisen. Gerade die Freude der Kinder über Kleinigkeiten zu erleben ist einfach wunderschön. Das Lachen der Kinder ist ehrlich, von innen heraus, das gibt dir etwas zurück.
Wenn du in Brühl sein wirst, gehst du da mit einem bestimmten Konzept auf die Bühne?
Hans Kammerlander: Ich bin spontan und spreche frei. Wenn ich auf die Bühne steige, geht auch mein Puls nicht hoch. Ich bin da und freue mich, vor allem, Eindrücke zu erzählen, weil ich mit den Menschen, die gerne unterwegs sind, auch gerne meine Eindrücke teile, und die werden in Brühl da sein. Das sind alles Naturfreunde, Bergfreunde. Man spürt auch, wenn man beim Erzählen den Nagel auf den Kopf trifft, gerade auch bei Motivationsseminaren etwa in Unternehmenskreisen, die ich halte. Wenn du ein Unternehmen in den Sand setzt, ist das was anderes, als wenn du einen Fehler beim Skifahren von einem Achttausender machst - danach hast du nämlich keine Zahnschmerzen mehr. In eure Ecke komme ich gern, in der Kurpfalz gibt es viele Bergfreunde. Da habe ich das Gefühl, das sind gute Plätze: Du siehst, wie die Leute kommen, sich unterhalten und lachen. Das gefällt mir an Brühl, da gehe ich mit Freude hin. Das ist wie ein Bergtreffen für mich.
- Zu den Tickets: Es gibt noch wenige Karten für den Abend mit Hans Kammerlander ab 18 bis 20 Euro an der Rathauspforte in Brühl, Telefon 06202/2 00 30 (Montag bis Freitag), oder hier.
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