Brühl/Ketsch. Es war damals nicht unumstritten, eine noch lebende Person als Namenspatronin auszuwählen. Doch mit Marion Gräfin Dönhoff hat die Realschule Brühl/Ketsch eine Persönlichkeit ausgewählt, die klar als Vorbild für freiheitliches Denken, Toleranz und Gerechtigkeit gelten kann. Aktuell jährt sich die Enthüllung der Namenstafel bei der Marion-Dönhoff-Schule zum 25. Mal. Und es hat sich gezeigt, dass nach gut einem Vierteljahrhundert das Credo der Gräfin so aktuell ist wie schon immer.
Denn nach wie vor heißt es im Selbstverständnis der Realschule, dass die Schüler ein Verständnis für andere entwickeln sollen, welches sie befähigt, grundlegende Werte zu leben und weiterzugeben und sich für eine dauerhafte Demokratie und einen dauerhaften Frieden in der Welt einzusetzen. Da passt das Namenspatronat absolut.
Pädagogische Relevanz bestätigt
Die Schulleiterin vor einem Vierteljahrhundert, Gabriele Wiedemann, hob damals in ihrer Begrüßungsrede beim Festakt zur „Schultaufe“ hervor, dass die Namensgebung einer Schule mit pädagogischer Relevanz begründet werden müsse. Sie kam auf die Bedeutung von Idolen und Vorbildern zu sprechen. „Idole brauchen ein Geheimnis, sie werden bewundert und verehrt, geben jedoch keine Orientierung für das eigene Leben.“ Vorbilder hingegen seien glaubwürdig, da sie nicht von Medien gemacht würden und auch Schwächen aufwiesen. „Vorbilder drängen keine fremden Ziele auf und dienen nicht der Nachahmung, sondern vielmehr als Anreiz zur Beschäftigung mit der Idee, die dahinter steht“, erklärte Wiedemann damals. Marion Gräfin Dönhoff sei ein perfektes Vorbild. Sie lege niemals Wert auf die Verehrung ihrer Person, sondern wolle die Menschen zur Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Werten bringen. Der Schulname Dönhoff sei daher eine permanente Herausforderung zur Reflexion.
Der damalige Ketscher Bürgermeister Hans Wirnshofer schilderte in seiner Funktion als Vorsitzender des Schulverbandes das Zustandekommen dieser besonderen Schultaufe. Der konkrete Vorschlag sei unter anderem damit begründet worden, dass die anderen Realschulen im Rhein-Neckar-Kreis damals allesamt Namen männlicher Persönlichkeiten getragen haben.
„Wir hätten für unsere Realschule aber kein besseres Vorbild finden können“, betonte Wirnshofer – ohne Bevorzugung eines Geschlechtes, wie er später verriet. Gräfin Dönhoff sei eine Frau, welche die guten Seiten der deutschen Geschichte repräsentiere und die mit ihrer Toleranz, ihrem Engagement und Lebenswerk ein Vorbild für alle sei. Der Schulverband der Gemeinden Brühl und Ketsch habe dem Wunsch der schulischen Gremien nach einer Namensgebung gerne zugestimmt. „Wir sind glücklich und stolz, unsere Schule nach Marion Dönhoff nennen zu dürfen“, schloss Wirnshofer damals seine Ansprache und überreichte der Gräfin die Verleihungsurkunde.
Sie lobt den Mut der Entscheider
Dr. Marion Gräfin Dönhoff, die für die erste Benennung einer Schule in Deutschland mit ihrem Namen extra angereist war, ergriff das Wort und meinte, „es ist ein eigenartiges Gefühl zu wissen, dass eine Schule meinen Namen trägt.“ Zunächst sei sie erschrocken über den Vorschlag gewesen, beinhalte er doch das hohe Maß an Verantwortung einer Patin. „Doch letztendlich war der Mut der Entscheidungsträger größer als meine Bedenken.“
Dönhoff stellte in ihrer Ansprache die Frage: „Welche Voraussetzungen sollten Menschen, die in die Gesellschaft eintreten, mitbringen?“ Als vorrangige Charaktereigenschaften nannte sie die Gerechtigkeit, die festen ethischen Vorstellungen und das Praktizieren von Toleranz, die untrennbar mit der Achtung der Minderheitsmeinung verbunden sei. Der Schule wünschte Marion Dönhoff damals Glück und Erfolg in ihren Bestrebungen.
Zur Person
Marion Hedda Ilse Gräfin Dönhoff wurde 1909 auf Schloss Friedrichstein in Ostpreußen geboren.
In den NS-Jahren führt sie das Doppelleben einer regimetreuen Gräfin und Widerstandskämpferin unter anderem zusammen mit Claus Schenk Graf von Stauffenberg.
Nach dem Krieg war sie viele Jahre Chefredakteurin und Mitherausgeberin der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“ und gilt als eine der bedeutendsten Publizistinnen.
Marion Gräfin Dönhoff wurde für ihre Tätigkeit mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt.
Sie starb März 2002 im Alter von 92 Jahren. ras
Und nach wie vor erklärt die Marion-Dönhoff-Schule, sie sei sehr stolz, diesen Namen als erste Schule in der Bundesrepublik tragen zu dürfen. Es sei anfangs nicht leicht gewesen, bei allen Gremien diesen Namen durchzusetzen, aber dann überzeugte doch alle die Lebensleistung von Dönhoff.
„Ihr Engagement für Aussöhnung, Frieden, Toleranz und Gerechtigkeit wurde nicht nur von den Gremien der Schule als besonders vorbildlich für die junge Generation erkannt, auch die Öffentlichkeit im Umfeld der Schule beschäftigte sich zunehmend mit der Person dieser Namensgeberin und ließ sich davon überzeugen, dass die Wahl dieses Schulnamens eine wirklich gute Sache war“, betont der derzeitige Schulleiter Martin Jendritzki. „Möge der Gedanke der Toleranz, der Friedensliebe und der Versöhnung über alle Grenzen hinweg sowie das Engagement an öffentliche Verantwortung für den Geist unseres Hauses immer prägend sein“, hieß es 2002 zum Tod der Patin.
Die Geschichte der Realschule reicht aber über die 25 Jahre hinaus. 1967 ging sie – damals noch im Pavillon der Schillerschule – unter der Leitung von Franz Cischinsky als Nebenstelle der Schwetzinger Realschule an den Start. Erst 1975 wurden die modernen Schulgebäude am südlichen Rand der Gemeinde eingeweiht.
Einst mit Gymnasium geplant
Übrigens war das Schulzentrum einst viel größer geplant, wie der Bericht unserer Zeitung von 1970 zeigt. So gaben vor 53 Jahren Brühl und Ketsch grünes Licht, ein übergreifendes Schul- und Bildungszentrum zu errichten. Nachdem sich beide Seiten schon seit Jahren ernsthaft mit der Durchführung des Projekts befasst hatten, wurde damals für die Inangriffnahme der weiteren planerischen und baulichen Maßnahmen votiert – einstimmig.
Nach den Plänen der beauftragten Karlsruher Architektengruppe sollte ein aus Realschule, Gymnasium und Hauptschule bestehendes Bildungszentrum entstehen, die „den schulischen Organisationsformen der Gegenwart Rechnung trägt“. Doch, so hieß es bei der Einweihung der Realschule, es entstehe kein Zeitdenkmal, sondern es gehe eine Anlage, die einen Notstand beseitigt, an den Start. Die Planung eines Gymnasiums dort, war dann schnell vom Tisch.
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