Marion-Dönhoff-Schule

Schüler aus Brühl erleben Geschichtsunterricht am Ort des Schreckens

Die Neuntklässler der Marion-Dönhoff-Schule in Brühl nehmen im ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald an einem Lernprojekt teil.

Von 
Ralf Strauch
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Sehr beeindruckt zeigen sich die Schüler der Marion-Dönhoff-Schule von den vielen Gedenkstätte auf dem Areal des früheren Konzentrationslagers Buchenwald. © Gérard

Brühl/Ketsch. Eine „Reise gegen das Vergessen“ unternahm die Klasse 9a der Marion-Dönhoff-Realschule zusammen mit den Lehrern Eva Hauser und Daniel Gérard – sie fuhren in die Gedenkstätte Buchenwald. Die Schüler wollten bei der mehrtägigen Exkursion Geschichte vor Ort erleben und sich im Geschichtsunterricht intensiv mit einem Bereich des deutschen Nationalsozialismus „Von der Ausgrenzung bis zur Vernichtung“ beschäftigen.

Lenny Ziller, Tagungsleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), ohne deren Unterstützung es nicht möglich gewesen wäre, die Bildungsfahrt nach Buchenwald anzubieten, begleitet die Klasse an den folgenden Tagen, machte sich ein Bild von den Schülern und deren Arbeiten. Die Gedenkstättenpädagogen Silvio Kobel und Ronald Hirte stellten der Gruppe das Programm vor, das mit dem Gérard im Vorfeld der Fahrt entwickelt worden war.

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Hirte begann mit sachlichen Informationen und Zahlen zum System der Konzentrationslager (KZ) und kam insbesondere auf das in Buchenwald bei Weimar zu sprechen. Von 1937 bis 1945 als KZ benutzt, war das Häftlingslager 400 000 Quadratmeter groß, umschlossen von 3500 Meter stromführenden Stacheldrahtzaun. Dort und in den 139 Außenlager waren 277 800 Häftlinge – davon 30 000 minderjährig – aus über 50 Ländern interniert. Am Ende wurden dort rund 56 000 Menschen getötet. Hinter jedem Häftling und jedem Ort im Lager verbirgt sich eine menschliche Geschichte – diese Erkenntnis gewannen die Teilnehmer in den nächsten Tagen.

Neuntklässler aus Brühl in Buchenwald: Fragen bleiben unbeantwortet

Um das Wissen der Schüler zu aktivieren, startet die Gruppe mit einem Gang durchs Gelände. Die Jugendlichen verschaffen sich selbst einen Eindruck von der Anlage und entwickeln Fragen beziehungsweise Ideen, die weiter in den Blick genommen werden sollten.

In einem Teil lebte und arbeitete die SS in einer Kaserne. Die Totenkopfverbände der SS waren für das Bewachen und das generelle Betreiben der Konzentrationslager zuständig – somit auch verantwortlich für die Lebensbedingungen und das Vernichten der Häftlinge. Dass die Jugendbegegnungsstätte, in der die Lerngruppe schlief, Teil dieser Kaserne im Lager war, gab den Schülern zu denken.

Neuntklässler aus Brühl in Buchenwald: Jugendliche zeigen sich betroffen

Im Inneren des Lagers keimte die Diskussion auf, was wohl im Originalzustand und was im Nachbau auf dem Gelände steht. Am Rande des Krematoriums, im Inneren des ehemaligen Schutzhaftlagers, schauen die Schüler nach draußen und entdecken den Bärenzwinger, der zu einem Tiergarten mit Wildtieren und Streichelzoo gehörte. Er wurde von der SS und deren Familien zum Vergnügen genutzt. Die Schüler zeigten sich irritiert, wie man eine solche Anlage direkt an den Rand eines Konzentrationslagers bauen und dort mit seiner Familie entspannen könne, wenn direkt daneben gefoltert und gemordet werde. Eine befriedigende Antwort darauf gab es nicht, „weil es für uns unvorstellbar ist, wie die Nationalsozialisten gedacht und gefühlt haben“, lautete das Fazit der Schüler.

Im Krematorium wurde die Bedeutung dieses Ortes als Mordstätte erklärt. Im Keller wurden über 1100 Häftlinge durch Erhängen getötet und danach direkt verbrannt. Auch wurden politische Gegner im Hinterhof erschossen. Der bekannteste war Ernst Thälmann, damals Chef der Kommunistischen Partei.

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Es ging für die Schüler weiter über die sogenannte Pathologie, in der den Toten Zahngold sowie Organe für die Forschung entnommen worden waren, zu den Verbrennungsöfen. Diese Originale und lösen bei der Klasse viele Emotionen aus. In der neu gestalteten Dauerausstellung erfuhren die Schüler viel zur Geschichte des Lagers, über Biografien, Realien, Daten und Fakten. Die Schüler erkunden die Ausstellung mit großem Interesse und arbeiteten gewissenhaft an ihren Projekten.

Das dann besuchte Torgebäude spielte im Alltag und bei der Befreiung eine wichtige Rolle. Die Tür zum Lager trägt die Aufschrift „Jedem das Seine“, die von innen immer gut für die Häftlinge zu lesen war. Es wurde auch die Bedeutung der Zeit auf der angehaltenen Toruhr erklär: Es ist der Moment der Befreiung des Lagers am 11. April 1945. Der sogenannte „Bunker“, der ein eigener Teil des Torgebäudes war, ist in der damaligen Zeit ein Ort des Terrors, der Folter und der willkürlichen Gewalt. Die Schüler erfuhren dort, was Häftlingen passierte. Auch dort zeigten sich die Schüler sehr betroffen.

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Es ging für die Jugendlichen aus Brühl und Ketsch auch ins direkt benachbarte Weimar. Dort sollte die Verbindung zwischen Stadt und Konzentrationslager verdeutlicht werden. Ein Anlaufpunkt war der Steinbruch, der mit all seinen Schrecken vorgestellt wurde. „Es ist unvorstellbar, dass dieser heute so idyllische Ort ein besonderer Ort des Schreckens gewesen sein soll, an dem es zu den grausamsten Ereignissen der Lagerzeit gekommen ist“, meinte eine Schülerin. Von dort ging es über einen Prominentenhäftlingsbau, in dem Dietrich Bonhoeffer als Häftling eingesperrt war, zu einem der im Wald versteckten Aschegräber, in das ab Ende 1942 die Asche von rund 7000 Menschen aus dem Krematorium geschüttet wurde. Die waren sehr beeindruckt, aber auch bedrückt von der Stimmung des Ortes. Auf dem sogenannten „Caracho Weg“ ging es einst für die Häftlinge vom Bahnhof ins Lager. Dort erzählt Kobel von der Ankunftsprozedur mit all ihrer Entmenschlichung der Insassen.

Neuntklässler aus Brühl in Buchenwald: Veränderte Sichtweise

„Für uns haben sich hier immer neue Türen geöffnet – immer, wenn man an einem Ort war, wurden an diesem Ort neue Perspektiven klar, immer verbunden mit Menschen, die auch mehr waren als die Geschichte im Lager“, fasste die Klasse der Dönhoff-Schule ihre Erfahrungen zusammen.

Diese drei Tage in Buchenwald hätten die Sicht der Schüler, aber auch die der begleitenden Lehrer, verändert, meint Gérard. Es ist auch heute noch wichtig, dass man sich immer wieder klar macht, was an Orten wie Buchenwald passiert ist. „Nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern um sich zu erinnern und mitzuhelfen, dass so etwas nicht noch einmal passiert. Jeder hat eine Stimme und die Möglichkeit aufzustehen, wenn sich Menschen – auch in der heutigen politischen Landschaft – über Minderheiten stellen und mit Ängsten der Menschen spielen, um selbst Macht zu erlangen. Egal ob in Deutschland oder sonst wo auf der Welt.“

Diese Erfahrungen schilderten die Schüler auch einem Fernsehteam des Kultursenders Arte, das eine Dokumentation drehte, wie „die Deutschen“ ticken – in Buchenwald ging es um die Erinnerungskultur. Wann der Beitrag ausgestrahlt wird, ist noch unklar. 

Redaktion

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